Kann Schlachten human sein?
Diese Frage steht nicht nur im Mittelpunkt des viel diskutierten Tierwohl-Labels. Sie betrifft alle, die Tiere lieben, aber trotzdem nicht auf ihren Verzehr verzichten wollen. Ein Besuch auf einem Schlachthof in Vermont.
Bevor ich sie sehe, höre ich sie. Hufe klackern auf Beton, dann auf Metall. Jetzt betritt die Kuh die Betäubungsbox. Die Edelstahlwände ragen hoch über ihren Körper. Gewehrt hat sich die Kuh nicht, als sie aus dem angrenzenden Stall geholt wurde. Aufgrund der besonderen Architektur des Gebäudes hat sie, so scheint es, keine Gefahr gewittert.
Durch ein großes Fenster sehe ich zu, wie das Tier nun folgsam seinen Kopf durch eine rechteckige Öffnung am vorderen Ende der Box schiebt. Sein Fell schimmert schwarz, genauso seine großen Augen.
Gleich wird die Mitarbeiterin seinen Hals mithilfe eines Metallstücks herunterdrücken, dann Kinn und Kiefer durch ein zweites Stück anheben. Als wäre es beim Zahnarzt, wird das Tier seinen Kopf in den Nacken legen. Es wird ihn nicht bewegen können, wenn die Bolzenpistole gegen seine Stirn presst.
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