Funktionale Flora
Pflanzen begegnen uns nicht nur als stille Gegenüber oder überwältigende Landschaften. Seit jeher erfahren wir sie auch sinnlich sowie mental und nutzen sie aktiv für unsere Zwecke. Wir stellen fünf Bereiche vor, in denen Blüten, Wurzeln und Blätter heimliche Helfer sind.
Bitterer Genuss
Wo sich der Verzehr von Pflanzen menschheitsgeschichtlich aus den Fesseln der bloßen Überlebensnotwendigkeit löst, dient er dem kulinarischen Vergnügen. Doch scheinen wir als Spezies nicht allein auf die Kultivierung geschmacklicher Raffinesse aus zu sein, sondern auch Gefallen an zunächst unappetitlichen Gewächsen zu finden. Insbesondere der Verzehr von Kaffee oder Schokolade vermag zu erstaunen, haben wir doch eine angeborene Abneigung gegenüber bitteren Stoffen, da diese in der Regel auf Giftigkeit hinweisen. Woher kommt also unsere Lust auf einen heißen Espresso am Morgen oder eine halbe Tafel Zartbitter nach 23 Uhr? Der US-amerikanische Psychologe Paul Rozin erklärt das paradoxale Vermögen, Freude an vermeintlich unangenehmen Geschmäckern zu empfinden, durch den Begriff der „hedonistischen Verkehrung“. So können wir körperlich unangenehme oder gar potenziell gefährliche Erlebnisse dann genießen, wenn wir rational wissen, dass sie tatsächlich keinen Schaden anrichten werden. Gerade weil uns unsere Geschmacksknospen also signalisieren, dass wir uns in Gefahr begeben, wir allerdings rational sicher sein können, dass uns der Kaffee höchstens etwas zittrig machen wird, empfinden wir Lust bei dessen Verzehr. So triumphiert der Geist über die körperliche Wahrnehmung. Oder anders formuliert: Mit jedem Schluck und jedem Biss vollziehen wir die Kultivierung der Natur aufs Neue im Kleinen nach.
Zum Weiterlesen: Michael Pollan, Kaffee Mohn Kaktus. Eine Kulturgeschichte psychoaktiver Pflanzen (Kunstmann, 2022)
Heilende Kräuter
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