Suchende Maschinen?
Googles Versprechen: Es soll zukünftig das Googeln selbst übernehmen. Doch, wollen wir das? Wie Künstliche Intelligenz die Kulturtechnik des Suchens abwickeln könnte.
Es ist rund 20 Jahre her, als eine kleine Garagenfirma aus dem Silicon Valley in unser Leben trat: Google. Die Suchmaschine dampfte das Internet auf zehn blaue Links ein – und revolutionierte die Art und Weise, wie wir Informationen im Netz finden. Der PageRank-Algorithmus, den die Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin 1998 in einem Paper präsentierten, sollte „Ordnung ins Netz bringen“, indem es Webseiten nach Relevanz gewichtete und sortierte. Der Algorithmus schlug eine Schneise durch das digitale Dickicht von wimmeligen Webseiten und haussmannisierte das globale elektronische Dorf.
Google stieg zum Milliardenkonzern auf, 2004 wurde das Verb „googeln“ erstmals in den Duden aufgenommen. Googeln ist zum Synonym für Suchen geworden. Allein, die Qualität der Suchtreffer hat in den letzten Jahren deutlich nachgelassen: In den algorithmischen Schleppnetzen, die in die digitalen Ozeane ausgeworfen werden, verfängt sich jede Menge Müll, der an die Benutzeroberfläche gespült wird: KI-generierte Fake-Fotos oder suchmaschinenoptimierte Werbung. Der Google-Motor ist ins Stottern geraten. Die Folge: Die Nutzer wenden sich ab – und suchen woanders. Zum Beispiel auf Tiktok. Oder mit ChatGPT. Statt Suchbegriffe in ein Textfeld einzugeben, löchert man einen Bot mit Fragen.
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