Der Schlaf. Das unbekannte Drittel unseres Lebens
Sonderausgabe 26 - Herbst 2023Philosophen von Heraklit über Hegel bis zu Jean-Luc Nancy haben die vielschichtige Bedeutung des Schlafs ergründet. Der Schlaf, so zeigt dieses Heft, ist das unabdingbare Andere von Bewusstsein, Vernunft und Willenskraft, die ohne Gegengewicht unerträglich und irrational werden. Der Schlaf erhält das Lebendige, lässt uns lernen und träumen. Zeit, das unbekannte Drittel unserer Existenz zu entdecken.
Mit Jonathan Crary, Sigmund Freud, Şeyda Kurt, Karl Marx, Tilman Rammstedt, Jean-Paul Sartre u. v. a.
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1. Warum sind wir so müde?
Bild: © Viktoria Jung
Wer sich körperlich verausgabt, fällt am Ende des Tages müde ins Bett. Heute jedoch werden viele Menschen von einer ganz anderen Form der Erschöpfung geplagt: ein Gefühl des dauerhaften Ausgebranntseins, das nicht zum Schlaf führt, sondern zu unruhigen, durchwachten Nächten. Wann begann die große Erschöpfung? Und was geschieht mit uns und der Erde, wenn Phasen der Regeneration zur (Mangel)Ware werden?
2. Wie gut einschlafen?
Bild: © Olgaç Bozalp
Ratgeber, Tracking-Apps, Hormonsprays – sie alle versprechen, uns das Einschlafen leicht zu machen. Bereits in der Antike geizten Denker wie Pythagoras oder Seneca nicht mit Empfehlungen für eine gelingende Nachtruhe. Doch was geschieht eigentlich, wenn wir in den Zustand der Bewusstlosigkeit wechseln, und wie finden wir in die Welt zurück? Wie begegnen wir dem tragischen Paradox, dass der Schlaf sich umso mehr entzieht, je stärker er ersehnt und herbeigerufen wird?
3. Wo bin ich, wenn ich schlafe?
Bild: © Lissy Laricchia
Was geschieht im Schlaf mit unserem Bewusstsein? Diese Frage beschäftigt Philosophen seit Langem, heute gehen ihr auch Neurowissenschaftler und Psychologen auf den Grund. Macht das Denken eine Pause, die dem Tod gleicht, oder verwandelt es sich lediglich? Und wenn man schlafend entweder nichts oder ganz anderes als im Wachzustand denkt, wer ist es dann, der da in meinem Bett liegt: ich, ein anderer oder vielleicht niemand?
4. Was lernen wir aus unseren Träumen?
Bild: © Max Slobodda
Träume sind Bilderfolgen, die uns ereilen, wenn wir schlafen. Was sagen uns diese Halluzinationen? Nichts weiter, meinen manche Wissenschaftler. Die von Freud inspirierte Philosophie indes erkennt in ihnen mehr als nur neuronales Feuer: Traumbilder geben uns Aufschluss über unsere geheimen Wünsche und Triebe. Oder irrte die Psychoanalyse, indem sie den Traum vornehmlich individuell deutete, nicht aber als kollektive Wahrheit, die uns Wege aus Krisen zu weisen vermag?
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Alle Texte in der Übersicht
Intro
Und wie war Ihre Nacht?
Ist der Schlummer eine Unterbrechung der Welterfahrung, der Vorschein des Paradieses oder das Portal zur höheren Erkenntnis? Denkerinnen und Denker erzählen von ihrem Verhältnis zum Schlaf.

Über Wachen und Schlafen
Wacht endlich auf! Diese Forderung findet sich heute in der gesamten Gesellschaft, bei Progressiven und Konservativen, bei Woken und Querdenkern. Die inflationäre Ausbreitung dieser Metapher offenbart vor allem eines: eine Hypnophobie, die von der Inspirationskraft der Träume nichts mehr weiß.

Wache Geister, müde Geister
Wie hältst du’s mit dem Schlaf? In der Antwort auf diese Frage offenbart sich das Wesen eines Philosophen, sein Verhältnis zu Vernunft und Geheimnis, Arbeit und Genuss. Drei Positionen von der Antike bis zur Gegenwart.

Warum sind wir so müde?
Jonathan Crary: „Die Krise des Schlafs ist auch eine Krise der Erde“
Wie steht es um den Schlaf in einer Welt, die keinen Stillstand mehr kennt? Jonathan Crary warnt vor der Bedrohung der Regeneration von Mensch und Natur in der westlichen Moderne. Im Gespräch erklärt er, mit welchen technologischen Entwicklungen der Stillstand abgeschafft wurde und warum Träume einst eine kollektive Dimension hatten.

Die Erschöpfung bleibt am Tisch sitzen
Ausgebrannt und dauermüde – so fühlt sich heute ein Großteil der Menschen in den westlichen Wohlstandsgesellschaften. Doch warum ist das eigentlich so?

