Weinstein, #MeToo und das Rechtsempfinden
Die #MeToo-Bewegung hat die Gesellschaft für sexualisierte Gewalt sensibilisiert und auf diese Weise auch das hohe Strafmaß gegen Harvey Weinstein beeinflusst. Dass sich das Recht in einem wohl verstandenen Sinne am gewandelten Rechtsempfinden der Bevölkerung orientiert, ist Ausdruck gelebter Demokratie.
Der Prozess gegen den US-amerikanischen Filmproduzenten Harvey Weinstein machte über Monate hinweg weltweit Schlagzeilen. Prominente Schauspielerinnen hatten zuvor öffentlich über sexuelle Belästigungen durch Weinstein berichtet, die New-York-Times-Reporterinnen Jodi Kantor und Megan Twohey ein Buch über ihre Recherche zum „Weinstein-Skandal“ geschrieben, und gleich zwei Filme über Weinsteins Übergriffe kamen in die Kinos. Im März 2020 wurde der einflussreiche Filmproduzent vom State Supreme Court in New York wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung schuldig gesprochen. Das Strafmaß: 23 Jahre. Kenner des US-amerikanischen Strafrechtssystems bewerten die Strafe als außerordentlich hoch. Denn vom Vorwurf der besonders schweren Vergewaltigung sprach das Gericht Weinstein frei. Und trotz der deutlich weitreichenden medialen Vorwürfe beschränkte sich das Verfahren auf Taten zum Nachteil von lediglich zwei Frauen. Weinstein hat gegen seine Verurteilung erfolgreich Revision eingelegt, wegen eines Verfahrensfehlers wird es also zu einer Neuauflage des Strafverfahrens kommen. In Deutschland wäre eine solche Bestrafung nicht denkbar: Die Höchststrafe liegt bei 15 Jahren, in der Praxis werden Vergewaltigungen weit überwiegend mit Strafen unter fünf Jahren geahndet.
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