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Bild: Chris Emil Janßen (IMAGO)

Impuls

Die moralische Krise der Konservativen

Johan Wientgen veröffentlicht am 08 August 2023 5 min

Vermehrt wird jungen Menschen von konservativer Seite eine zu starke Moralisierung der politischen Debatte vorgeworfen. Das mag auf den ersten Blick verwirrend wirken, schien das Moralische doch lange Zeit ein Kernbestandteil des Konservativen zu sein. Doch hat diese Ablehnung gar viel tiefere Wurzeln, als es scheint?

 

Die Moral hat sich bei Konservativen einen schlechten Ruf eingefangen. In einem programmatischen Gastbeitrag in der Welt verteufelt der kürzlich ernannte Generalsekretär der CDU, Carsten Linnemann, sie gleich dreimal: es wird vor „Moralisierung“, „moralischen Appellen“ und „Moralaposteln“ gewarnt. Nicht anders sieht es, trotz Regierungsbeteiligung, bei der FDP aus. Und auch der publizistische Konservatismus steckt in einer Krise, was sein Verhältnis zur Moral betrifft. Waren die konservativen Medienblätter der Bundesrepublik einst offene Verfechter christlicher und abendländischer Moralvorstellungen, so kommt einem heutzutage von dort aus immer mehr eine vulgärliberale, individualistische Fixierung aufs Ich entgegen. Egal wohin man also rechts der Mitte schaut, eine Berufung auf die Moral wird man kaum finden. All diejenigen, die in ihrer Argumentation auf moralische Werte zurückgreifen— die heizungsfixierten Grünen, die veganen Klimakleber und überhaupt die ganzen aktivistischen Gutmenschen — täten dies eigentlich nur aus egoistischen Geltungsgründen. So zumindest die auf Parteitagen und in Leitartikeln des konservativen Milieus vorherrschende Meinung.

 

Liberale Wurzeln

 

Doch woher kommt diese Abneigung gegen das Moralische? Sie könnte, obwohl sie sich jetzt, in Zeiten der kulturkämpferischen Scheindebatten immer klarer zeigt, weit tiefere Wurzeln haben als nur die Identitätskrise der Christdemokraten, die seit dem Ende der Merkeljahre so deutlich ist. Folgt man dem Sozialphilosophen und Ideenhistoriker Panajotis Kondylis, lässt sie sich sogar bereits auf die letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts datieren. 
 
In dessen umfangreicher Studie von 1986 Konservativismus: geschichtlicher Gehalt und Untergang (die Anfang dieses Jahres erstmals in wohlverdienter Neuauflage erschien) plädierte der deutsch-griechische Privatgelehrte für die These, dass der Konservativismus sich nur als historisch konkret verortete politische Strömung fassen lässt, nicht als ahistorisches System grundsätzlicher anthropologischer Konstanten oder psychologischer Veranlagungen. Folgt man Kondylis, liegt der Ursprung dieser historischen Strömung nicht, wie so oft behauptet, in einer Ablehnung der aufklärerischen Werte der Französischen Revolution, sondern bereits einige Jahrhunderte früher in der Verteidigung adeliger Privilegien gegen den absolutistischen Staat: „Im streng historischen Sinne läßt sich also der Konservativismus als die ideologische und sozialpolitische Strömung definieren, deren Ziel die Aufrechterhaltung der societas civilis und der Herrschaftsstellung ihrer Oberschichten war.“ Geboren aus dieser Klientelpolitik, sah sich der junge Konservativismus — der sich damals freilich noch nicht so nannte, der Begriff selbst stammt in der Tat aus den Nachwehen von 1789 — jedoch mit gesellschaftlichen Entwicklungen konfrontiert, die er nicht aufhalten konnte. 

 

Zuflucht beim Staat 

 

Angesichts der Bedrohung des Ancien Régimes durch Bürgerlichkeit und Demokratie wurde der ehemals bekämpfte starke Staat so zum Auffangbecken für Konservative. Diese Assimilationsbewegung, getrieben durch immer neue progressive Feindbilder, fand ihren Höhepunkt, so Kondylis’ These, im spätestens 1890 vollzogenen Ende des Konservativismus als eigenständige politische Strömung. Denn der europäische Konservativismus verschmolz damals dank gemeinsamer Interessen mit dem Liberalismus zu einer Koalition der Besitzenden. Aus Adeligen waren Kapitalisten geworden, die nun mit dem ehemals verhassten Bürgertum auf derselben Seite im Kampf gegen die neue Arbeiterklasse standen. Das explizite Aufkommen des Begriffs des Konservativen in den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts kann so mit Kondylis als Zeichen seines nahenden Todes verstanden werden. Denn dieser ideologiekritische Ansatz folgt ganz dem Hegel’schen Bild der Eule der Minerva, die erst zur einbrechenden Dämmerung ihren Flug beginnt: Begrifflich greifbar wird ein historisches Phänomen dann, wenn es sich bereits seinem Ende zuneigt.

