Substanzen der Wahrheit?
Psychedelika werden in jüngster Zeit wiederentdeckt. Führt ihre Einnahme nur zu Halluzinationen? Oder ermöglichen sie vielmehr tiefe Erkenntnis über Welt und Selbst – was gar für eine Legalisierung spräche? Unsere Autorin hat den Selbsttest gewagt.
Und dann bin ich plötzlich ein Panther. Ich stelle mir nicht bloß vor, einer zu sein, ich bin einer oder vielmehr: schlüpfe in seine Haut. Tatze für Tatze schreite ich auf allen Vieren, die Würde und Eleganz dieses Raubtiers am eigenen Leib spürend, durch den Raum. Später werde ich mich an Thomas Nagels Essay Wie ist es, eine Fledermaus zu sein? erinnern: Wir können nicht auf dieselbe Weise wahrnehmen, fühlen, wissen wie andere Lebewesen, führte der US-amerikanische Philosoph 1974 aus und wies auf die Grenzen der Einbildungskraft und der Perspektiveneinnahme hin. Wir können nicht in Kopf und Körper eines anderen schlüpfen. Ebenso wenig können wir jemals der andere sein.
Oder doch? Manche Erfahrungen, wie die beschriebene, können diese scheinbar unumstößliche Wahrheit infrage stellen. Es gibt „Pforten der Wahrnehmung“, wie es bei Aldous Huxley heißt, die aufgestoßen werden können und uns neue Perspektiven auf eine Weise eröffnen, wie wir es aus rationaler Sicht niemals für möglich halten würden. Was war geschehen? Nun, ich hatte mich auf eine Reise begeben, die derzeit offenbar sehr viele antreten; mein Motiv war, zu sehen, was dabei philosophisch zu holen sei. Die Rede ist von Psychedelika. In dem Fall: Ayahuasca, ein pflanzlicher Sud aus Lianen und Blättern eines Kaffeestrauchs der Amazonas-Gebiete. Eine Erfahrung bei dem Seminar war, dass ich mich in einen Panther verwandelte, eine bei diesem Ritual nicht unübliche „Vision“. Und obwohl es immer noch gute Gründe gibt zu argumentieren, dass ich hinter der vollen Wahrheit, wie es bei Nagel heißt, zurückblieb und nicht wirklich wusste, wie es ist, ein Panther zu sein, so wurden die Grenzen meiner Vorstellungskraft gesprengt wie nie zuvor. Ich hatte mindestens ein tiefes Erlebnis der Stärke und Bewegung dieses Tieres und nahm diese in mich auf.
„Das Bedürfnis, das Bewusstsein zu erforschen, ist in allen Kulturen verankert“, sagt Manuel (54), Leiter meines Ayahuasca-Seminars. Nur hätten die westlichen Gesellschaften das lange Zeit vernachlässigt. Der Spanier führt die 20-köpfige Gruppe mit Meditation, Achtsamkeitspraktiken und Musik an die Erfahrung heran, die in der Regel fünf bis acht Stunden dauert. Wir alle verbringen drei Tage und zwei Nächte in einem großen Raum. 20 Matten sind mit nur wenigen Abständen zueinander verteilt, jeder hat sich Kissen und Decken bereitgelegt, sich eine ihm angenehme Liegestätte gestaltet. In der Mitte des Raumes stehen Instrumente: Trommeln und Gitarren. Zwischen den Zeremonien gibt es Zeit für Schlaf, Spaziergänge und Sauna. „Das Augenmerk der Zeremonien ist auf Heilung und Selbsterforschung gerichtet“, erklärt Manuel, der seit 20 Jahren als Leiter solcher Seminare tätig ist. „Es kommt zu einer tiefen Verbindung mit den eigenen Emotionen, und manchmal erlebt man einen Zustand reinen Bewusstseins, jenseits des Denkens.“
Rausch als Kitt der Gesellschaft?
