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Impuls

Als Voltaire von den unbeugsamen Ukrainern sprach

Octave Larmagnac-Matheron veröffentlicht am 07 März 2022 4 min

Schon Voltaire beobachtete eine ukrainische Freiheitsliebe, die weit in die Geschichte zurückreicht. Damals wurden die Ukrainer mit den Kosaken gleichgesetzt, deren Widerständigkeit den Zaren zur Weißglut trieb.

 

Die Ukraine ist keine Nation, kein Land, kein Staat, sondern lediglich eine „künstliche Schöpfung“: Das ist es, was Putin seit Jahren skandiert, um sein Vorhaben zu legitimieren, das ukrainische Territorium gewaltsam an sich zu reissen.. In seinen Augen teilen Russen und Ukrainer ein gemeinsames Schicksal. Doch ist die Geschichte ein wenig komplizierter. Voltaire betonte bereits im 18. Jahrhundert, dass die „Kosaken“ ein freies und unbeugsames Volk seien.

Obwohl es unbestreitbar ist, dass Russland und die Ukraine gemeinsame historische Wurzeln im altrussischen Großreich, der Kiewer Rus, haben, sind die Unterschiede zwischen den beiden Nationen evident und im Laufe der Jahrhunderte immer deutlicher hervorgetreten. Eine besondere Rolle spielte die Gründung des Kosakenhetmanats, des Vorläufers des ukrainischen Staates – „Kosaken“ und „Ukrainer“ werden in dieser Zeit praktisch synonym verwendet – im Anschluss an den von Bohdan Chmelnizki angeführten Aufstand im Jahr 1648. Voltaire zeichnete im 18. Jahrhundert ein einzigartiges Porträt dieser unbeugsamen Nation, die sich an der Schnittstelle der Einflüsse der benachbarten Großmächte Russland, dem Osmanisches Reich und Polen befindet.

 

Das Streben nach Freiheit

 

Als „das Land der Kosaken zwischen der kleinen Tatarei, Polen und Rußland“ beschreibt der Philosoph die Ukraine in seiner Geschichte Karls XII., Königs von Schweden (1731-1768). Für die Ukrainer stehe ein Gut über allen anderen: die Freiheit. So bedeutet das aus den Turksprachen stammende Wort „qazaq“ auch „freier Krieger“. Voltaire schreibt: „Die Ukraine hat stets nach Freiheit gestrebt.“ Diese Freiheit wird für Voltaire selbst in der Lebensweise der Kosaken deutlich, die er mit einer Mischung aus Faszination und Missbilligung beschreibt: „Es kommt sehr darauf an, dass Rom und Konstantinopel, die über so viele Nationen geherrscht haben, Länder sind, die hinsichtlich der Fruchtbarkeit mit dem der Ukraine vergleichbar sind. Die Natur bemüht sich dort, den Menschen Gutes zu tun“, stellt Voltaire in seiner Geschichte des Russischen Reiches unter Peter dem Großen (1759-1763) fest. Die Ukraine, so fügt er hinzu, sei „eines der allerfruchtbarsten“ Länder der Welt. Und doch profitieren die Ukrainer davon nicht: „Die Menschen haben dort der Natur nicht nachgeholfen: Sie lebten von den Früchten, die ein ebenso unkultiviertes wie fruchtbares Land hervorbringt, und lebten noch mehr von Raubzügen.“ Diese hat sich heute geändert – die Ukraine ist einer der größten Getreideproduzenten der Welt. Aber ganz offensichtlich besteht das Bestreben nach Freiheit weiterhin.

Ein Bestreben, das jedoch gewissermaßen durchkreuzt wurde: „Da sie aber von Rußland, den Staaten des Großherrn und Polen umgeben ist, so mußte sie in einem dieser drei Staaten einen Beschützer und somit einen Herrn suchen. Sie stellte sich anfangs unter den Schutz Polens, wurde von ihm aber allzu sehr als Untertan behandelt; dann gab sie sich an Rußland hin, das sie möglichst als Sklavin beherrschte.“ Die Kosaken hörten jedoch nicht auf, Widerstand zu leisten – denn, so Voltaire weiter, sie ergaben sich nur unter der Bedingung, in freier Anarchie zu leben. Polen bekam dies zu spüren: „Die polnischen Herren der Pfalzen, die die Ukraine berühren, wollten einige Kosaken als ihre Vasallen, d. h. als Leibeigene, behandeln. Die ganze Nation, die nichts als ihre Freiheit besaß, erhob sich einstimmig und verwüstete lange Zeit die Ländereien Polens.“

 

Diskrepanz der eingeschlagenen Wege

 

Auch Russland bekam diesen Freiheitswillen zu spüren. Dies belegt eine Begebenheit, die sich bei einem Abendessen zwischen dem Hetman Ivan Mazepa (reg. 1687-1708) und Zar Peter dem Großen abspielte: Als die beiden eines Tages in Moskau gemeinsam speisten, schlug der Kaiser Mazepa vor, „dass er versuchen sollte, die Kosaken zu einer besseren Zucht und Ordnung zu gewöhnen und dieses Volk mehr unter das Joch zu zwingen.“ Mazepa antwortete, dass die Lage der Ukraine und der „Geist dieser Nation“ dies unmöglich machen würden. Der Zar nannte ihn einen Verräter und drohte, ihn pfählen zu lassen. Mazepa lehnte sich daraufhin gegen Russland auf. Doch das Hetmanat konnte nicht unbegrenzt Widerstand leisten und wurde 1764 eingenommen.

Voltaire verlor kein Wort über die Ausschreitungen Katharinas der Großen, die den kleinen Staat unterwarf: „Selbst herausragende Denker wie [...] Voltaire wurden zu Instrumenten des Lobes der ‚aufgeklärten Kaiserin', die Chöre der begeisterten Bewunderer übertönten das Stöhnen der versklavten Ukraine. In dieser Zeit begann die schamlose Verfälschung der Geschichte des ukrainischen Volkes, dessen Helden (Doroschenko, Mazepa) als Verräter dargestellt und dessen Verräter (Samojlowitsch) als Helden betrachtet wurden. Die Zerstörung der ukrainischen Unabhängigkeit wurde damals als großes Gut für die Ukraine präsentiert. Nach und nach geriet selbst der Name Ukraine in Vergessenheit“, so fasste es der französische Historiker Jean-Benoît Schérer in seinen Annales de la Petite-Russie (1788) zusammen.

Doch das Hetmanat verschwand nie vollständig aus der Erinnerung. Es markiert zweifellos einen wichtigen Meilenstein im Wandel der ukrainischen Identität, die nicht im nationalen Mythos des russischen Großreiches aufgeht. Im Grunde genommen verdeutlicht der aktuelle Krieg nur die immer größer werdende Diskrepanz der eingeschlagenen Wege. •

Übersetzt von
Lisa Friedrich
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