Wo endet meine Verantwortung?
Bei mir selbst? Meiner Familie? Meiner Firma? Oder nie und nirgendwo? Das Dilemma ist klar: Setzen wir unserer Verantwortung enge Grenzen, gelten wir als egoistisch und unsolidarisch. Begreifen wie sie als endlos, überfordern wir uns, verlieren jedes Maß. Wo also wäre die Grenze zu ziehen? Eine drängende Frage, gerade heute, in einer globalisierten Welt der Kriege und Klimakatastrophen, der Armut und Verzweiflung. Lässt sich im technisierten, hochkomplexen 21. Jahrhundert überhaupt noch sinnvoll von individueller Verantwortung sprechen? Widersetzt sich der Begriff der Verantwortung gar seinem Wesen nach jeder Begrenzung? Wenn ja, wie wäre meine Verantwortung zu fassen? Wie moralisch handeln, ohne sich selbst aufzugeben?
Mit Beiträgen unter anderem von Stefan Gosepath, Ludger Heidbrink, Konrad Paul Liebmann und Bernhard Schlink.
Artikel aus dem Dossier
Wo endet meine Verantwortung?
Erinnern Sie sich noch an Reem? Reem Sahwil ist das palästinensische Mädchen, dem Bundeskanzlerin Merkel vor knapp einem Jahr im Rahmen eines Bürgerdialogs erklärte, dass seine aus dem Libanon eingereiste Familie kein Bleiberecht in Deutschland erhalten werde, da der Libanon keine Kriegszone sei und Deutschland aus den dortigen Lagern schlicht nicht alle Menschen aufnehmen könne. Noch während Merkel ihre Begründung ausführte, fing Reem bitterlich zu weinen an. Die Kanzlerin stockte, ging darauf in einer Art Übersprunghandlung auf das im Publikum sitzende Mädchen zu und begann es zu streicheln, weil, wie Merkel, noch immer mit dem Mikro in der Hand, erklärte, „weil ich, weil wir euch ja nicht in solche Situationen bringen wollen und weil du es ja auch schwer hast“.
Jetzt bist du gefragt! - Sechs Urszenen
Auf der Welt zu sein bedeutet, in der Verantwortung zu stehen: für das eigene Selbst, nächste Verwandte wie auch wildfremde Menschen. Sechs Urszenen, die zeigen, was das im Alltag bedeuten kann.
Stefan Gosepath: "Es gibt eine globale Hilfspflicht"
Hilfe in Not ist mehr als ein Akt der Barmherzigkeit. Sie ist eine moralische Pflicht. Gespräch mit dem Philosophen Stefan Gosepath über individuelles Engagement, moralische Intuition und die unplausible Position des radikalen Egoismus.
Vorsicht vor der Selbstüberschätzung!
Der aufgeklärte Europäer übernimmt gerne Verantwortung. Und zwar für alles und jeden. Unverantwortlich, meint der österreichische Philosoph Konrad Paul Liessmann. Ein Plädoyer für die Obergrenze.
Macht uns das System verantwortungslos?
Wie weit reicht unsere Verantwortung in einer immer komplexeren Welt? Lässt sich der Einzelne überhaupt noch zur Rechenschaft ziehen? Der Schriftsteller Bernhard Schlink und der Philosoph Ludger Heidbrink über heikle Systemgrenzen, den Tellerrand Angela Merkels und das allzu ferne Leid der anderen.
Freiheit für die Verantwortung
Ein wahrer Liberaler hält den Radius seiner Verantwortung lieber klein? Weit gefehlt: Denn an die Idee der Freiheit zu glauben heißt, aktiv für sie einzustehen. Und zwar weltweit.