Das Dubai-Stadium der Apokalypse
Die Bilder des unter Wasser stehenden Dubai gingen um die Welt. In kürzester Zeit fiel in dem Emirat die Niederschlagsmenge von zwei Jahren. Die Wüstenstadt, die sich von der Natur emanzipieren wollte, droht zu scheitern.
Die Natur erobert sich einen Raum zurück, aus dem sie scheinbar verbannt wurde. Wie der Stadttheoretiker Mike Davis 2006 in seinem Essay Fear and Money in Dubai analysiert, entspricht das in die Wüste gebaute Dubai dem kapitalistischen Traum schlechthin: dem Traum vom Bau einer Stadt ex nihilo. Dubai ist eine „nicht-historische Anti-Stadt“; „diese Stadt ohne Ort [...] hat kein natürliches Fundament, sie nimmt keinen Platz in einer bereits existierenden Umgebung ein“. Sie verkörpert eine Allmachtsfantasie: die Vorstellung, eine durch und durch künstliche Welt zu gestalten, in der der Mensch der einzige Autor und absolute Herrscher ist. Sie markiert auf radikalste Weise eine „Unterbrechung der natürlichen Kette, entlang derer normalerweise […] alles, was eine Stadt an Gebäuden oder Lebensweisen hervorbringt, sich immer noch auf die Natur als ihr Gegenteil oder ihre Vorgeschichte bezieht, und sei es auch nur, um sie zu verleugnen, zu transzendieren oder zu domestizieren.“ Dubai zeugt von dem Wunsch des Menschen nach absoluter Emanzipation von der Umwelt. So kann man dort beispielsweise Ski fahren, obwohl es draußen 50 °C heiß ist. Davis fasst zusammen: „In Dubai gibt es schlichtweg keine Natur.“
Die Rache der Natur
Diese Allmacht bleibt natürlich eine Illusion. Das Überleben von Dubai und seinen Bewohnern hängt von der Natur ab. Doch diese Abhängigkeit ist nicht sichtbar. Sie wird verdeckt, verschleiert und unsichtbar gemacht durch die Abstraktion des kommerziellen Austauschs – ein fast magischer Vorgang –, aus dem sich die Stadt speist. Davis spricht in diesem Zusammenhang von „Transplantation“. „Die gesamte konsumierte Nahrung wird außerhalb von Dubai produziert. [...] Selbst die Palmen, die man schon am Flughafen entdeckt und die die Hauptstraßen säumen, sind entweder entwurzelte, importierte und mit Silikon vollgestopfte ‚Phönix‘-Bäume (weder künstlich noch natürlich, sozusagen) oder Dattelpalmen, die aus Kalifornien oder Nordafrika kommen und vor Ort wieder eingepflanzt werden.“
Dubai ist, kurz gesagt, von einer verdrängten Natur abhängig, die es nicht verschleiern kann. Die Wassermassen, die vor einigen Tagen über den Stadtstaat hereinbrachen und die Straßen überschwemmten, sind ein Beweis dafür. Die ungezähmte, unbeherrschbare Natur bricht brutal in diese Blase ein, die in sich geschlossen sein soll. Sie zwingt ihr Gesetz auf. Es ist schwer, angesichts der Bilder nicht an eine „Rache“ der Natur zu denken. Denn der Aufbau einer Welt „ex nihilo“ geht immer auf Kosten der Natur: Er beinhaltet die Gleichgültigkeit gegenüber der lokalen und globalen Umwelt. Die rasante Entwicklung Dubais, so betont Davis, war eine ökologische Katastrophe. Der „Beitrag“ des Ölemirats zur Umweltkrise mag unmittelbar keine sichtbaren lokalen Folgen gehabt haben. Aber eben: Die Klimafrage ist keine lokale Angelegenheit, sondern erzeugt im Gegenteil globale Gleichgewichte, deren Störung unvorhersehbare lokale Folgen hat.
Klimawandel und Geoengineering
Im Zuge der sintflutartigen Regenfälle keimte in den sozialen Netzwerken der Zweifel auf, ob dies nicht das unbeabsichtigte Ergebnis der Geo-Engineering-Techniken sei, mit denen Dubai experimentiert, um Wolken hervorzubringen und Regen mitten in der Wüste zu erzeugen. Die Hypothese wurde jedoch schnell entkräftet. Die Fokussierung auf künstliche Wolken ist irreführend, meint Friederike Otto, Klimaforscherin am Imperial College in London. Geoengineering passt zweifellos voll und ganz in den Traum von Dubai, die Umwelt durch Menschenhand neu zu gestalten. Sie ist jedoch nur ein Epiphänomen eines Entwicklungsmodells, das in seiner „Sorglosigkeit“ gegenüber der Natur die zentrale Ursache für eine globale Umweltstörung mit unvorstellbaren Auswirkungen ist. „Wenn wir über starke Niederschläge sprechen, müssen wir über den Klimawandel sprechen. [...] Die Niederschläge werden weltweit viel stärker, wenn sich das Klima erwärmt, da eine wärmere Atmosphäre mehr Feuchtigkeit enthalten kann.“ Durch die Tür vertrieben, kommt die Wirklichkeit durch das Fenster zurück. •