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Positivismus

Ursprünglich bezeichnet dieser Begriff ein philosophisches System, das auf Auguste Comte zurückgeht. Er war der Ansicht, dass die Menschheit, infolge der durch die Aufklärung gemachten Fortschritte, zuerst ihre theologische und dann auch ihre metaphysische „Phase" verlassen habe, um schließlich in eine dritte und finale Phase einzutreten, den Positivismus (d.h. das Zeitalter der „positiven Wissenschaften“, also etwa die Mathematik oder die Physik). Comte vertrat, auf eine programmatische Weise, dass von nun an nur noch wissenschaftlich belegte Wahrheiten zulässig sein würden. Die Einteilung der Wissenschaften nach ihrem Komplexitätsgrad führt ihn dahin, eine „Sozialphysik“ (oder Soziologie) zu begründen, auf die Moral und Politik aufbauen sollen. Der (spätere) Positivismus, eine Hauptströmung des 19. Jahrhunderts in Frankreich, bewahrt von der Comt‘schen Doktrin die Idee, dass das Wissen sich nicht länger auf metaphysische Spekulationen gründen darf und stattdessen allein die empirisch gewonnenen Fakten und ihre Relationen untereinander die Objekte einer sicheren Erkenntnis darstellen können. Mit dem Aufkommen der Geisteswissenschaften, die über die Grenzen Frankreichs hinausgingen, wird der Positivismus von Spencer und Durkheim in der Soziologie in Anspruch genommen, von Mach und Mill in der Psychologie, von Taine und Renan in der Geschichtswissenschaft und von Littré in der Linguistik. Der Positivismus wurde einerseits als kalte und enthumanisierende Gedankenwelt und andererseits als eine Art götzenhafte Überhöhung der Wissenschaft kritisiert. Und dennoch hat er, durch sein Bemühen darum, mehr das „Wie“ und weniger das „Warum“ der Dinge zu verstehen, den Fortschritt der Wissenschaft vorangetrieben, vor allem zum Ende des 19. Jahrhunderts. Wurde er von Logikern und Epistemologen, wie den Denkern des Wiener Kreises, noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufgegriffen und weiterentwickelt, wird der Positivismus heute größtenteils als veraltete Doktrin betrachtet (als einer seiner schärfsten Kritiker erklärte Popper ihn für „tot“) - gleichzeitig ist er aber doch noch als (zugrundeliegende) Geisteshaltung in den Wissenschaften präsent und für seine Vertreter nach wie vor relevant.