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Bild: © Victoria Jung

Essay

Verteidigung der Orks

Moritz Rudolph veröffentlicht am 21 Juli 2022 5 min

Wer Der Herr der Ringe liest oder schaut, den beschleicht das Gefühl, dass man ihn dazu drängen will, mit den Falschen mitzufiebern. Sind es nicht gerade Orks, Uruk-hai und andere widerliche Gestalten, die unsere Solidarität verdienen?

 

Bei Tolkien kämpfen Gut gegen Böse, die klar umrissen und verortet sind – gut sind die „freien Völker“ des Westens, Elben, Zwerge, Hobbits, Menschen. Von Letzteren wird immerhin erwähnt, dass sie schwach und anfällig für das Böse sind, aber im Krieg verschwinden die Nuancen und sie kämpfen mehrheitlich an der Seite der Ringgefährten. Ihnen stehen die dunklen Heere des Ostens gegenüber, Saurons und Sarumans Truppen, größtenteils Orks, die in Bergwerken schuften, Produktionshallen aus dem Boden stampfen und unter Anleitung Sarumans sogar eine Art Überork züchten, die Uruk-hai. „Endlich, mein lieber Homo sapiens, werde ich an dir arbeiten“, scheint Saruman bei Leo Trotzki gelernt zu haben und will sich nicht dem Diktat der Natur beugen.

Ohnehin lieben Orks alles Geschaffene, Künstliche, Zweckmäßige, das von den göttlichen Vorgaben abweicht, sie haben ein Faible für „Räder, Motoren und Explosionen“, also technischen Fortschritt, der die Tat des Prometheus wiederholt und den göttlichen Funken in sich erzeugen will. Sie selbst sind Mischwesen, gefallene Elben, in die Menschenanteile eingeflossen sind, und die nun ein tristes Leben an den Rändern der Staaten führen, wo sie die Herrschaft herausfordern. Die Orks sind genau so, wie man sich lange Zeit das Proletariat vorgestellt hat: hässlich, ungehobelt, zweckorientiert und ohne Stammbaum. Als „vaterlandslose Gesellen“ (so nannte man die Sozialisten um 1900) sind sie eine Gefahr für die Ordnung, die schon Tolkien, aber mehr noch Filmregisseur Jackson um jeden Preis verteidigen will.

 

Aufstand der Marginalisierten

 

Doch welche Ordnung ist das? Überall ist von den „freien Völkern des Westens“ die Rede, dabei herrscht in den Reichen der Menschen eine Feudalwirtschaft nach aristokratischem Prinzip. Wirklich frei ist nur der König, und halb Mittelerde will Aragorn auf dem Thron sehen, damit diese Ordnung nicht ins Wanken gerät. Dass Gondor „keinen König“ hat und auch keinen „braucht“, wie Boromir im ersten Teil der Geschichte sagt, ist noch das Beste an der Situation. Das Interregnum ist ein Hoffnungsschimmer der Gleichheit, ein Schwanken des Ancien Régime, das die Orks und andere wittern. Deshalb blasen sie zum Angriff auf eine Ordnung, die sie an die Ränder drückt. Aus Tolkiens Herrenmenschenperspektive sieht ihr Aufstand natürlich wie ein Überfall aus, aber wir sollten uns nicht täuschen lassen, denn die revolutionären Hinweise sind gesät: Die Menschen haben sich in der weißen Stadt Minas Tirith verbarrikadiert (eine Anspielung auf Sankt Petersburg, die Stadt der weißen Nächte, in der 1917 die Oktoberrevolution stattfand?), während die Orks von Osten her einströmen.

