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Bild: ZUMA Wire (Imago)

Impuls

Der seltsame Geschmack der Freiheit

Alexis Lavis veröffentlicht am 25 Januar 2023 5 min

China hebt die Corona-Beschränkungen auf und die Fallzahlen gehen durch die Decke. Ein allgegenwärtiges Todesgefühl begleitet die Rückkehr zur Normalität. Der in Peking lebende Philosoph Alexis Lavis erzählt von dem ungewohnten Leben an der frischen Luft.

 

Vor einigen Tagen beschloss ich, ein paar Einkäufe in einem Laden zu erledigen, der „Kleines Nilpferd“ heißt und sich im Untergeschoss eines der neuen Einkaufszentren in meinem Pekinger Viertel befindet. Man muss dieser Entscheidung mehr Gewicht verleihen, als sie es normalerweise verdient, weil sie etwas zum Ausdruck bringt, das mich stutzen lässt: die erstaunliche Gewöhnlichkeit meines jetzigen Lebens. Vor drei Monaten wurden ich und meine Familie eine Woche lang unter Hausarrest gestellt, weil ich mich aus den gleichen Gründen an denselben Ort begeben hatte. Ich wurde als „Kontaktfall“ bezeichnet, weil sich die Bedeutung des Wortes „Kontakt“ unter den Tausenden von Menschen, die diesen achtstöckigen Dampfer des modernen Konsums besuchten, bedeutend erweitert hatte.

Als die „Null-Covid“-Politik vor einigen Wochen gelockert wurde, d. h. die allgemeine Überwachung, die fast täglichen Tests und das wahrscheinliche Risiko, beim ersten Hustenanfall oder einem unglücklichen „Kontakt“ (z. B. durch einen Fehler im Gesundheitspass) isoliert zu werden, entschied ich mich kühn, auf die Lieferung nach Hause zu verzichten und stattdessen die guten alten Wochenendeinkäufe mit echten Menschen um mich herum zu tätigen. Welche Überraschung und welche Benommenheit beim Betreten des Geschäfts! Keine maskierten Wachmänner mehr, keine Scanner, an denen man seinen QR-Code vorzeigen musste, keine Tische, auf denen Spender für Desinfektionsmittel und Infrarotthermometer standen. Nichts, außer einem Eingang, der kein Checkpoint mehr war, sondern eine einladende, vorbehaltlose Leere. Aber eben doch eine Leere, die in ihrer Offenheit die Unsicherheit erleben lässt, die aus der Abwesenheit eines Hindernisses entsteht und die auch „Freiheit“ genannt wird.

Ich zögerte also und schaute mich um. Nichts, das mich aufhalten könnte: freier Zugang! Ich wunderte mich, dass mein Schritt in diesen Konsumtempel, der irgendwo auch ein Tempel der Entfremdung ist, einem befreienden „Sprung in den Glauben“ ähnelte. Man wäre geneigt, „bei aller Verhältnismäßigkeit!“ hinzuzufügen. Doch das Lächerliche war, dass mir in dem Moment, als ich meinen endlich unkontrollierten Auftritt inmitten der Chips-Displays hatte, tatsächlich die Worte des dänischen Philosophen Søren Kierkegaard in den Sinn kamen: „Die neue Qualität erscheint sofort, mit dem Sprung, mit der Plötzlichkeit des Rätselhaften.“ Mein kleiner mystischer Moment wurde jedoch schnell durch das maskierte Gesicht einer eiligen jungen Mutter unterbrochen, die durch meinen Einkaufswagen am Vorwärtskommen gehindert wurde und – leicht beunruhigt über mein abwesendes, weil verträumtes und vor allem unmaskiertes Lächeln – mich freundlich bat, ihr den Weg freizumachen.

 

Der geschwächte Organismus?

