Die Anti-Aging-Falle
Lange Zeit verschwanden Künstlerinnen jenseits der 30 sang- und klanglos von der Bildfläche. Heute sind zwar immer mehr ältere Frauen auf der Leinwand zu sehen, die allerdings keine Falte haben. Mit fatalen Folgen für das Selbstbild vieler, meint Lisa Friedrich.
Als Teenagerin war ich davon überzeugt, dass das Leben mit 30 vorbei sein würde. Menschen jenseits der 30 waren mir suspekt, ihre Lebensrealitäten und Sorgen unverständlich und fern. Dass sie mir nichts sagten, lag sicherlich auch an ihrer Repräsentation in meinem Leben. In Filmen und Fernsehen kamen sie kaum vor, vor allem weibliche Film- und Fernsehstars verschwanden, sobald sie die 30er-Marke überschritten hatten, auf einmal in der Versenkung.
Das scheint sich heute zu ändern: Sowohl die Zahl der handelnden Frauen als auch die der älteren Menschen, die wir auf unseren Bildschirmen sehen, steigt. Frauen, die in ihrer Jugend berühmt waren, versinken nicht mehr in der Bedeutungslosigkeit, sobald sie älter als 30 Jahre sind. Ihre Lebensrealitäten und Gefühlswelten nehmen mehr Raum ein, ihre Stimmen werden vernehmbarer: Angefangen mit dem Film Amour von Haneke aus dem Jahr 2012, der sich der Beziehung eines Paares an deren Lebensende widmet, bis zu Tár, dessen Handlung um ein lesbisches Paar – und vor allem die charismatische Cate Blanchett – in ihren 50ern kreist. Oder nehmen wir Sex and the City, die Kultsendung aus den frühen 2000ern. 2021 realisierte der Streamingdienst HBO Max eine Neuauflage in gleicher Besetzung: In And just like that glänzen Carrie, Miranda und Charlotte jenseits der 50 noch einmal vor der Kamera. Oder Jennifer Lopez, die schon in meiner Jugend ein Schönheitsidol war. Heute ist sie 52. Erst 2022 trat sie in ihrer neusten Eigenproduktion Hustlers als willensstarke und vor allem heiße Stripperin auf. In einem Interview betonte sie, dass es ihr „noch nie besser“ ging – in ihren 50ern sei sie viel glücklicher und ausgeglichener als in ihren 20ern: „You know, life is not over at 20.“
Vermeintliche Natürlichkeit
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