Probleme des Amerikanismus
Der Trumpismus zielt auf einen antiliberalen Regime Change – auch in Berlin. Die Amerikaliebe der Deutschen hilft ihm dabei.
Zu den großen Schwächen der Deutschen gehört zweifellos ihr Hang zum Antiamerikanismus, zum haltlosen Groll gegen Politik und Kultur der USA. Übersehen wird jedoch oft, dass es auch ein Gegenphänomen gibt, das ähnlich verbreitet und unsinnig ist: der Amerikanismus, die bequeme Hinwendung zu den USA. Der Hinweis darauf galt lange als alteuropäischer Dünkel, eben als Antiamerikanismus. Wer Amerika kritisierte, war ein ressentimentgeladener Spinner, ein Kommunist oder Nazi. Schließlich verdanken wir den USA unseren Platz in der freien Welt. Heute zeigt sich, dass Amerika gar nicht so freiheitlich ist. Das Trump-Musk-Regime schüchtert Gerichte, Universitäten und NGOs ein, träumt von Gebietserweiterungen, mindert den Wohlstand der Welt durch eine sinnlose Zollpolitik und lässt Putin bei seinem Zerstörungswerk freie Hand. Der deutsche Amerikanismus hilft ihm dabei.
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Judith Butler und die Gender-Frage
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Camille Froidevaux-Metteries Essay hilft, Judith Butlers schwer zugängliches Werk zu verstehen. In ihm schlägt Butler nichts Geringeres vor als eine neue Weise, das Subjekt zu denken. Im Vorwort zum Beiheft beleuchtet Jeanne Burgart Goutal die Missverständnisse, die Butlers berühmte Abhandlung „Das Unbehagen der Geschlechter“ hervorgerufen hat.
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