Leo Strauss: Der Philosoph des 21. Jahrhunderts
Auffallend viele Intellektuelle aus dem Umfeld von Donald Trump berufen sich auf den Philosophen Leo Strauss. Dessen Modernekritik inspirierte bereits die neokonservative Bush-Administration. Und chinesische Intellektuelle, die Kommunismus mit Konservatismus verbinden wollen. Wer war Leo Strauss?
Donald Trump ist nicht gerade als Philosoph bekannt. Seine erratischen Reden, seine Ungeduld mit anderen Meinungen und sein Verständnis von Politik als Dealmaking lassen weniger auf eine Liebe zur Weisheit schließen als vielmehr auf jene „Revolution des gesunden Menschenverstandes“, die er in seiner Antrittsrede verkündet hat. Dennoch gibt es in seinem Umfeld Stimmen, die dem Trumpismus einen philosophischen Rahmen verpassen wollen.
Da ist zum Beispiel Michael Anton, Director of Policy Planning im Außenministerium. Anton forderte 2020 einen „Cäsar“, der die gelähmten Institutionen der Vereinigten Staaten zeitweise außer Kraft setzt, um die Ordnung wiederherzustellen. Statt Parlamenten und Gerichten gäbe es dann nur noch eine Macht im Staat: den Präsidenten. Tatsächlich kokettiert Trump immer wieder mit einer „Diktatur für einen Tag“, der Abschaffung der Wahlen oder der Trockenlegung des bürokratischen Sumpfes. Hat Anton die Blaupause für Trumps Staatsumbau geliefert? Anton ist nicht der einzige Intellektuelle in Trumps Umfeld. Vizepräsident JD Vance ist auch einer. Und im Unterschied zu Trump nennt er seine Quellen. Er steht zum Beispiel in regem Austausch mit dem Politologen Patrick Deneen, der auf traditionellen Familienwerten und Katholizismus eine „postliberale“ Ordnung errichten will. Noch enger dürfte Vance mit dem Tech-Milliardär Peter Thiel sein, der seinen Wahlkampf maßgeblich finanziert hat. Thiel ist nebenbei auch Philosoph und sorgt sich um den Westen. Zwischen Demokratie und Freiheit bestehe nämlich ein Widerspruch: Die Mitsprache der vielen führe zu einer Überregulierung, unter der die eigentlichen Träger der Freiheit, die Unternehmer, zu leiden hätten. Besser wäre es, so Thiel, wenn die Innovatoren selbst die Herrschaft übernehmen und die Freiheit von oben herstellen.
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