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Bild: Hendrik Schmidt (picture alliance / ZB)

Impuls

Thomas Müntzer und die Geburt des Kommunismus aus dem Geist der Mystik

Moritz Rudolph veröffentlicht am 27 Mai 2022 4 min

Heute vor 500 Jahren wurde Thomas Müntzer in Mühlhausen hingerichtet. Als Rivale Martin Luthers trat er an der Seite der Bauern im Kampf gegen die Knechtschaft an. Sein mystischer Kommunismus könnte auch heute noch in die Zukunft weisen.

 

Thomas Müntzer ist ein Lehrbuchbeispiel für dialektischen Umgang mit Institutionen: Der Pfarrer aus Stolberg im Harz, eingesetzt, um die Ordnung zu stützen, wurde in den 1520er Jahre zum Anführer eines Aufstands gegen die Ordnung. Anfangs ein Anhänger Martin Luthers, trieb er dessen Reformation ins Politische und wurde, während Luther als Fürstenknecht auftrat, zum Fürstenschreck. Müntzer wollte Ständeprivilegien abschaffen, den Armen ein besseres Leben ermöglichen und ein ganz „anderes Regiment“ errichten, eine Frühform des Kommunismus.

 

Theologe der Revolution

 

Dieser „Alles-gehört-allen“-Kommunismus war ein Produkt der Theologie und Mystik, die keine vermittelnden Instanzen wie Kirche und Obrigkeit duldete, sondern nur die Erfahrung des Heiligen Geistes durch den Einzelnen. Beeinflusst von der deutschen Mystik des Mittelalters, witterte Müntzer Gott in allen Menschen. Und wenn er in jedem haust, warum soll man dann noch auf Autoritäten hören? Als „Knecht Gottes“ hatte man ja schon einen Herrn; wäre es da nicht Frevel und Störung des immerwährenden Gottesdienstes, einem anderen zu folgen? Und ist es dann nicht eine Pflicht, die Ketten abzuschütteln und den Aufstand zu wagen, um selbst ganz bei sich und Gott sein zu können?

Zumal die Herren mit ihrer Herrschaft heillos überfordert schienen, wie Müntzer 1524 anprangerte: „Die Grundsuppe des Wuchers, der Dieberei und Räuberei“ sind „unser Herrn und Fürsten, nehmen alle Kreaturen zum Eigentum: die Fisch im Wasser, die Vögel in der Luft, das Gewächs auf Erden muß alles ihr sein.“ Mit diesem angemaßten Eigentum gingen sie, so Müntzer, nicht gerade behutsam um, sondern „schinden und schaben“ „alles, das da lebt“. So „machen“ „die Herren das selber, daß ihnen der arme Mann feind wird. Die Ursache des Aufruhrs wollen sie nicht wegtun. Wie kann es die Länge gut werden? So ich das sage, muß ich aufrührisch sein!“

Müntzers Funke sprang über und entfachte einen Aufstand der thüringischen Bauern, der, bevor er sich zur Revolution ausweiten konnte, bei Frankenhausen blutig niedergeschlagen wurde. Damit war diese erste neuzeitliche Regung des Kommunismus verschwunden, aber der (Heilige) Geist der Revolution blieb.

Spätere Kommunismen pochten bekanntlich auf ihre revolutionäre Nüchternheit und wollten alles Religiöse ausmerzen. Vielleicht wurden sie deshalb so langweilig und brutal. Möglicherweise steckte dahinter ein Selbsthass auf die eigene spirituelle Wurzel, der überwunden werden muss, wenn der Kommunismus noch einmal eine Rolle spielen will.

 

Nachmoderner Kommunismus

 

Heute gilt der Kommunismus als mausetot. Doch vielleicht hält er nur Winterschlaf. Hat er dies nicht immer wieder getan? Für Alain Badiou gibt es verschiedene kommunistische Sequenzen und konterrevolutionäre Unterbrechungen, seit Gracchus Babeuf den modernen Kommunismus in der Französischen Revolution erfand, der jedoch im Keim erstickt wurde. Einen zweiten Höhepunkt gab es 1871 mit der Pariser Commune, die im Gemetzel der Polizei von Paris endete. Erst 1917 gab es einen neuen Anlauf, eine neue Sequenz, die bis 1989 dauerte. Seither ist es still geworden um den Kommunismus. Doch vielleicht kommt, so Badiou, bald ein neuer: Klimawandel, Pandemien, weltweite Ungleichheit, Migration und Kriege verlangen eine neue Globalgemeinschaft, die der nationalstaatlich zerklüftete Kapitalismus nicht herstellen könne. Auch das alte Sowjetsystem mit seinem starren Verwaltungsapparat wäre dazu nicht in der Lage. Es müsste ein ganz neuer Kommunismus sein.

Ist dies nicht die Bresche, in die Thomas Müntzer springen könnte? Sein Kommunismus lebte von der Erwartung des kommenden Weltreichs von unten. Aus einer zornigen Menge formte er ein Heer von Bauern zur Zerschlagung der Staatsapparate und zur Übernahme der Macht, um es besser zu machen. 

Vielleicht besteht der mystische Zusatz heute darin, dass man Gott nicht nur in allen Menschen erkennt, sondern auch in allen Bäumen, Winden, Tieren und Dingen, die, so Jacob Böhme, Münder haben und zu uns sprechen. Hören wir ihnen zu und nehmen wir sie in unsere Diskurs- und Anerkennungsgemeinschaft auf, dann ergeben sich ganz andere politische Projekte als im bisherigen Kommunismus.

Der Kommunismus wäre dann die Vereinbarung verschiedener Lebendigkeitsansprüche von Mensch und Nicht-Mensch, wozu erste und zweite Natur gehören, Biologie und Technologie, Bäume und Roboter, unsere Voraussetzungen und Schöpfungen, die alle miteinander verschmelzen. 

Hat Müntzer nicht etwas Ähnliches im Sinn gehabt, als er Gott in den Menschen hineinverlegte? Dieser wurde damit zu einem Teil des „All-Ganzen“, das nicht von Schrift und Autorität gelenkt wird, sondern von der inneren Erfahrung, die sich der Herrschaft entzieht. 

Gut möglich also, dass der nachmoderne Kommunismus dem vormodernen gleicht und weniger nach einem neuen Lenin, Marx oder Babeuf als nach einem neuen Thomas Müntzer Ausschau halten muss, der die Welt und die Bauern mit dem Zauberstab der Mystik zum Klingen bringt. •

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