 

Zurück zur Normalität, aber nicht nur für mich. Als ich einen Blick in die Runde warf, stellte ich tatsächlich fest, dass jeder kam und ging, als wäre nichts geschehen. Die Leute trugen zwar noch immer Masken, aber auf unbedachte Art. Niemand warf jemandem beim Anblick des entblößten Mundes mörderische Blicke zu; niemand zückte im Minutentakt sein Handy, um sein Gesundheitsprofil scannen zu lassen. Draußen waren die schnell hochgezogenen Fertighäuser, die an jeder Straßenecke aufgestellt wurden, um sich testen zu lassen, entweder verschwunden oder verwahrlost.

Lässt sich sagen, dass wir wieder in die Situation von vor drei Jahren und damit vor Wuhan zurückgekehrt sind? Offensichtlich nicht. An die Stelle der durch die totale Überwachung ausgelösten Angst, die sich inzwischen in eine legitime allgemeine Verärgerung über die immer strengeren, vor allem aber willkürlichen, inkohärenten, sinnlosen, ruinösen und manchmal tragischen und disziplinarischen Maßnahmen verwandelt hat, ist die Angst vor der völligen Abwesenheit von Überwachung getreten. Diese Angst ist nicht unbegründet, denn schon am Tag nach dem Ende der Einschränkungen wurden fast alle von uns krank, auch ich, der ich noch nie zuvor an Covid erkrankt war, meine Familie, meine Nachbarn und meine Studierenden.

Aber im Allgemeinen war die Angst größer als der Schaden. Die Symptome, wenn überhaupt, sind erträglich und ähneln denen einer gewöhnlichen Grippe, die ich mir übrigens zwei Wochen zuvor eingefangen hatte. Drei alte Professoren, die schon lange im Ruhestand waren, sind leider verstorben. Ich weiß nicht, ob es an Covid lag, aber es scheint so zu sein. Es sind aber weiterhin viele Viren im Umlauf; und trotz der strengsten Gesundheitsmaßnahmen, die es in Peking je gegeben hat, war ich seit Vorlesungsbeginn fünfmal krank; ein Rekord.

 

Ein Leben, das weder gut noch schlecht ist

 

Das Leben nimmt in China also wieder seinen Lauf: das Leben und seine Krankheiten, die ebenso untrennbar mit ihm verbunden sind wie der Verfall und der Tod. Diese unauflösliche und schmerzhafte Verbindung hatte den Mann, der später Buddha werden sollte, dazu veranlasst, den Palast seines Vaters zu verlassen, um bei den Asketen im Wald Heilung zu finden. Es heißt, dass er die Erleuchtung in dem Moment erlangt habe, in dem er die Askese aufgab, d. h. das Bestreben, diese unangenehmen Aspekte des Lebens zu beheben, die weder eine Option noch einen Gegensatz darstellen. Auch auf die Gefahr hin, einen vitalistischen Enthusiasmus zu widerlegen: Es ist nicht sicher, dass das Leben gut ist, aus dem guten Grund, dass es auch nicht schlecht ist. Es nimmt seinen Lauf und die Chinesen nehmen diesen ebenso wieder auf, wie sie es gewohnt waren, zwar in eine globale Richtung, die nicht unproblematisch ist, aber grundsätzlich der unseren entspricht.

Am vergangenen Wochenende haben die großen Neujahrsfeiern stattgefunden, die – den Tierkreiszeichen entsprechend – das Jahr des Hasen einleiten. Millionen von Menschen haben sich auf den Weg zu ihren Familien in der Provinz oder zu anderen Urlaubsorten im ganzen Land und sogar auf der ganzen Welt gemacht. Viele wurden krank und einige vielleicht an den Grenzen aufgehalten, aber das ist jetzt egal. Man tut, als wäre nichts geschehen, denn das Leben hat keine andere Wahl, als weiterzumachen. Freilich führt eine große Anzahl der Menschen das Leben nicht mit Kierkegaards Satz im Kopf weiter, sondern mit dem Titel von Claude Lelouchs Film: „Tout ça … pour ça!“. (Auf Deutsch etwa: „Alles – für das“. Dabei handelt es sich um eine französische Redewendung, die zum Ausdruck bringt, dass viel Aufwand betrieben wurde, ohne einen nennenswerten Erfolg zu erzielen. Anm. d. Übers.) •

Übersetzt von
Hendrik Buchholz
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