Fast jedes Wochenende werden in der Schweiz, in Deutschland oder in den Niederlanden, erst recht in Südamerika, solch mehrstündige Trips angeboten, die, so heißt es, ins eigene Innere führen, mit dem Universum verbinden, das Bewusstsein erweitern. In Brasilien und Peru wird Ayahuasca als nationales Erbe indigener Bevölkerungsgruppen geschützt. In den USA wird der Gebrauch mit Verweis auf die Religionsfreiheit bewilligt. In einigen Ländern wie Kanada werden für die Rituale religiösen Gemeinden Sonderrechte eingeräumt. In der Schweiz ist die Einnahme verboten. Gerade hier aber, wo der Chemiker Albert Hofmann 1943 das LSD entdeckte, werden viele wissenschaftliche Studien mit Psychedelika durchgeführt. Substanzen wie MDMA, der Wirkstoff in der Partydroge Ecstasy, und Psilocybin, der Wirkstoff in Magic Mushrooms, könnten, so vermuten viele Forscher, eine Alternative sein zu Antidepressiva und anderen Psychopharmaka. Manche sehen in den (bislang verbotenen) Psychedelika gar den neuen Kitt der Gesellschaft. MDMA gilt als empathiefördernd und verbindend, sowohl mit anderen den USA und in Deutschland liefen in den vergangenen Jahren Forschungsprojekte zur therapeutischen Wirksamkeit von MDMA bei Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS), etwa bei Kriegsveteranen. Psilocybin soll Vertrauen und Offenheit fördern, Verkrampfungen lösen, insbesondere bei sterbenskranken Menschen, die Angst vor dem Tod haben oder unter Depressionen leiden. Auch Ayahuasca gilt bei Depressionen und PTBS als wirksam.
Philosophisch stellen sich zahlreiche erkenntnistheoretische und ethische Fragen: Die Zustände, die unter diesen Substanzen erlebt werden, scheinen völlig andere als die, die wir im normalen Wachbewusstsein erleben. Halluzinogene rufen kaleidoskopartige Visionen hervor, man sieht vor dem inneren Auge ungewohnt schillernde Farben, ein Netzwerk geometrischer Formen, sich tänzerisch verändernde Muster, manchmal eine tiefe Dunkelheit, als würde man durch den Weltraum fliegen oder einen weiten tiefen Ozean durchschwimmen. Offenen Auges sieht man alles in Bewegung: Der Boden hebt und senkt sich, kleine Staubpartikel können wie kleine krabbelnde Tierchen erscheinen, die Luft im Raum ist von Glitzer durchzogen. Minuten können wie Stunden erscheinen, Stunden wie ein kurzer Augenblick. Was sagen solche Zustände uns über unser Bewusstsein? Was über unsere Begriffe von Realität, Raum und Zeit? Was heißt „Bewusstseinserweiterung“, ein Schlagwort, das in diesem Zusammenhang immer wieder fällt? Welche Art von Erkenntnis können wir gewinnen – oder sind die Erfahrungen letztlich nicht mehr als Hedonismus, Eskapismus, Halluzination, Illusion? Und: Sollen Menschen frei entscheiden dürfen, ob sie solche Erfahrungen machen? Ist also ein Verbot ethisch und politisch überhaupt zu legitimieren?
