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Bild: © Kentaro Takahashi

Essay

Das Sumimasen-Prinzip

Christoph Peters veröffentlicht am 16 Dezember 2021 9 min

In der westlichen Kultur ist das Ich das Zentrum der Freiheit. Japan ist von einer anderen Geistesgeschichte getragen, mit weitreichenden Konsequenzen für das gesellschaftliche Miteinander. Durch eine Kultur der vorauseilenden Deeskalation und gegenseitiger Rücksichtnahme offenbart sich der urbane Alltag in Tokio nämlich wesentlich angenehmer und sozialverträglicher als in Berlin oder New York. Gerade in diesen Zeiten sollte uns das ein Vorbild sein.

Angesichts der aktuell extrem emotional geführten Komplementärdebatten um Rassismus/Kolonialismus einerseits und kulturelle Identitäten andererseits, ist nahezu jede Aussage über die Eigenarten einer Kultur, Religion oder Volksgruppe, der ich selber nicht angehöre, heikel. Unabhängig davon wird weiterhin jeder, der fremde Länder bereist, zu der banalen Feststellung gelangen, dass dort andere Gewohnheiten, Selbstverständlichkeiten, Unmöglichkeiten herrschen, und natürlich wird er versuchen, die Unterschiede zu beschreiben, zu ordnen und zu verstehen. Diese Beobachtungen und Beschreibungen verfestigen sich im Laufe der Zeit zu brauchbaren Charakterisierungen und sachdienlichen Empfehlungen, aber natürlich auch zu lästigen Klischees und fatalen Missverständnissen. „Die Japaner“ gelten als höflich, distanziert, diszipliniert, perfektionistisch und undurchschaubar, sie folgen überaus komplizierten Regelsystemen, die ein Fremder niemals begreifen, geschweige denn beherrschen wird, und früher begingen sie schon nach mittelschweren Fehlern feierlich Selbstmord, um ihre gesellschaftliche Reputation final wiederherzustellen.

Zu den emblematischen Bildern des Landes gehören Menschen, die mit einem Mund-Nasen-Schutz in überfüllten U-Bahnen sitzen. In Japan wurden derartige Masken schon vor der Coronapandemie auch außerhalb von Operationssälen getragen. Diese Eigenart fügte sich nahtlos in die westliche Vorstellung japanischer Zwanghaftigkeit, die – entsprechend den Mustern wiederum westlicher Psychologie – unweigerlich zu Angststörungen führte, die sich lehrbuchmäßig in übersteigerten Hygienebedürfnissen zeigten. Dass es sich womöglich anders verhält, begann ich zu ahnen, als mir der Keramiker Jan Kollwitz vom Bau seines Anagama-Ofens an der Ostsee durch den berühmten Ofenbaumeister Watanabe Tatsuo 1988 erzählte.

Watanabe musste sich während dieser Zeit zwei Wochen lang in der Uniklinik Lübeck behandeln lassen. Nach einigen Tagen fand Kollwitz die deutschen Zimmernachbarn des Meisters in heller Aufregung. Seit dem Morgen hatte Watanabe mit eben so einem Mund-Nasen-Schutz, von denen er natürlich einige im Gepäck hatte, in seinem Bett gelegen. Die Deutschen gingen selbstverständlich davon aus, dass der Japaner sich damit gegen Krankheitserreger schützen wollte, die von ihnen verbreitet wurden, und waren äußerst empört. Kollwitz hatte große Mühe, ihnen glaubhaft zu machen, dass Meister Watanabe keineswegs von Angst vor Ansteckung umgetrieben wurde, sondern im Gegenteil selbst ein Kratzen im Hals spürte und die Maske angelegt hatte, um seine Mitpatienten nicht zu infizieren.

Auch mir erschien Watanabes ehrenwertes Ansinnen damals eher wie Schrulligkeit, während ich weiterhin davon ausging, dass es kollektive Hypochondrie sein musste, die den Grund für den japanischen Maskentick bildete. Der Gedanke, dass sich die Bevölkerung eines Landes darauf geeinigt haben könnte, bedingungslose Rücksichtnahme in der Öffentlichkeit zur obersten Handlungsmaxime zu erheben, kam mir nicht in den Sinn, und vor meinem ersten Besuch des Landes, 2019, hätte ich mir auch nicht vorstellen können, welche ungeheuren Auswirkungen eine derartige Werteverschiebung für das öffentliche Leben bedeutet.

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