Die Sache mit dem Streichholz
Das Streichholz droht aus unserem Alltag zu verschwinden. Wie fatal! In seinem friedvollen Verglimmen für andere und seiner Bereitschaft, den Muff zu vertreiben, steht es für Hingabe und Kritik, erinnert uns also daran, was es heißt, ein Mensch zu sein.
Von der besonderen Güte, die ein gemeines Streichholz für unsere Mitmenschen bedeuten kann, wird zu wenig gesprochen. Die Gründe für dieses kritische Versagen sind komplex. Und führen, so scheint es, direkt ins beklommene Herz unserer Gegenwart. Noch im 19. Jahrhundert beispielhafte Verkörperung lebenserleichternder Alltagsinnovation, haftet dem Streichholz seit dem Siegeszug des Feuerzeugs die Fama des Altmodischen und Überkommenen an. Auch wird die Frage nach dem Feuer, über Jahrtausende heiligste aller menschlichen Sorgen, heute vor allem mit dem wahlweise schnorrenden oder flirtsüchtigen Begehren nikotinkranker anderer verbunden. Wie allgemein festgehalten werden muss, dass in unserer Zeit der Dürren jede Form des Entfachens, Anzündens oder auch nur Zündelns unter dem Verdacht der Reaktion und potenziellen Verheerung steht: jedes Lagerfeuer ein kommender Waldbrand, jeder Gasgrill eine züngelnde Klimakatastrophe, jede Kerze ein frömmelndes Bekenntnis.
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