 

Moral und Willkür

 

Die Konservativen, so zumindest Kondylis, seien also nun eigentlich längst Liberale. Diese Analyse deckt sich zwar nicht vollständig mit dem Selbstverständnis moderner Konservativer, sehr wohl aber mit ihren tatsächlichen Äußerungen im politischen Diskurs. Ob „Innovation“, „Fortschritt“ oder „Technologieoffenheit“: klassische Signalwörter (neo)liberaler Geschichtsphilosophie sind längst tief in der konservativen Sprache verwurzelt. Auch die Fixierung auf Individualität, die doch eigentlich so gar nicht mit christlich-konservativen Werten vereinbar zu sein scheint, erschließt sich nun. Und: Durch Kondylis’ Diagnose lässt sich auch die konservative Abneigung gegen Moral erklären. Denn wenn man eigentlich nur ein verkleideter Liberaler ist, wird es möglich, sich beliebig und wenn es eben gerade passt, auf Normen und Werte zu berufen, nur um im nächsten Atemzug eine Moralisierung der Debatte zu verteufeln. Ganz nach dem Motto: Werte und Normen, die haben wir noch im Abendland. Aber wehe dem, der moralisch zu argumentieren wagt!
 
Wer also „Moralismus“, „Rechthaberei“ oder gar „Gutmenschentum“ anprangert, jedoch gleichzeitig an universellen Werten festhalten will, begibt sich argumentativ in einen zumindest methodisch schwierigen Widerspruch. Oder, noch prägnanter formuliert: Wer an diesem Widerspruch festhält, verdeutlicht unbewusst, aber doch ganz offen für alle durchschaubar, dass ein Appell an die Moral — sei es in ablehnender Art an einen angeblich vorherrschenden Moralismus, oder in affirmativer Art an die westlichen Werte — nur als performatives Diskurswerkzeug verstanden werden kann.

 

Ohne Ethik geht es nicht

 

Moral wird auf diese Art und Weise privatisiert, ihr Geltungsbereich aus dem gesellschaftlichen Diskurs verbannt. Doch ein gesamtgesellschaftliches Einstehen für das, was man, auch aus moralischen Gründen, für das Richtige hält, ist ein Kernbestandteil politischer Aushandlungsprozesse. Moral — fasst man sie im Sinne der klassischen griechischen Antike als eine Beschäftigung mit der Frage des guten Lebens auf — lässt sich nie losgelöst von der Gesellschaft betrachten. Sie hat seit jeher ihren Platz im Politischen. Individualisiert man die Moral, so verbannt man sie und mit ihr auch universelle Werte aus dem Politischen und öffnet die Tür für reine Machtkämpfe. 
 
Denn eine ganze Reihe der vielen Krisen und Probleme, mit denen sich unsere Gesellschaft konfrontiert sieht, lassen sich gar nicht in sinnhafter Weise fassen, ohne ihre moralische Dimension zu beachten: Die Sicherung menschlicher Lebensgrundlagen, gerade auch der zukünftigen Generationen; unser Umgang mit dem — zwar aus dem Rampenlicht der täglichen Medien verschwundenen, aber trotzdem anhaltenden — europäischen Versagen der Seenotrettung im Mittelmeer; und nicht zuletzt der Angriffskrieg Russlands und die Frage nach Waffenlieferungen für die Ukraine. Ohne die Ethik gibt es bei keinem dieser Probleme ein Weiterkommen. Und das sollten auch die Konservativen verstehen. •

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Kommentare

Armin Schmidt | Freitag, 25. August 2023 - 18:41

Ich schätze, der Bipol Konservativ-Sozialrevolutionär aus Sicht der Konservativen oder Kapital-Arbeit aus Sicht der Arbeiter war viele Jahrzehnte der Bestgeeignete, um die Demokratien der Welt zu ordnen.
Nun schätze ich den Bipol links "Versuch des wahrscheinlich Besten für alle durch [Gruppe]" - rechts "Versuch der wahrscheinlichen Befreiung für [Gruppe]" besser geeignet.
Damit wird ~moralisches Handeln wohl eher ein Ziel linker Politik.

ich danke für den Artikel und die Möglichkeit, zu kommentieren.

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