Unterstützung erhalten sie von den Haradrim, schwarzen Menschen, die mit Schiffen und auf Elefanten auf Minas Tirith stürmen wie einst Hannibal auf Rom. Zusammen bilden sie – Orks und Haradrim – das erweiterte Proletariat, das sich aus Arbeitern, Überzähligen und Kolonisierten zusammensetzt und eine Revolution vom Zaun bricht, die größer ist als Lenins Sturm aufs Winterpalais. Jedoch scheitert sie. Die (nach Hautfarbe und Gesinnung) weißen Truppen unter Führung Gandalfs des Weißen zerschlagen die rote Front, setzen das Ancien Régime wieder ein und die übrig gebliebenen zweieinhalb Gefährten Frodo, Sam und Gollum können in Ruhe den Ring zerstören – vor allem durch Sam, dessen hündische Knechtschaft gegenüber Frodo Tolkien nicht müde wird zu feiern.

 

Der Ring im Dienst des Lebens?

 

Doch was vernichten sie da eigentlich? Der Ring, so könnte man ihn mit Horkheimer und Adorno deuten, ist eine universelle „Herrschaftsmaschinerie“, ein Konglomerat aus Technik, Wissenschaft, Verwaltung und Kapital, das sich seit Anbeginn der Zivilisation durch die Geschichte wälzt und deren „Kreisförmigkeit“ – daher der Ring – begründet. Sie verleiht ihrem Besitzer Macht, jedoch um den Preis der Selbstverstümmelung, Subjektstatus auf Gewaltbasis. Horkheimers und Adornos Ausweg bestand nun aber nicht in der Zerstörung der Fortschrittsmaschinerie – das wäre archaisch –, und auch nicht in der blinden Aneignung – die wäre genauso archaisch –, sondern in der Aneignung der Aneignung, der Abstreifung des Herrschaftscharakters durch Umwidmung des Ringes, dessen organisatorische, produktive Kraft nicht einfach weggeworfen werden dürfe. Stattdessen könnte man den Ring in den Dienst des Lebens stellen und ihn die mühevolle Arbeit erledigen lassen, sodass die Orks ein wenig Freizeit bekommen.

Der Ring ist eine Entäußerung irdischer Macht, leider nur der dunklen Saurons, und man müsste ihm nun noch die helle, sagen wir: Galadriels beigeben, dann könnte der Ring allen Geschöpfen Mittelerdes dienen. In seinem Schatten könnten diese ein behagliches, herrschaftsfreies Hobbitleben führen – oder, wenn ihnen dies zu fad ist, sich als Extrembergsteiger im Nebelgebirge betätigen.

 

„Wir waren alle Orks“

 

Man müsste also vielleicht noch einmal zu den Elben gehen, den Ring umschmieden lassen und ihn den Orks geben, dann könnten sie sich selbst und Mittelerde befreien. Denn ohne befreite Orks, das deutet auch Tolkien an, verschwindet die Gewalt nicht. In einem späten Fragment mit dem Titel Der neue Schatten schreibt Tolkien über die Entstehung eines neuen Kultes des Bösen, der im Vierten Zeitalter, etwa hundert Jahre nach Vernichtung des Ringes, um sich greife und „Orkwerk“ verrichte. Die geschlagenen Orks rächen sich an ihren Peinigern, bis man ihnen endlich einen Platz in der Welt einräumt.

Natürlich sind die Orks keine Freiheitshelden und Tugendbolde, sondern elende Kreaturen, die allerhand Fieses aufblitzen lassen – wie übrigens auch die Menschen, Zwerge und Elben nicht zimperlich mit ihren Feinden verfahren. Doch ist ihnen dieses Böse von außen beigegeben worden. Über seine Zeit in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs schrieb Tolkien: „Wir waren alle Orks“. Die Umstände ziehen die Kreaturen in ein schwarzes Loch, aus dem sie sich nur selbst befreien können, indem sie mithilfe der umgewidmeten Herrschaftsmaschine ihre Herren beseitigen. Denn diese haben sie in den Schlamassel hineingeführt mit ihrem geopolitisch aufgeladenen Wertegerede – Sauron und Saruman (die an Stalin erinnern), aber eben auch Aragorn und Gandalf, die ihre Leute in den Tod treiben für eine mittelerdische Freiheit, die immer wieder behauptet, aber kaum sichtbar wird. •

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