Wege zur Erkenntnis
Unter Bewusstsein können wir grob unseren Zugang zu unserer Umwelt und uns selbst beschreiben: Das, worauf wir uns wahrnehmend und denkend beziehen, zum Beispiel Reize, Objekte, aber auch Gedanken, Gefühle, und uns selbst als dieses denkende, fühlende Wesen. Zum Bewusstsein gehört aber auch das subjektive „Wie“ unserer Erfahrungen. Unsere Aufmerksamkeit, mit der wir uns auf etwas beziehen, ist oft für praktische Aufgaben und vor dem Hintergrund von Gewohnheiten eingeschränkt, vieles gelangt nicht in unser Bewusstsein. Wird es erweitert, so könnte man ganz simpel sagen, ist der Filter weiter, sind wir offener für Dinge, Erfahrungen, Wahrnehmungsweisen, Selbstbezüge, die uns sonst entgehen. Viele berichten davon, dass sie sich besser in andere einfühlen, die subjektive Perspektive eines anderen lebhafter nachvollziehen können. Andere erfahren eine ungewohnte körpereigene Wahrnehmung. Dass eine solche Erweiterung des Bewusstseins in der Tat zu tieferer Erkenntnis führen könnte, legt schon ein Blick in die Philosophiegeschichte nahe: Dass Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir nicht nur den Alkoholrausch pflegten, sondern auch andere Drogen wie Meskalin konsumierten, ist kein Geheimnis: Die besten Stellen von „Das Sein und das Nichts“ sind, so heißt es, unter Einfluss von Psychedelika entstanden. Wie die Philosophin Skye C. Cleary beschreibt, gehörten Rauschzustände für den französischen Existenzialismus zum guten Leben: Es war ein Weg, Erfahrungen voll auszuschöpfen und dem Absurden Paroli zu bieten.
Walter Benjamin experimentierte mit Haschisch, Meskalin und Opium, nachlesbar in der Essaysammlung Über Haschisch. William James, der amerikanische Pragmatist und Psychologe, versuchte unter anderem das meskalinhaltige Peyote und beschreibt die Wirkung von Lachgas als „metaphysische Erleuchtung“. Das rationale Bewusstsein sei nur einer von vielen möglichen Bewusstseinszuständen. In anderen entstünden „Einsichten in Tiefen der Wahrheit, die vom diskursiven Verstand nicht ausgelotet werden“, so heißt es in seinem Klassiker Die Vielfalt religiöser Erfahrung. Mehr als einhundert Jahre später ist das Interesse erneut entfacht. Die Hippiedroge LSD wurde unter Richard Nixon vor allem aus politischen Gründen verboten. Nun scheint das „Acid“ rehabilitiert, es ist die neue Substanz einer Generation, die zu sich selbst finden oder die Natur retten will. Wer unter LSD oder Pilzen wahrnimmt, dass die Bäume miteinander kommunizieren, Gesichter aus Baumstämmen hervortreten oder der Himmel in anderer Weise als normalerweise erscheint – tiefer, dichter, bewegter, ergreifender –, überwindet die Entfremdung von der Natur und der Welt, meinen nicht nur Klimaaktivisten von Extinction Rebellion, die psychedelischen „Massenrausch“ als eine Form des zivilen Ungehorsams vorschlagen.
„Unsere Probanden haben dabei den Eindruck, dass sie Teil eines umfassenden Ökosystems sind, für das sie Verantwortung tragen“, erklärt Milan Scheidegger. Der Psychiater und Philosoph entwickelt als Nachwuchsgruppenleiter an der Psychiatrischen Klinik der Universität Zürich einen Ansatz transformativer Psychotherapie vor allem mit DMT, dem Wirkstoff, der auch in Ayahuasca-Pflanzen enthalten ist. „Als zentraler Wirkfaktor psychedelischer Substanzen wird angenommen, dass sie die empathische Verbundenheit („connectedness“) zu sich selbst, zu Mitmenschen und zur Umwelt steigern und somit zu einer allgemeinen Verbesserung der Beziehungshomöostase, einem Gleichgewicht, beitragen.“
