Gespielte Souveränität
Seit September finden an allen deutschen Grenzen wieder Polizeikontrollen statt. Doch warum, wo deren Wirkung höchst umstritten ist? Sie sind ein Schauspiel und als solches eine vergebliche Reaktion auf den nationalen Souveränitätsverlust in einer postwestfälischen Welt.
Philosophie Magazin +

Testen Sie Philosophie Magazin +
mit einem Digitalabo 4 Wochen kostenlos
oder geben Sie Ihre Abonummer ein
- Zugriff auf alle PhiloMagazin+ Inhalte
- Jederzeit kündbar
- Im Printabo inklusive
Sie sind bereits Abonnent/in?
Hier anmelden
Sie sind registriert und wollen uns testen?
Probeabo
Weitere Artikel
Wer ist mein wahres Selbst?
Kennen Sie auch solche Abende? Erschöpft sinken Sie, vielleicht mit einem Glas Wein in der Hand, aufs Sofa. Sie kommen gerade von einem Empfang, viele Kollegen waren da, Geschäftspartner, Sie haben stundenlang geredet und kamen sich dabei vor wie ein Schauspieler, der nicht in seine Rolle findet. All diese Blicke. All diese Erwartungen. All diese Menschen, die etwas in Ihnen sehen, das Sie gar nicht sind, und Sie nötigen, sich zu verstellen … Wann, so fragen Sie sich, war ich heute eigentlich ich? Ich – dieses kleine Wort klingt in Ihren Ohren auf einmal so seltsam, dass Sie sich unwillkürlich in den Arm kneifen. Ich – wer ist das? Habe ich überhaupt so etwas wie ein wahres Selbst? Wüsste ich dann nicht zumindest jetzt, in der Stille des Abends, etwas Sinnvolles mit mir anzufangen?
Shortlist für den Tractatus-Essaypreis des Philosophicum Lech 2025
Der Verein Philosophicum Lech hat die Shortlist für den Tractatus – Preis für philosophische Essayistik bekanntgegeben. Wer die mit 25.000 Euro dotierte Auszeichnung erhält, wird Anfang September verkündet. Die feierliche Verleihung findet am 26. September im Rahmen des 28. Philosophicum Lech statt. Das Philosophie Magazin ist Medienpartner.

Sie ist wieder da. Die Frage nach der Identität.
In der gesamten westlichen Welt kehren Identitätsfragen ins Zentrum des politischen Diskurses zurück. Donald Trump stilisierte sich erfolgreich als Anwalt des „weißen Mannes“. Marine Le Pen tritt in Frankreich mit dem Versprechen an, die Nation vor dem Verlust ihrer Werte und Eigenheiten zu bewahren. Auch in Deutschland wird das Wahljahr 2017 von kulturellen Verlustängsten dominiert werden. Das Projekt der Europäischen Union droht derweil zu scheitern. Terrorangst schürt Fremdenfeindlichkeit Wie lässt sich diesen Entwicklungen gerade aus deutscher Sicht begegnen? Mit einem noch entschiedeneren Eintreten für einen von allen nationalen Spuren gereinigten Verfassungspatriotismus? Oder im Gegenteil mit neuen leitkulturellen Entwürfen und Erzählungen? Bei all dem bleibt festzuhalten: Identitätspolitik war in den vergangenen Jahrzehnten eine klare Domäne linker Politik (u. a. Minderheitenrechte, Genderanliegen). Sind bestimmte Kollektive schützenswerter als andere? Was tun, damit unsere offene Gesellschaft nicht von Identitätsfragen gespalten wird?
Einfach leben - Warum ist das so kompliziert?
Einfach leben, das klingt so leicht. Nach Gelassenheit, geistiger Weite. Nach einer Existenz, die ihre Freiheit in der Beschränkung findet. Nach Balance, Übersicht, Halt. Doch wer versucht, ein solches Dasein auf Dauer zu stellen, scheitert schnell an den Realitäten des Alltags – und auch an sich selbst. Wie verzichten in einer Welt, die permanent Neues anpreist? Wie ausgeglichen sein, wenn Verlangen und Lust – ganz zu schweigen von den Ansprüchen der anderen – die innere Ruhe permanent stören? Die Philosophie zeigt drei Wege zum einfachen Leben auf: Erst die Übung führt uns zur Leichtigkeit. Das Geheimnis einer erfüllten Existenz ist die Leere. Das Wesentliche zu sehen, setzt Selbsterkenntnis voraus. Askese, Minimalismus, Authentizität: Einfachheit beginnt in uns.
Marie-Luisa Frick: „Man sollte Selbstdenken nicht undifferenziert heroisieren“
Corona und Terror rufen die Ideale der Aufklärung wieder auf den Plan und stellen die Demokratie gleichzeitig hart auf die Probe. Die Philosophin Marie-Luisa Frick, deren Buch Mutig denken (Reclam) gerade erschienen ist, erklärt vor diesem Hintergrund, was wir heute noch von den Aufklärern lernen können.