Georges Vigarello: „Es gibt eine Besessenheit, was die Schlafqualität betrifft“
Ist Mittagsschlaf schädlich? Darf man beim Schlummern auf dem Rücken liegen? Die Antworten auf diese Fragen, so zeigt Georges Vigarello, haben sich im Lauf der Geschichte radikal gewandelt. Noch nie jedoch war der Schlaf mit so vielen Erwartungen überfrachtet wie in unserer Gegenwart.

Wie gut einschlafen?
Albrecht Vorster: „Der Schlaf eint alle lernfähigen Lebewesen“
Gut ein Drittel unseres Lebens verbringen wir schlafend. Doch wozu eigentlich? Und was passiert in unserem Gehirn, wenn wir nicht bei uns sind? Der Schlafforscher Albrecht Vorster über mentale Aufräumarbeit, schlummernde Meeresschnecken und menschliche Biorhythmen.

Der Preis der Ruhe – Ein Selbstversuch
Das Vertrackte am Einschlafen: Je mehr man es will, desto weniger gelingt es. Aber vielleicht gibt es ja doch einfache Lösungen für die durchwachten Nächte? Tilman Rammstedt testet drei Produkte, die endlich Ruhe versprechen.

Rezepte zum Einschlafen
Was tun, wenn die ersehnte Nachtruhe partout nicht eintreten mag? Drei Methoden zum Eindämmern von Pythagoras, Emmanuel Lévinas und Emil M. Cioran.

Das Rätsel des Übergangs
Wie kann ein Bewusstsein in den Schlaf sinken – und wieder aufwachen? Auf diese von Marcel Proust gestellte Frage antworten zwei der berühmtesten Existenzialisten der Nachkriegszeit: Jean-Paul Sartre und Maurice Merleau-Ponty. Eine Debatte, in der zwei Auffassungen vom Körper, vom Bewusstsein und von der Existenz aufeinanderprallen.

Wo bin ich, wenn ich schlafe?
Alva Noë: „Wir sind in Träumen so begrenzt wie im echten Leben“
Im Schlaf sind wir da und doch nicht da. Der Philosoph und Kognitionswissenschaftler Alva Noë erklärt, warum der Schlaf die Unterscheidung von Aktivität und Passivität unterläuft und wir die Autoren unserer Albträume sind.

Zwilling des Todes
Schon immer wurden Schlaf und Tod miteinander in Verbindung gebracht. Das löst gegensätzliche Reaktionen aus: Für die einen ist der Schlaf der Feind der Lebensfülle, für die anderen ein Zustand glückseliger Ruhe. Darin zeigt sich das grundlegende Dilemma unseres Lebens.

Die Verletzlichkeit der Schlafenden
Ob man mit verkrampfter oder glückseliger Miene schläft, Seufzer oder Wortfetzen von sich gibt – wenn die Wachsamkeit endet, fallen die sozialen Masken.

Denken im Schlaf
Gibt es mein Ich im Schlaf überhaupt noch oder hören wir gar auf zu existieren? Drei Philosophen antworten.

Dämmern der Zukunft
Wer ans Träumen denkt, denkt üblicherweise an Nachttraum oder Fantasterei. Dabei verdient besonders der Tagtraum unsere Aufmerksamkeit, meint Ernst Bloch. Erfüllt er vier Kriterien, ist er es, der uns in eine bessere Zukunft führt.

Was lernen wir aus unseren Träumen?
Christoph Türcke : „Denken war ursprünglich Halluzination“
Für Christoph Türcke ist der Traum nicht nur das Tor zum Unbewussten: Die nächtlichen Fantasien erlauben auch Rückschlüsse auf die menschliche Frühzeit, in der das Bewusstsein entstand. Heute droht durch die visuellen Medien ein Rückfall in diese Vergangenheit.

Die Träume der Philosophen
Wer philosophiert, muss bei wachem Verstand sein. Doch es gibt Träume, die das Leben der Denker beeinflussen, gar Philosophiegeschichte schreiben. Ein Blick hinter den nächtlichen Schleier.

Tagebuch der Nacht
In der Moderne machte die Psychoanalyse eine folgenreiche Entdeckung. Das scheinbar Fremde der Träume ist ein Fremdes im Eigenen: das Unbewusste. Wie kommt man ihm auf die Spur? Auf welche Überraschungen stößt man, wenn man einen Monat lang seine Träume sammelt und interpretiert? Selbstversuch einer psychoanalytischen Traumdeutung mit Sigmund Freud und seinen Nachfolgern Carl Gustav Jung und Jacques Lacan.

Realer als man denkt
Seit Freud gilt die Traumdeutung als Metier der Psychoanalyse. Doch was, wenn Ursachen für unsere Leiden gar nicht in unserer Psyche und Familie zu finden sind, sondern in politischen Missständen? Bernard Lahire meint: Es braucht eine Soziologie des Traums.

Der Traum lebt vom anderen
Im Schlaf mögen wir allein und isoliert wirken, doch auch dann sind wir soziale Wesen. Bereits in der Antike versuchten Menschen, im Schlaf ihre Probleme zu lösen, und für indigene Völker sind Träume ein natürlicher Raum der Interaktion. Wie erlangt unser nächtliches Leben Bedeutung, wenn nicht durch seine Interpreten? Wir träumen nie allein.