Gewollter Kontrollverlust
Seine Bemerkung passt zu anderen Trends wie dem immensen Erfolg von Büchern wie Peter Wohllebens Das geheime Leben der Bäume und natürlich zu Yoga und Meditation. Meditation und psychedelische Erfahrungen haben sogar viel gemeinsam, wie eine Studie von Scheidegger zu Achtsamkeitsmeditation unter Psilocybin zeigt. „Es können jeweils Erfahrungen der Selbstentgrenzung, der Flexibilisierung von Denk- und Beziehungsmustern eintreten.“ Durch Magnetresonanztomografie ließ sich nachweisen, dass die transformative Erfahrung unter Psilocybin zu nachhaltigen Veränderungen in neuronalen Verbindungen in Gehirnregionen führt, die den Selbst-Umwelt-Bezug regulieren. Obwohl Achtsamkeit gerade sehr populär geworden sei, solle sie genauso wie Psychedelika aber nicht vorschnell überbewertet werden. In zukünftigen Studien gelte es zu prüfen, welche Methode für welche Patientengruppen die jeweils geeignete sei (nicht jede Meditation eignet sich für jeden Typus, Gleiches gilt für Substanzen). Psychedelika in hohen Dosen können bewirken, dass die Wahrnehmung der Welt buchstäblich auf den Kopf gestellt wird: Man weiß nicht mehr, wo oben und unten, was Subjekt und Objekt, was Ich und anderer ist. Indem die Hirnareale auf andere Weise zusammenarbeiten, kann es auch zur Desintegration mit der Umwelt und starken Dissoziation mit dem eigenen Selbst kommen, wie unter dem nicht unumstrittenen Narkotikum Ketamin, das nicht einmal unter das Betäubungsmittelgesetz fällt und zu dem es Studien zu seiner antidepressiven Wirkung gibt. Solche Zustände können mindestens irritieren – aber auch unkonventionelle Einsichten und Gefühle bewirken.
Der Wissenschaftsjournalist Michael Pollan vergleicht das in seinem Bestseller „Verändere dein Bewusstsein“ (2019) mit einer Schneekugel: Durch Psychedelika werde einmal alles durchgeschüttelt und setze sich dann neu und sanft wieder auf dem Boden ab, eine temporale Unordnung führe zu einer neuen Ordnung, zu einem neuen Blick. Dies ähnle dem kindlichen, diffusen Denken. Unter diesen Erfahrungen befreiten wir uns von rigiden Denkmustern, würden offen für neue und unkonventionelle Sichtweisen. Dies ist vielleicht ein Grund, warum viele meinen, es fördere die Kreativität. Bezogen auf unsere normale Aufmerksamkeit, mit der wir unsere Umgebung täglich filtern, könnte das auch heißen, dass der Filter weiter und offener wird für Reize, Gedanken und Gefühle, die uns sonst nicht zugänglich sind. Unter „Psychonauten“, wie sich jene nennen, die Psychedelika selbst praktisch erforschen, gilt Ayahuasca als eine der Königsdisziplinen. Wer Angst oder Schwierigkeiten hat, die Kontrolle zu verlieren oder mit lange verdrängten Traumata konfrontiert zu werden, sollte besser die Finger davon lassen. Probleme mit Übelkeit sind auch keine gute Voraussetzung. Denn ein Ayahuasca-Trip ist ohne Erbrechen fast nicht zu haben. In dem großen hellen Raum stehen neben Instrumenten auch Eimer und Tüten bereit, viele der Teilnehmenden schaffen es nicht zur Toilette, so eruptiv überkommt sie der Würgereflex. Doch die Übelkeit hat auch eine positive Seite: Das Erbrechen gilt als reinigender Prozess, der den Weg frei macht zu erkennen, was in einem schlummert und brodelt.
