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Bild: Dietmar Becker (Unsplash)

Reihe

Endlich am Ende?

Dieter Thomä veröffentlicht am 19 Februar 2025 5 min

Die Vorsilben „Neo-“ und „Spät-“ springen ins Feld, wenn Begriffe dem Abdanken nahe kommen. „Neo-"will nicht ganz Abschied nehmen und versucht sich auf eine Revitalisierung des Alten und „Spät-“ zögert das unweigerliche Ende ins Unendliche aus, erläutert Dieter Thomä.

 

Dieter Thomä ist ein Pionier der Prefix Studies. Seine wöchentliche Reihe über Avant-, Anti-, Re-, Ko-, De-, Dis-, Neo-, Spät-, Trans-, Meta-, Post- ist gleichzeitig der Countdown zu seinem Buch Post-. Nachruf auf eine Vorsilbe, das im März bei Suhrkamp erscheint.

Lesen Sie hier die bisherigen Texte der Reihe: „Avant-“, „Anti-“, „Re-“, „Ko-“ sowie  „De- und Dis-“.


 

Neo- und Spät- 

 

Die beiden Vorsilben „Neo-“ und „Spät-“ gehören zusammen. Wenn sie sich vor ein Wort hängen, dann hat dies nicht zur Folge, dass es zum Abschuss freigegeben wird (wie bei „Anti-“) oder dass es zum alten Eisen geworfen wird (wie bei Post-), vielmehr geht es darum, die Reichweite dieses Wortes auszudehnen. Die beiden Vorsilben unterscheiden sich insofern, als „Neo-“ als Frischekur wirken soll und „Spät-“ nur für den Versuch steht, etwas noch ein bisschen länger am Leben zu halten. 

„Neo-“ ist vor allem wegen des „Neoliberalismus“ zu Prominenz gelangt, tritt aber auch in Verbindungen wie „Neomarxismus“, „Neostrukturalismus“, „Neorealismus„, „Neodarwinismus“, „Neofaschismus“ und „Neoinstitutionalismus“ auf. Von der „Neo-“Avantgarde war bereits anlässlich der Vorsilbe „Avant-“ die Rede. In den USA haben die Neoconservatives, inspiriert von Leo Strauss, versucht, Kapitalismus und Demokratie weltweit auf die Siegerstraße zu bringen. Allerdings wirkt diese Agenda nach den gescheiterten politisch-militärischen Missionen in Afghanistan und im Irak nach dem 11. September 2001 von gestern. 

 

Das kurze Leben des Neuen?

 

Insgesamt ist das Schicksal der Vorsilbe „Neo-“ deshalb absehbar, weil alles Neue spätestens übermorgen abgestanden wirkt und nichts so alt ist wie die Zeitung von gestern. Georg Wilhelm Friedrich Hegel wollte die Philosophie zwar darauf verpflichten, ihre „Zeit in Gedanken zu fassen“, wusste aber, dass die Wahrheit des „jetzt“ gesprochenen Satzes schnell „schal“ wird, und begnügte sich schließlich mit der Einsicht, dass die Philosophie wie die „Eule der Minerva“ erst „in der einbrechenden Dämmerung ihren Flug“ beginne. 

Die Liebhaber der Vorsilbe „Neo-“ sträuben sich gegen das Veralten, indem sie die Inhalte, die sie mit dem Neuen verbinden, auffrischen. Deutlich wird dies an dem bereits erwähnten „Neoliberalismus“. Dieser Begriff wurde in den 1930er Jahren von Walter Lippmann geprägt und damals in Richtung Ordoliberalismus ausgelegt. Die Leistung der staatlichen Ordnung wurde also hochgehalten. Während der frühe Neoliberalismus dem Laissez-faire-Liberalismus entgegengehalten wurde, steht der späte Neoliberalismus für die Wiederkehr von Laissez-faire und dient seit rund 40 Jahren als Feindbild der Kapitalismuskritiker. 

Derzeit wird diskutiert, ob der Neoliberalismus von einem Post-Neoliberalismus abgelöst wird, bei dem man auch nicht genau weiß, was er eigentlich ist. Politisch gilt er in Lateinamerika meist als links, in Osteuropa meist als rechts, weshalb auch unklar ist, wie er sich zu dem in den USA propagierten Postliberalismus verhält. Von diesem weiß man immerhin dank dessen Wortführer Patrick Deneen, dass er die Revolution von rechts plant. 

 

Vor den Kapitalismus gespannt

 

Für die Vorsilbe „Spät-“ gibt es plausible Einsatzorte wie den „Spätzünder“ oder die „Spätlese“. Manchmal meint „spät“ fast dasselbe wie „verspätet“ oder „zu spät“ – so bei der Rede vom „Spätling“, die heute veraltet wirkt, aber von Nietzsche und anderen gepflegt wurde. All diese Anwendungen beziehen sich auf Phänomene am Rand eines vorgegebenen Zeitfensters. Wenn von dieser Routine abgewichen wird, dann verliert sich die Vorsilbe „Spät-“ in einem Ende, das keine Ende findet, und steht nicht besser da als „Neo-“. 

