Albert Camus. Leben in einer absurden Welt
Sonderausgabe 21 - Frühling 2022Engagiert, sinnlich, mutig, charismatisch: Es gibt kaum einen Philosophen, der mehr Anziehungskraft besäße als Albert Camus. Zumal in diesen Tagen, in denen sich Camus als der Denker unserer Zeit zeigt. Die Coronapandemie ließ uns seinen Roman Die Pest wiederentdecken. Die Klimaproteste verleihen seinem Konzept der Revolte neue Aktualität. Und der Ukrainekrieg ruft Camus als Widerstands- und Freiheitsdenker ins Gedächtnis.
In dieser Sonderausgabe stellen wir Ihnen Werk und Leben des französischen Existenzialisten vor. Dabei verbinden wir Originaltexte mit Interviews und Essays führender Intellektueller, die ihren je ganz eigenen Bezug zu Camus haben.
Mit Beiträgen von Carolin Emcke, Donatella Di Cesare, Iris Radisch, Luisa Neubauer, Ralf Konersmann u. v. m.
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1. Der Sprung ins Absurde
Wer sich nicht in den geschäftigen Alltag oder die Religion flüchtet, blickt in den Abgrund: auf eine Welt ohne Sinn, eine Existenz ohne Halt und auf die eigene Sterblichkeit. Das ist das Absurde, das Camus in seinen frühen Werken Der Mythos des Sisyphos und Der Fremde beschreibt. Doch Camus will nicht verzweifeln angesichts des Absurden, sondern ihm mutig und lebensbejahend begegnen.
2. Die ständige Revolte
Die Gräuel des Krieges und der Konzentrationslager führen vor Augen, was passiert, wenn das Absurde zum kalten Prinzip wird und Gewalt und Wahn keine Grenzen gesetzt sind. Dieser Entäußerung, die auch das Kennzeichen blutiger Revolutionen ist, setzt Camus die Revolte entgegen. In seinen Romanen und Artikeln skizziert er die Grundzüge eines humanistischen Widerstands, der in gegenwärtigen Protestformen eine Wiedergeburt erfährt.
3. Die Natur als Maß
Gibt es noch Halt in einer absurden und entgrenzten Welt? Ja, in der Natur und in dem natürlichen Maß, das sie setzt. Camus’ mediterranes Denken knüpft an die Antike an und strebt nach sinnlicher, unmittelbarer Erfahrung. In seinem letzten Werk Der erste Mensch kehrt Camus dabei auch zurück zu seinen Wurzeln: zur Erde Algeriens und zur geliebten Mutter.
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Denken im Taumel der Zeit
Ein Leben zwischen Sinnlichkeit und Engagement
Freiheit braucht Mut. Kaum ein Denker des 20. Jahrhunderts stand für diese Überzeugung vehementer ein als Albert Camus. Als Philosoph, Romancier, Journalist suchte er nach Sinn in einer absurden Welt. Gegen starre Ideologien und abstrakte Werte verschrieb er sich dem täglichen Einsatz für Menschlichkeit.

Catherine Camus: „Mein Vater sah mich, wie ich war“
Catherine Camus, die Tochter von Albert Camus, erinnert sich an ihre Kindheit, den früh verstorbenen Vater und das moralische Gewicht seines Erbes.

Historische Einflüsse
Um Camus’ Denken besser zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die historischen Figuren, die ihn beeinflussten – sowohl auf seine Vorbilder als auch auf seine Gegenspieler. Porträts von vier philosophischen Bezugspersonen.

Carolin Emcke: „Intellektuelle zeigen sich durchlässig für Anfechtungen“
Camus war nicht nur Philosoph, sondern immer auch öffentlicher Intellektueller, der Stellung zum Geschehen in der Welt bezog. Was macht solch ein engagiertes Denken aus? Ein Gespräch über den Krieg, die Pandemie und den Einsatz für Solidarität und Demokratie in unserer Zeit.

Der Sprung ins Absurde
Von der Verzweiflung zur Versöhnung
Das Absurde ist „meine erste Wahrheit“, schreibt Camus in Der Mythos des Sisyphos. Es entsteht in der Konfrontation mit einer schweigenden Welt, die den Menschen in die Ohnmacht zu stürzen – aber auch zum Glück zu führen vermag. Ein Essay von André Comte-Sponville.

