Stefan Gosepath: „Wir müssen in dieser Pandemie zusammenstehen wie in einer Streikkette“
Jüngst wurde vom Bundestag beschlossen, dass vollständig Geimpfte und Genesene wieder mehr Freiheiten bekommen. Der Philosoph Stefan Gosepath erläutert im Gespräch, warum „Impfneid“ auch produktiv sein kann, wie sich eine temporäre Zweiklassengesellschaft verhindern ließe und weshalb es gerade jetzt gesellschaftliche Solidarität braucht.
Herr Gosepath, Bundesjustizministerin Christine Lambrecht befürwortet die jüngst beschlossene Rückgabe einiger Freiheiten an vollständig Geimpfte und Genesene, da Neid keine Grundlage darstelle, um diese weiterhin aufrechtzuerhalten. Sehen Sie das ähnlich?
In der Tat halte ich den Gedanken für richtig, dass vollständig Geimpfte Freiheiten zurückbekommen. Welche das sind, darüber sollten wir selbstverständlich sprechen. Sicher ist allerdings, dass basale Freiheitsrechte zurückgegeben werden sollten, weil der Grund entfallen ist, weshalb diese eingeschränkt worden sind. Die Gefahr einer schweren Erkrankung sowie jene einer Ansteckung anderer ist – zumindest nach aktuellem Kenntnisstand – nicht mehr gegeben, wenn nach der zweiten Impfung 14 Tage vergangen sind. Daraus ergibt sich allerdings kein Anspruch der Geimpften, dass das öffentliche Leben (Restaurants, Bars, Museen, Kinos, Konzerte, Sport) wieder ganz geöffnet wird, nur damit sie ihre Freiheiten auch tatsächlich voll nutzen können.
Allerdings sind derzeit nicht einmal 10 Prozent aller Personen in Deutschland vollständig geimpft. Gut 90 Prozent der Bevölkerung werden sich also fragen, was denn nun mit ihnen ist.
Und das ist auch verständlich. Denn selbst wenn Neid, laut dem Philosophen John Rawls kein vollständiges Gerechtigkeitskriterium ist, ist Neid eben nicht gleich Neid. Vielmehr muss man zwei verschiedene Ausprägungen dieses Gefühls unterscheiden. Auf der einen Seite gibt es bösartigen Neid, der sich in Einstellungen äußern kann wie: „Ich beneide dich um deinen Urlaub in dem Sinne, dass ich missgünstig bin. Wenn du wegfahren darfst, ohne im Anschluss in Quarantäne zu müssen und ich deshalb nicht fahren kann, sollst Du auch nicht fahren dürfen.“ Diese Einstellung ist sozial schädlich, weil sie keinem nützt. Deshalb zählt sie zu den Lastern. Auf der anderen Seite gibt es aber auch wohlwollenden Neid, durch den man zu denken veranlasst ist: „Ich beneide dich um Deinen Urlaub in dem Sinne, dass ich es dir gönne, dass du fahren kannst. Aber ich würde auch gern fahren. Deswegen frage mich deshalb schon, warum ich eigentlich nicht darf.“ Wenn die Antwort auf die letzte Frage lautet, dass es das Resultat ungerechter Institutionen oder Verteilungen ist, dann ist die daraus entstehende Unzufriedenheit gerechtfertigt und gerechtigkeitsrelevant.
Neid muss also nicht Missgunst bedeuten?
Letztgenannte Form hat nichts mit Missgunst zu tun, sondern kann durchaus berechtigt sein und sollte deshalb ernst genommen werden. Ebenso die Frage, warum ich als nicht-geimpfte Person in Quarantäne muss, wenn ich aus dem Ausland zurückkomme, was einen Urlaub für viele von uns unmöglich macht. Denn zahlreiche Menschen gehen einer an einen Arbeitsplatz gebundenen Tätigkeit nach und können eben nicht mehrere Wochen wegen Quarantäne fernbleiben. Wenn die Antwort der Politik auf diese Frage schlicht lautet, dass es leider Menschen gibt, die noch keine Chance auf eine vollständige Immunisierung hatten, dann müssen wir über die sogenannten Privilegien der Rücknahme der Freiheitseinschränkungen bei denen die vollständig geimpft sind meines Erachtens nochmal reden. Wer nämlich glaubt, derartige Beschwerden der Bevölkerung allein auf den Neid schieben zu können und den als Laster zu verdammen, macht es sich zu leicht. Die zweite beschriebene, gerechtfertigte Form von Neid ist nämlich kein Laster, sondern kann vielmehr auf Gerechtigkeits- und Solidaritätslücken hindeuten.
