Selbstlosigkeit mit Renditeaussicht: Philanthropie als Gefahr für die Demokratie?
Philanthropen spenden Milliarden für die Bekämpfung von Hunger, Krankheiten oder des Klimawandels. Doch unter der Oberfläche der guten Zwecke verbergen sich demokratietheoretische Probleme: Philanthropie gehorcht oft dem Profitstreben großer Konzerne, verdrängt staatliche Strukturen und entzieht sich der Kontrolle durch die Öffentlichkeit.
Das 2006 gegründete „AGRA-Projekt“ – Allianz für eine grüne Revolution in Afrika – versprach Großes: Über eine Milliarde Dollar spendeten die Bill & Melinda Gates Foundation und die Rockefeller-Stiftung; die Bundesregierung finanzierte das Projekt mit. Ziel des Projekts war es, bis 2020 die Erträge und Einkommen von 30 Millionen Kleinbauern zu verdoppeln und Hunger und Armut in 20 afrikanischen Ländern zu halbieren. Die Erfolgsbilanz ist allerdings sehr umstritten. Die Organisation hat nicht nur ihre Ziele verfehlt – zum Beispiel stieg der Anteil der an Hunger leidenden Menschen in 13 der AGRA-Schwerpunktländer um 30 Prozent auf 130 Millionen Menschen – sondern legte auch offen, dass ein konzerngetriebener Ansatz und die nahegelegte Deregulierung von großen Saatgut- und Düngemittelherstellern nicht zur Beendigung des Hungers beitrugen.
Auch wenn sich der Erfolg der AGRA in Grenzen hält, liegen philanthropische Bemühungen zur Bekämpfung der großen globalen Probleme wie Hunger, Krankheiten und dem Klimawandel, stark im Trend. Zum Beispiel spendeten die amerikanischen Milliardäre Jeff Bezos und Elon Musk jüngst zusammen über 15 Milliarden Dollar für Forschungszwecke, die dem Klimawandel entgegenwirken sollen. Im 20. und 21. Jahrhundert wurden immer mehr Stiftungen gegründet – ein Trend, der bis heute nicht abreißt, was das Forbes-Magazin dazu veranlasste, vom „goldenen Zeitalter der Philanthropie“ zu sprechen. Doch steht Wohltätigkeit von Tech-Milliardären seit einiger Zeit, und nicht nur seit den jüngsten Studien zum AGRA-Projekt, unter dem Schlagwort „Philanthrokapitalismus“ vermehrt in der Kritik. Die Kritik richtet sich auf die unzureichende Performanz herkömmlicher philanthropischer Organisationen und auch auf die negativen Folgen philanthrokapitalistischer Aktivitäten.
Der Begriff des Philanthrokapitalismus kam 2006 im Magazin The Economist auf und wurde anschließend dazu verwendet, die Intention des wohltätigen Gebens der Superreichen mit der Doktrin des wirtschaftlichen Denkens zusammenzuführen. Noch anders als im Zeitalter der Philanthropen des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts – man denke an Rockefeller, Carnegie und viele andere – besteht der Philanthrokapitalismus nicht mehr nur im altruistischen Akt des Gebens, sondern geht mit dem Anspruch einher, auch „besser und effektiver“ zu spenden und sozial zu investieren. Dazu kommt die Annahme, dass auch vorwiegend privatwirtschaftlich tätige Unternehmen maßgebliche Antworten auf ökologische oder soziale Herausforderungen unseres Planeten liefern.
Geschichtliche Ursprünge der Philanthropie
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