Den Aufstieg in die erste Liga schaffte die Vorsilbe „Spät-“, als sie sich vor den Kapitalismus spannte – das erste Mal im Jahre 1928 und dann ein weiteres Mal 40 Jahre später. 1928 erklärte der Soziologe Werner Sombart, der „Hochkapitalismus“ sei bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs durch den „Spätkapitalismus“ abgelöst worden. Er machte dies an „Alterserscheinungen“ fest wie zum Beispiel am „Nachlassen der wirtschaftlichen Spannkraft“. Das „Gesicht“ der frühen Kapitalisten sowie auch der frühen Kapitalismus-Kritiker war nach Sombart „vorwärts gerichtet, das unsere schaut zurück“. „Wir können nicht mehr in derselben Richtung weiterblicken, in der sich die Weltgeschichte bewegt.“ 

Während Sombart seine Diagnose vom Altern des Kapitalismus mit der These vom Veralten des Marxismus verband, lief es beim „Spätkapitalismus“, der während der Studentenbewegung Oberwasser bekam, genau umgekehrt. Mit diesem Begriff suchte Adorno den Verdacht zu zerstreuen, „Marx sei veraltet“. Dessen Zuständigkeit für die Deutung der aktuellen Lage sollte sichergestellt werden, indem man an der Bezeichnung Kapitalismus festhielt, aber mit dem Zusatz „„Spät-““ theoretische Modifikationen zuließ. Mit dieser flexiblen Strategie wollten Jürgen Habermas, Claus Offe und Ernest Mandel die soziologische Konkurrenz, die damals unter anderem mit dem Etikett „industrielle Gesellschaft“ hantierte, in Schach halten. 

 

Kein Ende in Sicht

 

Wer die „Jetztzeit“ als „Spätzeit“ deklariert, gerät jedoch unweigerlich in eine argumentative Sackgasse. An der These vom Spätkapitalismus – ob in der Version von 1928 oder von 1968 spielt keine Rolle – lässt sich das rasch verdeutlichen. Jeweils ging es darum, aktuelle Ereignisse unter das Dach eines bestimmten Systems zu bringen, indem man dessen Geltungsdauer justierte. Man behauptete zu wissen, dass der Kapitalismus demnächst ein Ende finden würde, denn nur so ergab die Rede von der Spätzeit einen Sinn. (Ein später Abend kann nicht endlos dauern. Ein spätes Siegtor fällt kurz nur vor Schluss.) 

Für die Behauptung eines solchen Endes lieferten die Theoretiker des Spätkapitalismus jedoch weder 1928 noch 1968 irgendwelche Belege. Das darf man ihnen nicht übelnehmen, denn dazu waren sie gar nicht in der Lage. Sie fielen der alten Weisheit zum Opfer, dass Prophezeiungen schwierig sind – vor allem dann, wenn sie die Zukunft betreffen. Übelnehmen darf man ihnen aber, dass sie ins Blaue hinein von „Spät-“ redeten. Außerdem ist verdächtig, dass eine solche Spätzeit gleich zweimal im Abstand von 40 Jahren verkündet wurde. Heute – mehr als 50 Jahre später – ist das Ende des Kapitalismus immer noch nicht in Sicht. 

Die „Spät-“Rede ist beliebt bei denjenigen, die die Geschichte ihrem eigenen Zeitplan unterwerfen wollen. Trotz der geschilderten Probleme ist die Vorsilbe „Spät-“ deshalb weiterhin populär. Das zeigt sich zwar nicht am „Spätkapitalismus“, wohl aber an der „Spätmoderne“. Anthony Giddens hat sie schon in den 1990er Jahren ausgerufen, und Andreas Reckwitz und Hartmut Rosa haben 2021 gemeinsam das Buch Spätmoderne in der Krise verfasst. Für dieses Wort löst sich gern die Zunge, denn es ist vage: Weil alle möglichen Auslegungen zur Moderne kursieren, lässt sich deren Datierung – also auch deren vermeintliches Spätstadium – großzügig variieren. Unklar bleibt, warum Andreas Reckwitz meint, mit dem Ausdruck „Postspätmoderne“ zum Verständnis der aktuellen Lage beitragen zu können. Der Trend zur Zweitvorsilbe ist zu bedauern. •


Aktueller Tabellenplatz: unteres Drittel
Wichtige Leistungsträger: Neoliberalismus, Spätkapitalismus
Besondere Eigenschaft: effizient kurz vor dem Schlusspfiff 

 

Dieter Thomä ist emeritierter Professor für Philosophie an der Universität St. Gallen und lebt in Berlin. Mitte März erscheint bei Suhrkamp sein Buch „Post-. Nachruf auf eine Vorsilbe“.

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