Unruhe – Überforderung als Wegweiser?
Permanente Erreichbarkeit und die Überlagerung verschiedenster Einflüsse führen bei vielen Menschen zu einer tiefen Unruhe. Doch was wäre, wenn in diesem Zustand auch die Möglichkeit schlummern würde, auf Ungewissheit, Widersprüche und Ambivalenzen besser reagieren zu können?
Mit dem Klingeln des Weckers schleicht sich die erste Nervosität in den Morgen, spätestens beim Blick auf das Smartphone setzt eine dauerhafte Erreichbarkeit ein – und mit ihr steigt auch die Unruhe langsam empor. Wie durch Wunderhand sind immer schon neue Nachrichten da. Unaufhörlich spülen Endgeräte die Welt als Newsticker in den Alltag. Über 100 Milliarden Nachrichten kommen an einem Tag allein bei WhatsApp zusammen; das sind knapp 11 000 Nachrichten in dieser … und dieser … und dieser Sekunde. Es gibt Momente, da möchte man all seine Geräte – Handy, Laptop oder Tablet, ganz gleich – einfach aus dem Fenster schleudern. So gewöhnt an die Dauerbeschallung, ertappt man sich in ruhigeren Augenblicken dabei, nach dem Handy zu tasten: War da nicht eine Vibration? Schon schleicht sich die akute FOMO (Fear Of Missing Out) an, die Furcht etwas zu verpassen: Irgendwo passiert jetzt doch bestimmt etwas, wo man eigentlich dabei sein müsste.
Philosophie Magazin +

Testen Sie Philosophie Magazin +
mit einem Digitalabo 4 Wochen kostenlos
oder geben Sie Ihre Abonummer ein
- Zugriff auf alle PhiloMagazin+ Inhalte
- Jederzeit kündbar
- Im Printabo inklusive
Sie sind bereits Abonnent/in?
Hier anmelden
Sie sind registriert und wollen uns testen?
Probeabo
Weitere Artikel
Es kam so überraschend wie verheerend.
Das Coronavirus, das die Welt Anfang 2020 erfasste und in vielen Bereichen noch immer unseren Alltag bestimmt, erzeugte vor allem eines: ein globales Gefühl der Ungewissheit. Wurde das soziale Leben in kürzester Zeit still gestellt, Geschäfte, Kinos und Bars geschlossen und demokratische Grundrechte eingeschränkt, blieb zunächst unklar, wie lange dieser pandemische Ausnahmezustand andauern würde. Und selbst jetzt, da sich das Leben wieder einigermaßen normalisiert zu haben scheint, ist die Unsicherheit nach wie vor groß: Wird es womöglich doch noch eine zweite Infektionswelle geben? Wie stark werden die wirtschaftlichen Auswirkungen des Shutdowns sein? Entwickeln sich Gesellschaften nun solidarisch weiter oder vollziehen sie vielmehr autoritären Rollback? Ganz zu schweigen von den individuellen Ungewissheiten: Kann ich im Sommer in den Urlaub fahren? Werde ich im Herbst noch Arbeit haben? Hält die Beziehung der Belastung stand? Kurzum: Selten war unsere so planungsbedürftige Zivilisation mit so viel Ungewissheit konfrontiert wie derzeit.

Die Aufklärung der Aufklärung
Die neue Ausstellung des Deutschen Historischen Museums in Berlin zeigt die historischen Ambivalenzen und Widersprüche eines bis heute wichtigen Projekts auf.

Georges Vigarello: „Es gibt eine Besessenheit, was die Schlafqualität betrifft“
Ist Mittagsschlaf schädlich? Darf man beim Schlummern auf dem Rücken liegen? Die Antworten auf diese Fragen, so zeigt Georges Vigarello, haben sich im Lauf der Geschichte radikal gewandelt. Noch nie jedoch war der Schlaf mit so vielen Erwartungen überfrachtet wie in unserer Gegenwart.

Wer sind "Wir"?
Als Angela Merkel den Satz „Wir schaffen das!“ aussprach, tat sie dies, um die Deutschen zu einer anpackenden Willkommenskultur zu motivieren. Aber mit der Ankunft von einer Million Menschen aus einem anderen Kulturkreis stellt sich auch eine für Deutschland besonders heikle Frage: Wer sind wir eigentlich? Und vor allem: Wer wollen wir sein? Hört man genau hin, zeigt sich das kleine Wörtchen „wir“ als eine Art Monade, in der sich zentrale Motive zukünftigen Handelns spiegeln. Wir, die geistigen Kinder Kants, Goethes und Humboldts. Wir, die historisch tragisch verspätete Nation. Wir, das Tätervolk des Nationalsozialismus. Wir, die Wiedervereinigten einer friedlichen Revolution. Wir, die europäische Nation? Wo liegt der Kern künftiger Selbstbeschreibung und damit auch der Kern eines Integrationsideals? Taugt der Fundus deutscher Geschichte für eine robuste, reibungsfähige Leitkultur? Oder legt er nicht viel eher einen multikulturellen Ansatz nahe? Offene Fragen, die wir alle gemeinsam zu beantworten haben. Nur das eigentliche Ziel der Anstrengung lässt sich bereits klar benennen. Worin anders könnte es liegen, als dass mit diesem „wir“ dereinst auch ganz selbstverständlich „die anderen“ mitgemeint wären, und dieses kleine Wort also selbst im Munde führen wollten. Mit Impulsen von Gunter Gebauer, Tilman Borsche, Heinz Wismann, Barbara Vinken, Hans Ulrich Gumbrecht, Heinz Bude, Michael Hampe, Julian Nida-Rümelin, Paolo Flores d’Arcais.
Lützerath: Wer ist hier undemokratisch?
Als Protest gegen den geplanten Abriss des Dorfes Lützerath zur Abtragung von Kohle kam es zu zahlreichen Blockaden durch Klimaaktivisten. Ihr Widerstand wurde von vielen Politikern als antidemokratisch angeklagt. Schaut man jedoch genau hin, zeigt sich: Die vermeintlichen Demokraten sind die eigentlichen Antidemokraten.

Marie-Luisa Frick: „Man sollte Selbstdenken nicht undifferenziert heroisieren“
Corona und Terror rufen die Ideale der Aufklärung wieder auf den Plan und stellen die Demokratie gleichzeitig hart auf die Probe. Die Philosophin Marie-Luisa Frick, deren Buch Mutig denken (Reclam) gerade erschienen ist, erklärt vor diesem Hintergrund, was wir heute noch von den Aufklärern lernen können.

Albrecht Vorster: „Der Schlaf eint alle lernfähigen Lebewesen“
Gut ein Drittel unseres Lebens verbringen wir schlafend. Doch wozu eigentlich? Und was passiert in unserem Gehirn, wenn wir nicht bei uns sind? Der Schlafforscher Albrecht Vorster über mentale Aufräumarbeit, schlummernde Meeresschnecken und menschliche Biorhythmen.

Gewalt als einziges Ventil?
Seit dem Tod von Nahel M., der am 27. Juni von einem Polizisten erschossen wurde, gibt es in ganz Frankreich Unruhen. In Nanterre, westlich von Paris, sieht ein Teil der Jugendlichen Gewalt als einzige Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen. Unser Reporter hat die Stimmung in der Cité Pablo Picasso eingefangen.

Kommentare
Manche Formen der sog. Resilienz bzw. die Art und Weise, wie Resilienz verstanden wird, sind geeignet, ihre Adepten auf den Leim zu führen. Psycho - soziale Sedierung. Schallt einem da nicht das "Empört euch" laut in den Ohren?