Der Protest und das gute Leben
Die Klimaprotestbewegung „Letzte Generation“ ist umstritten. Was für ein Nein zeigt sich in der Form ihres Widerstands? Wie sähe eine zukünftige Lebensform aus, die bejahenswert wäre? In welchem Verhältnis steht die klimabewegte Jugend zum Glück, zu Vorstellungen eines gelingenden Lebens? Und wie verändert sich das Nein im Alter? Ein Gespräch zwischen der Aktivistin Aimée van Baalen und dem Philosophen Dieter Thomä.
Die Redaktionsräume des Philosophie Magazins, das Aufnahmegerät liegt bereit. Aimée van Baalen, Pressesprecherin der „Letzten Generation“, ist überpünktlich und sehr gut vorbereitet, womit sie der verbreiteten Meinung, bei jungen Aktivisten handle es sich vornehmlich um faule Leistungsverweigerer, gleich den Boden entzieht. Die Bewegung steht hart in der Kritik, wird bisweilen aufgrund ihrer Protestform des Festklebens gar als „grüne RAF“ bezeichnet. Umso gespannter darf man sein, wie Dieter Thomä die Verweigerungshaltung der „Letzten Generation“ versteht. Der Philosoph ist Spezialist für zivilen Ungehorsam. In seinem Buch Puer robustus beschäftigt er sich mit Querulanten und Rebellen, die Ordnungen durcheinanderbringen; dass ihn das Thema sehr interessiert, mag auch an seiner eigenen Vergangenheit als Hausbesetzer liegen. Wie es sich für Störenfriede gehört, kommt Thomä ein paar Minuten zu spät. Überhaupt scheint er gelassener und glücksoffener als seine Gesprächspartnerin. Ob das nur an der Souveränität des Alters liegt – oder auch an unserer krisengeschüttelten Zeit, die van Baalen zu einer ganz anderen Grundhaltung führt?
Philosophie Magazin: Frau van Baalen, in Ihrem Protest kommt ein starkes Nein zum Ausdruck: Nicht nur wenden Sie sich gegen die derzeitige Klimapolitik, auch Ihrem Mittel – dem Festkleben – wohnt eine Verweigerungshaltung inne. Von Teilen der Bevölkerung wird Ihre Bewegung nur als destruktiv wahrgenommen.
Aimée van Baalen: Jedes Nein bewirkt letzten Endes auch ein Ja. Wenn wir dagegen sind, dass die Bundesregierung keinen adäquaten Plan hat, wie wir die Klimakatastrophe aufhalten können, dann signalisieren wir in einem Zug ein Ja zum Überleben. Und natürlich brauchen wir auch ein Ja der Bevölkerung für die Änderungen, die wir vornehmen müssen, um dieses Ziel zu erreichen. Wir brauchen ein Ja zur Sparsamkeit und ein Ja für ein neues Miteinander. Die Katastrophe, auf die wir da zurennen, birgt insofern die Chance, dass wir näher zusammenrücken und erkennen, was wirklich wichtig ist.
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