Nackte Wahrheit
Allein sollte man solch bewusstseinserweiternde Zustände jedoch nicht erleben, es braucht erfahrene „Trip-Sitter“. Während Ayahuasca vorwiegend in ritualisierten Settings eingenommen wird, so konsumiert man (zum Teil völlig unkontrolliert und unreflektiert) LSD, Psilocybin und MDMA aber auch auf Musikfestivals, auf Partys oder einfach an einem sonnigen Tag in der Natur, wie mir meine Kollegin Regina erzählt. Die 45-Jährige beschreibt ihren ersten LSD-Trip als herausforderndes, teils unangenehmes Erlebnis, verbunden aber mit „tief greifender Erkenntnis“. „In sehr schmerzhaften, leidvollen Augenblicken war ich überzeugt, dass ich mir mein ganzes Leben, alle Menschen und Beziehungen nur vorstellte, eigentlich aber ganz alleine in einer Kapsel im Weltraum schwebe. Als diese Momente vorbei waren, wurde mir sehr intensiv bewusst, wie stark unser Leben abhängig ist von den Beziehungen, die wir führen.“ Wie eine Studie der Universitäten Zürich und Yale zeigt, wird etwa durch LSD die Kommunikation zwischen jenen Hirnarealen, die an Planung und Entscheidungsfindung beteiligt sind, reduziert. „Gleichzeitig erhöht LSD die Kommunikation zwischen Hirnarealen, die für sensorische Empfindung und Bewegung zuständig sind“, sagt Katrin Preller, eine der Hauptautorinnen der Studie. Mit anderen Worten: Wir blenden für eine Weile unsere leistungs- und kontrollorientierte Perspektive aus. Stattdessen entsteht Raum für jene Erfahrungen, die von den Anforderungen unseres durchstrukturierten Daseins befreit sind.
Aber was, wenn in dem Raum, der auf diese Weise beschritten wird, nur schwarze Leere herrscht? In meinem Seminar sind wir aufgefordert, unsere Erfahrungen zu zeichnen und dann in der Gruppe zu besprechen. Zwei Männer sind erschöpft und desillusioniert, weil sie realisieren, dass jenseits ihres durchstrukturierten Lebens „nichts, absolut nichts“ sei, die „totale Leere“. Eine Erfahrung, die den Schluss nahelegt: Nicht die Droge erzeugt eine Illusion. Sondern sie entlarvt das Leben, das wir führen, als eine solche, indem sie uns die nackte Wahrheit schmerzhaft vor Augen führt. Wer solch ein Erlebnis im Anschluss nicht gründlich reflektiere, der könne dauerhaft traumatisiert werden, warnt der Philosoph Thomas Metzinger. Metzinger gehört zum wissenschaftlichen Beirat der europäischen MIND Foundation for Psychedelic Science, die sich 2016 gegründet hat und regelmäßige Konferenzen und Workshops für Therapeuten, Psychologen, Philosophen und andere Interessierte zu „anderen“ Bewusstseinszuständen anbietet, nicht nur hervorgerufen durch Psychedelika, sondern auch durch spezielle Meditations- und Atemtechniken.
Bei aller Gefahr, die Psychedelika bergen können, sieht Metzinger auch eine große Chance: „Der zeitweise Kontrollverlust unter Psychedelika kann im Nachhinein, wenn er integriert und reflektiert wird, zu einer Erhöhung der geistigen Autonomie führen. Zum Beispiel, indem verschüttete Erinnerungen freigelegt werden, mit denen wir dann möglicherweise produktiv umgehen können.“ Mit „geistiger Autonomie“ meint er unsere Fähigkeit, unsere „inneren Handlungen“, unsere Aufmerksamkeit und kognitiven Prozesse zu kontrollieren. „In welchen Bewusstseinszuständen will ich selbst eigentlich leben?“ Diese Frage sollten sich Menschen und Gesellschaften in aller Ernsthaftigkeit stellen, fordert Metzinger. Nur so könne sich eine „Bewusstseinskultur“ herausbilden, die offen und kritisch, aber auch mit Respekt dem Potenzial veränderter Bewusstseinszustände entgegentritt. Der Philosoph ist bedingt für einen liberaleren Umgang mit manchen Psychedelika. „Mit Blick auf psychoaktive Substanzen erfordert das liberale westliche Demokratieverständnis klarerweise ein Grundrecht auf geistige Selbstbestimmung.“ Jedoch ist er gegen eine Legalisierung, gerade weil psychiatrische Risiken existieren und große Teile der Bevölkerung nicht mündig oder reflektiert genug seien, mit solchen hochpotenten Substanzen verantwortlich umzugehen. „Es kann sicher bereichernd für die philosophisch motivierte Suche nach einem guten Leben oder tiefen spirituellen Erfahrungen sein, aber wenn man es ohne ernsthaftes Erkenntnisinteresse, nur aus Neugierde oder unreflektiertem Hedonismus macht – da haben sich schon viele fast zu Tode erschrocken“, sagt Metzinger.