Fehlgeleitete Kritik aus Berlin
In einem „Brief aus Berlin“ kritisieren Wissenschaftler die Reaktion der Bundesregierung auf den Nahostkonflikt und den Umgang der Berliner Regierung mit Demonstranten. Die Kritik sei jedoch zu undifferenziert und tatsachenverzerrend, so Christian Thein in einem Gastbeitrag.

Was genießen wir am Bösen?
Es fasziniert und verspricht höchste Lust. Doch nur wenige Menschen folgen der Anziehungskraft des Bösen bis zum Ende. Was unterscheidet den Normalbürger von einem Gewaltverbrecher? Joe Bausch, Gefängnisarzt und „Tatort“-Schauspieler, diskutiert mit dem Philosophen und Autor Rüdiger Safranski über Computerspiele, Hirnschäden und die grundmenschliche Freiheit, einfach Nein zu sagen
Wilhelm Heitmeyer: „Krisen und Kontrollverluste sind die wirkungsvollsten Treiber“
Werden Rechtspopulisten bald zu deutschen Ministern? Wilhelm Heitmeyer forscht seit 40 Jahren zur politischen Rechten. Der Höhenflug der AfD kommt für ihn nicht überraschend. Die Gründe, sagt er, liegen viel tiefer als in einer schlechten Regierungsperformance. Die Zivilgesellschaft müsse konfliktfähiger werden.

Kommentare
Der Artikel stellt einen interessanten, aber teils fragwürdigen Zusammenhang zwischen Migration und Souveränitätsverlust her. Tatsächlich wirkt es fast wie ein gedanklicher Trick: Man geht davon aus, dass Migration der entscheidende Hebel für den Verlust nationaler Kontrolle ist, als ob man hier nach Belieben Ursache und Wirkung umdrehen könnte. Es scheint, als wolle man hier eine Interpretation fördern, die weniger auf die Fakten und mehr auf eine ideologische Wunschvorstellung des Souveränitätsverlustes hinausläuft.
Ein weiteres Problem ist die Argumentation mit prozentualen Relationen bei der Kriminalitätsstatistik. Wenn die Kriminalität durch Migranten absolut ansteigt, hilft es wenig, den prozentualen Anstieg im Vergleich zur Bevölkerungszunahme der Migranten schönzurechnen. Die absoluten Zahlen zählen hier, da die Menschen reale Konsequenzen spüren – es geht um reale Verbrechen, nicht um statistische Tricks.
Mein zentraler Punkt liegt jedoch woanders: Wir beobachten eine unkontrollierte Zuwanderung, die primär unsere Sozialsysteme belastet und auch Menschen einschließt, die keine Affinität zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung zeigen. Die Regierung scheint im Gedanken „Wir schaffen das“ festzuhängen, ohne einen klaren Fokus darauf zu legen, wie diese Zuwanderer so sozialisiert werden könnten, dass sie für den Arbeitsmarkt wertvoll sind und unsere demokratischen Werte aktiv mittragen. Anstatt über Abschiebungen zu palavern, sollte man die Frage in den Vordergrund rücken, wie Integration zur Unterstützung einer stabilen Demokratie gestaltet werden kann.
Und was die Rückbesinnung auf nationale Grenzen betrifft: Der Artikel stellt es so dar, als sei das ein Rückschritt, doch in Wahrheit ist die EU seit jeher ein Zusammenschluss aus Nationen. Nationale Grenzen und Souveränitäten waren und sind Bestandteil der EU – so zu tun, als seien offene Grenzen das ultimative Ideal, klingt eher nach Wunschdenken als nach Realität. Wenn wir wirklich von Nationalstaaten zu einer geeinten EU übergehen wollen, müssten wir die EU-Kommission abschaffen, das EU-Parlament die nationalen Parlamente ersetzen und vor allem eine einheitliche Fiskalpolitik umsetzen. Solange das nicht geschieht, bleibt die Vorstellung von offenen Grenzen eine naive Utopie – vielleicht charmant für die Kinderwelt der Teletubbies, aber sicher nicht tragfähig für die heutige politische Realität.