Denken im Schlaf
Gibt es mein Ich im Schlaf überhaupt noch oder hören wir gar auf zu existieren? Drei Philosophen antworten.
Die Seele denkt immer
René Descartes
(1596 – 1650)
Descartes hatte sich bereits 1641 im Zuge seiner Suche nach gesicherten Fundamenten der Erkenntnis in den Meditationen mit der Frage auseinandergesetzt, wie sich der Wachzustand vom Schlaf unterscheidet. Schließlich werden wir uns auch im Traum meist nicht gewahr, dass wir träumen, und halten das Geträumte fälschlicherweise für die Realität. Erst beim Aufwachen bemerken wir, dass das für real Gehaltene ein Traum war. Daher, folgert Descartes, könnte es möglich sein, dass wir die ganze Zeit träumen, aber niemals aufwachen. Auf der Suche nach gesicherten Fundamenten der Erkenntnis wendet Descartes den methodischen Zweifel an. Als solch gesichertes Fundament der Erkenntnis hält er das Cogito fest: „Cogito ergo sum“, also: Solange ich denke und mir reflexiv selbst gewahr werden kann, weiß ich unzweifelhaft, dass ich existiere. Die res cogitans, die denkende Substanz, als die Descartes das Ich in Abgrenzung zur Außenwelt und zum Körper bestimmt, besteht in Denkakten. Auch das Träumen zählt für Descartes zu solchen Akten des Geistes, auch wenn wir uns der Irrealität der Traumsituation nicht bewusst werden: Es ist immer noch das Ich, das träumt, ebenso wie es das Ich ist, das sich bei Täuschungen der Wahrnehmungen irrt. Doch wie verhält es sich mit dem Ich im Tiefschlaf, wenn wir nicht mehr träumen? Wenn wir nur existieren, solange wir denken, hören wir dann im Tiefschlaf ohne Bezeugung des eigenen Ichs auf zu existieren? Nein, so Descartes, denn die Seele als denkende Substanz denkt immer, auch wenn wir uns nicht daran erinnern können – etwa im Mutterleib oder im Schlaf. Die Gedanken laufen zwar während des Schlafs bewusst ab, aber werden wieder vergessen. Das Ich hört also im Schlaf nicht auf zu existieren oder zu denken, es verbleiben lediglich keine Überreste der Gedanken in der Erinnerung.
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