LSD im Dienst der Leistungsgesellschaft?
Die Bereitschaft zu reflektierter Verantwortung ist in der Tat nur für einen geringen Teil der Konsumenten zutreffend. Zu den gefragtesten Drogen zählen immer noch die stark abhängig machenden Stoffe Kokain, Speed sowie das unter Studierenden beliebte ADHS-Medikament Ritalin. Sie sind wohl weniger Wege zu tiefen Erkenntnissen, als sie vor allem kurzzeitig Wachheit, Konzentration und Selbstwertgefühl steigern. Sie isolieren auch eher, als dass sie verbinden, werden in Kontexten konsumiert, die eher Härte und Durchhaltevermögen anstatt Empathie verlangen. Für viele machen sie offenbar den Alltag mit seinen Anforderungen erst bewältigbar. Es sind die Substanzen der Leistungs- und Aufmerksamkeitsgesellschaft.
Aber auch Psychedelika stehen in Verbindung mit dem Stichwort „Selbstoptimierung“. War LSD in den 1960er- und 1970er-Jahren ein Ausdruck des Widerstands gegen die Anforderungen der Leistungsgesellschaft, ist das sogenannte Microdosing heute der letzte Schrei unter digitalen Kreativen im Silicon Valley: Ein kleines Stück Filz, Spray oder Öl mit etwas LSD unterhalb der psychedelischen Wirksamkeit gelten als Neuroenhancer, also „Gehirnverbesserer“. „LSD hat sich immer diesem Optimierungsgedanken verschlossen“, sagt der Schweizer Psychiater Peter Gasser. „Dass es nun auch diesem Prinzip unterworfen wird, beunruhigt mich.“ Gasser kooperiert mit der Universität Basel für wissenschaftliche Studien mit LSD. Dort wird die Wirksamkeit der Substanz für die Psychotherapie von Menschen mit Angststörungen untersucht. Gasser sieht insgesamt aber eine positive Entwicklung in der psychedelischen Forschung und der öffentlichen Akzeptanz.
In meiner Ayahuasca-Erfahrung erscheinen mir zum Teil gruselige Fratzen und große Spinnen – was mir als Spinnenfeindin nicht gerade angenehm ist. Paradoxerweise erfahre ich genau in dem partiellen Ausgeliefertsein, dass ich die eigene Sicht auf die Welt auch aktiv verändern, vergangene Schrecken und Traumata modifizieren kann. „Der Panther zum Beispiel gilt als Inbegriff der Stärke“, erklärt mir Manuel, „dieses Gefühl kann man im Anschluss in das eigene Leben zu integrieren versuchen.“ Am Ende des Wochenendes sieht man in gelöste, wenn auch nachdenkliche Gesichter. Niemand hier macht so etwas leichtfertig, hat man den Eindruck. Was Panther & Co. noch bewirken, muss sich erweisen. Neue Erkenntnisse können anstrengend sein. Und sie brauchen Zeit. •
Susanne Schmetkamp ist Research Fellow am Fachbereich Philosophie der Universität Basel. Sie arbeitet an einer Habilitationsschrift zu „Perspektive und Empathie – Kernelemente filmästhetischer Erfahrung und ihr epistemischer und ethischer Wert.“