Was nach dem Rückblick kommen könnte
„Posthistoire“, „Postmoderne“, „Postkolonialismus“: Der Philosoph Dieter Thomä verabschiedet die Vorsilbe „Post-“ – und plädiert für Schwellenlust statt Disruption.
Utopien und Zukunftsentwürfe sind derzeit dünn gesät: Politisch denkende Menschen blicken desillusioniert, wenn nicht sogar deprimiert auf die Weltlage (von Trump- und Musk-Fans vielleicht abgesehen). Dass diese weithin geteilte Stimmung angesichts aktueller Krisen – von der Bedrohung der Demokratie bis zur Rückkehr des Krieges – ihre Wurzeln tief im 20. Jahrhundert hat, zeigt Dieter Thomä in seinem neuen Buch. Der Philosoph geht zurück bis in die Zeit, als in den Geistes- und Sozialwissenschaften die Mode aufkam, die Diagnose eines historischen Umbruchs verbal an die Verabschiedung des Vorherigen zu knüpfen. „Postismen“ nennt Thomä die zahlreichen Begriffe, die durch diesen terminologischen Kniff entstanden sind und von denen er drei besonders prominente herausgreift: Posthistoire, Postmoderne und Postkolonialismus verkünden eine neue Zeitrechnung, indem sie sich auf die alte zurückbeziehen. Alle drei haben nicht nur eigene Theorien, sondern bis heute auch lebhafte Debatten hervorgebracht.
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Kulturanzeiger – Dieter Thomä: „Post-. Nachruf auf eine Vorsilbe“
In unserem Kulturanzeiger stellen wir in Zusammenarbeit mit Verlagen ausgewählte Neuerscheinungen vor, machen die zentralen Ideen und Thesen der präsentierten Bücher zugänglich und binden diese durch weiterführende Artikel an die Philosophiegeschichte sowie aktuelle Debatten an. Diesmal im Fokus: Post-. Nachruf auf eine Vorsilbe von Dieter Thomä, erschienen bei Suhrkamp.

Hängengebliebene Revolutionäre?
Vorsilben verraten mehr über politische Programme und philosophische Systeme, als deren Urhebern lieb sein mag. Dieter Thomä stellt die Mitglieder der ersten Liga der Vorsilben vor. An der Spitze rangiert „Post-“.

„Die Postmoderne ist nicht postfaktisch“
Mit seiner Kritik an der Rationalität und den Wissenschaften und seiner Betonung des Leibes und der Sprache wurde Nietzsche schon früh für die Kritische Theorie ein wichtiger Ideengeber und ab den 1960er-Jahren zu einer zentralen Inspirationsquelle für die Postmoderne. Geschichte eines Langzeiteinflusses.

Endlich am Ende?
Die Vorsilben „Neo-“ und „Spät-“ springen ins Feld, wenn Begriffe dem Abdanken nahe kommen. „Neo-"will nicht ganz Abschied nehmen und versucht sich auf eine Revitalisierung des Alten und „Spät-“ zögert das unweigerliche Ende ins Unendliche aus, erläutert Dieter Thomä.

Dieter Thomä: "Keine Demokratie ohne Störenfriede!"
Was tun, wenn man sich fremd in der eigenen Gesellschaft fühlt? Gar eine radikal andere Welt will? Fragen, die im Zentrum des Denkens von Dieter Thomä stehen. Ein Gespräch über kindischen Lebenshunger, gestörte Männer und die tödliche Sehnsucht nach totaler Ordnung.
Dieter Thomä: „Wer einen guten, wohltuenden Frieden stört, ist einfach nur ein Querulant“
Nach Jahren der Provokation verließ Tübingens Oberbürgermeister letzte Woche die Grünen. Was der Schritt über die Zukunft der Partei aussagt und was Boris Palmer zum produktiven Störenfried fehlt, erläutert der Philosoph Dieter Thomä im Interview.

Dieter Thomä: „Die USA laufen Gefahr, sich in zwei gänzlich parallele Gesellschaften zu entwickeln“
Viele der Kriminellen, die am 6. Januar das Kapitol stürmten, inszenieren sich als Helden. Der Philosoph Dieter Thomä erläutert, warum sie genau das Gegenteil sind, die Demokratie aber dennoch „radikale Störenfriede“ braucht.

Dieter Thomä: „Wenn Soldaten Helden sind, dann zweiten Ranges“
Seit Beginn des Ukrainekriegs sind sie wieder in aller Munde: Helden. Der Philosoph Dieter Thomä erläutert, warum auch Demokratien Helden brauchen, die Gleichsetzung mit Soldaten aber problematisch ist.