Nun haben Sie schon angedeutet, dass Sie die Rückgabe bestimmter Freiheiten begrüßen. Gegen welche würden Sie sich allerdings sträuben?
Alle Rückgaben von Freiheiten, die auch Menschen mit einem negativen Corona-Test genießen können, finde ich völlig unproblematisch, da so praktisch die ganze Bevölkerung von diesen profitieren kann. Denn auch wenn es nervig ist, sich einen tagesaktuellen Negativ-Test holen zu müssen, ist dieser Aufwand vertretbar. Die Rückgabe weniger Freiheiten an noch wenige Immunisierte ist kein Problem. Nur weil nun einige Freiheiten für Immunisierte zurückgeben wurden, bedeutet das ja nicht, dass die sofort wieder Party machen können und alle anderen zusehen müssen. Problematischer wird es erst, wenn wir bei einer Immunisierung der Bevölkerung von 30, 40, 50 Prozent angekommen sind, das öffentliche Leben damit wieder voll losgeht und einige an diesem nicht in der Weise partizipieren können, wie andere. Wenn allerdings die Restaurants, Cafés, Clubs etc. wieder ganz öffnen können, weil der Impffortschritt und damit die Fallzahlen dies zulassen und einige wenige den Eindruck haben, dass sie am öffentlichen Leben nicht teilnehmen können, ist das etwas, was wir als Gesellschaft nicht wollen sollten. Ließen wir dies zu, würden wir einen wichtigen Sinn von Solidarität verletzen.
Was bedeutet die beschlossene Rückgabe der Freiheiten für Geimpfte philosophisch? Schließlich wird durch diese ja ein Prinzip verletzt, dass der bereits erwähnte Philosoph John Rawls als hinter einem „Schleier des Nichtwissens“ zu wählendes beschrieb. Damit ist gemeint, dass eine Gesellschaft so eingerichtet sein sollte, dass unabhängig von den bestimmten Charakteristika der Person alle Menschen die gleichen Grundfreiheiten gesichert bekommen sollen. Ist dieses Prinzip nicht auch dann verletzt, wenn ich als Geimpfter keinen Test machen muss, um nach 22 Uhr vor die Tür zu gehen oder zu Hause mit anderen Geimpften feiere?
John Rawls hat jene Regeln im Blick, die für die Grundordnung einer Gesellschaft gelten sollen, es geht ihm also um die öffentliche Ordnung. Dementsprechend lässt Rawls ja auch gelten, dass einige Institutionen intern Regeln haben, die wir in der Öffentlichkeit so auf gar keinen Fall akzeptieren würden. Denken Sie beispielsweise an die Diskriminierung von Frauen in der Kirche. Für den Liberalismus, für den John Rawls steht, ist die Trennung zwischen privater und öffentlicher Sphäre demnach zentral. Wenn sich also vollständig Geimpfte zu siebt in einer Wohnung treffen und die Musik nicht zu laut machen, ist dagegen nichts einzuwenden, weil sie anderen ihre Freiheiten nicht vor die Nase halten, wo diese vielleicht noch mit anderen Einschränkungen leben müssen. Problematisch würde es hingegen dann, wenn diese Menschen ihre Freiheiten öffentlich zur Schau stellen und damit andere degradieren. Denn für eine liberale Gesellschaft ist die Möglichkeit unabdingbar, in der Öffentlichkeit ohne Scham aufzutreten, wie es Adam Smith formuliert und Amartya Sen akzentuiert hat. Entscheidend ist, dass wir uns in der Öffentlichkeit als Gleiche begegnen, also als Menschen mit gleichem Status und dem gleichen Anspruch auf Freiheitsrechte.
Was aber, wenn wir in die hypothetische Situation kämen, in denen Geimpfte wieder in Bars, Restaurants oder Clubs gehen könnten, während das anderen noch verwehrt bliebe?
Dann käme es zu einer Spaltung, die mit dem unserem liberalen und egalitären Gesellschaftsbild nicht vereinbar ist, weil wir uns dann in der Öffentlichkeit nicht mehr als Gleiche begegnen könnten. Während einigen ihr Impfausweis Tür und Tor öffnete, müssten andere draußen bleiben. Innerhalb eines egalitären Liberalismus, wie ihn John Rawls formulierte, wäre das nicht legitim.