Der blinde Fleck im Absurden
In seinem Roman Der Fremde hat Albert Camus den Kolonialismus auffällig unthematisiert gelassen. Der algerische Schriftsteller Kamel Daoud hat deshalb einen Gegenroman geschrieben. Doch verrät die Lücke auch etwas über Camus’ Philosophie?

Der Fremde mit einer Note Punk
1978 veröffentlichte die britische Band The Cure ihren berühmten Song Killing an Arab. In dem Lied verband der Sänger Robert Smith die nihilistische Provokation des Punks mit der Philosophie des Absurden – und setzte sich damit denselben Fehlinterpretationen aus wie schon Camus’ Roman.

Exkurs: Camus und die Algerienfrage
Alice Kaplan: „Algerien prägte die Textur seiner Arbeit“
Camus gilt vielen als französischer Autor. Dabei war Algerien, Ort seiner Kindheit, ein ebenso starker Bezugspunkt. Wie prägte Algerien sein Schreiben? Wie sprach er über den Kolonialismus? Verkannte er dessen Spuren im eigenen Denken? Ein Gespräch mit Alice Kaplan.

Die ständige Revolte
Revolte im Baumhaus
Junge Menschen leben in Baumhäusern nahe dem Tagebau Garzweiler II. Andere gehen auf die Straße, um sich gegen die Absurdität der politischen Gegenwart aufzulehnen. Wie hätte Albert Camus auf diese Proteste geblickt? Eine Spurensuche mit Luisa Neubauer, Ronni Zepplin, Iris Radisch und Lou Marin.

Philippe Sabot: „Camus verurteilt die revolutionär entfesselte Gewalt“
Nachdem Camus bereits in Die Pest Distanz zu den großen Ideen hält, entwickelt er diese Haltung in Der Mensch in der Revolte zu einer philosophischen Kritik. Camus warnt vor einem revolutionären Verständnis der Geschichte. Sein Gegenentwurf ist die Revolte. Philippe Sabot erläutert Camus’ Position.

Renaissance der Revolte
Im Gegensatz zur Revolution galt die Revolte oft als kurzatmiges und richtungsloses Aufbegehren. Doch gegenwärtige Protestszenarien zeigen: Die Revolte ist relevant wie nie zuvor, stellt sie doch unsere politische Architektur infrage und legt damit revolutionäre Kräfte frei. Ein Lob der Revolte von Donatella Di Cesare.

Exkurs: Camus, ein Existenzialist?
Frédéric Worms: „Sartre fokussiert das Subjekt, Camus die ganze Welt“
Es ist das wohl bekannteste Zerwürfnis in der Geschichte der zeitgenössischen Philosophie. Waren Sartre und Camus während des Zweiten Weltkrieges einander noch als Freunde verbunden, wurden sie in der Epoche der Entkolonialisierung und des Kalten Krieges zu Gegnern. Über die philosophischen Streitfragen sprachen wir mit Frédéric Worms.

Eine Freundschaft im Geiste
Auch wenn Albert Camus mit Simone Weil nie zu Lebzeiten bekannt wurde, bewunderte und teilte er zentrale Gedanken der radikalen Philosophin. Ihr gemeinsames Plädoyer für Menschlichkeit und Mäßigung erscheint heute dringlicher denn je, meint Robert Zaretsky.

Die Natur als Maß
Michel Onfray: „Camus’ Politik ist immer ethisch“
In seinem mittelmeerischen Denken wendet sich Camus dem Leben zu und verweigert sich jeder Form von Dogmatismus und Totalitarismus. Ein Gespräch mit Michel Onfray über den Wert des Unmittelbaren in Camus’ Philosophie.

Ralf Konersmann: „Die Moderne hat die Überschreitung normalisiert“
Das Maß stand einst für eine ganzheitliche Ethik. In der Moderne jedoch weicht das Maß dem Messen und der Maßlosigkeit. Ein Gespräch mit dem Philosophen Ralf Konersmann über Camus’ Rückgriff auf antike Gedanken und die Gefahren einer vermessenen Welt.

Alain Finkielkraut: „Der ,erste Mensch‘ ist eine Figur, die neue Fäden knüpft“
In Camus’ letztem, unvollendetem Roman Der erste Mensch sieht Alain Finkielkraut den Entwurf einer neuen Metaphysik, die mit der Vision des Absurden bricht. Ein Gespräch über die Feier der Natur, Maßhaltung und die Überwindung menschlicher Geschichte.