Um es zu diesem Szenario nicht kommen zu lassen, braucht es vor allem Solidarität?
Ja, und zwar Solidarität in dem Sinne, wie sie auch von Angela Merkel in ihrer Ansprache adressiert wurde, als sie uns das erste Mal in den Lockdown schickte. Damals appellierte die Kanzlerin stark an das Gemeinschaftsgefühl der Bevölkerung. Zudem hat sie klugerweise aber noch auf die andauernde Ungewissheit hingewiesen, mit der uns diese Situation konfrontiert. Sie hat deutlich gemacht, dass keine klare Exit-Strategie absehbar ist und wir zusammenhalten müssen. Das Thema Solidarität in den Mittelpunkt zu setzen, war politisch brillant. Denn auch wenn sich Solidarität im Wesentlichen aus drei Quellen speist, ist dabei allen ein Punkt gemein. Sowohl in der katholischen Soziallehre, der Arbeiterlehre sowie dem französischen Solidarismus (Durkheim) meint der Solidaritätsbegriff eine Verpflichtung – und vielleicht auch ein Gefühl –, auf eine bestimmte Weise zusammenzustehen und gemeinsam zu handeln, weil wir alle ein gemeinsames Schicksal teilen.
Wie die Besatzung eines Bootes, das in einen Sturm gerät?
Lassen Sie mich ein anderes Beispiel wählen: Wir müssen in dieser Pandemie zusammenstehen wie in einer Streikkette. Wie eine Reihe aus Menschen, die für eine Sache einstehen. Sobald jemand entscheidet, dass er kein Teil mehr des Kampfes sein möchte – z.B, um im Bild zu bleiben, weil er in Rente geht und eine Lohnerhöhung ihn nicht mehr betreffen würde –, sobald er also aussteigt, reißt die Kette ganz buchstäblich. Der Streik droht zu scheitern, wenn mehrere nicht mitmachen. Der Punkt ist also: Wir tun dies alles nicht für uns persönlich. Wir stellen unseren Egoismus zurück, weil wir uns mit der Gesamtgruppe solidarisieren. Wir solidarisieren uns aber mit der Gesamtgruppe, weil wir wissen, dass wir diesem Schicksal nur gemeinsam entgehen können, weil wir voneinander abhängig sind. Und deshalb dürfen diejenigen, die bereits das Glück hatten, vollständig geimpft zu werden, nun nicht aus der solidarischen Kette ausbrechen und so das Vorhaben für uns alle gefährden.
Sehen Sie Möglichkeiten diesen Solidaritätsgedanken stärker in die Gesellschaft zu tragen, als es aktuell getan wird?
Aktuell haben wir einen verfassungsjuristischen Diskurs, der sehr individualistisch argumentiert. Es muss also jedem einzelnen gegenüber begründet werden, warum seine Freiheitsrechte beschnitten werden. Wir erleben derzeit häufig, dass vollständig Geimpfte auf die Rückgabe ihrer Freiheiten klagen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Gerichte dem stattgeben, ist entsprechend hoch. Was hier allerdings nicht berücksichtigt wird, ist die gesellschaftspolitische Dimension. Deshalb muss man gegenüber der berechtigten Individuallogik von Freiheitsrechten im Verfassungsrecht deutlich machen, dass es auch eine zweite Seite gibt. Denn in einer Gesellschaft können wir individuelle Freiheiten nur dann sichern, wenn wir solidarisch zusammenstehen. Deshalb gilt der Appell, dass die Menschen, die schon wieder Freiheiten genießen können, diese nicht voll in der Öffentlichkeit ausleben sollten, solange andere noch auf ihre Impfungen ohne ihr eigenes Verschulden warten müssen. Oder um es noch einmal im Bild der Streikkette auszudrücken: Jetzt gilt es zu sagen „Komm Kumpel, lass uns nicht hängen!“. Zu dem Zweck kann und soll die Politik natürlich auch gesellschaftspolitische Regeln aufstellen, die die Funktion haben, den Menschen zu helfen, das moralisch Richtige zu tun. Und zwar selbst dann, wenn sie eigentlich eine gewisse Neigung haben, das Gegenteil zu unternehmen. •
Stefan Gosepath ist Professor für Praktische Philosophie an der FU Berlin. Zum Thema veröffentlichte er u.a.: „Gleiche Gerechtigkeit. Grundlagen eines liberalen Egalitarismus“ (Suhrkamp, 2004)
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