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Bild: ZUMA Press Wire (Imago)

Reihe

Hauptsache dagegen?

Dieter Thomä veröffentlicht am 22 Januar 2025 4 min

Mit dem Präfix „Anti-“ ruft Dieter Thomä die kämpferischste aller Vorsilbe zum Gefecht auf, die sich entschlossen gegen Versöhnung und Positivität stellt. „Erstmal dagegen“ ist die verweigernde Haltung des „Anti-“, die somit nicht davor gefeit ist, in ein stures Ablehnen zu kippen. 

 

Dieter Thomä ist ein Pionier der Prefix Studies. Seine wöchentliche Reihe über Avant-, Anti-, Re-, Ko-, De-, Dis-, Neo-, Spät-, Trans-, Meta-, Post- ist gleichzeitig der Countdown zu seinem Buch Post-. Nachruf auf eine Vorsilbe, das im März bei Suhrkamp erscheint.

Lesen Sie hier alle bisher erschienen Texte der Reihe.


 

„Anti-“

 

Die Vorsilbe „Anti-“ ist eine Mehrzweckwaffe. An vielen Fronten innerhalb und außerhalb der Philosophie sorgt sie für Kampfstimmung und entfaltet – im Guten, aber auch im Schlechten – eine hohe mobilisierende Kraft. Man denke an „Antifaschismus“, „Antiimperialismus“, „Antikapitalismus“, „Antikommunismus“ oder „Antisemitismus“. Hält man sich an Buchtitel, dann findet man zusätzlich den Anti-Machiavel Friedrichs des Großen von 1740, den Anti-Ödipus von Gilles Deleuze und Félix Guattari aus dem Jahr 1972 sowie Pragmatismus als Antiautoritarismus, ein aus dem Nachlass veröffentlichtes Hauptwerk Richard Rortys.

Die Philosophie im engeren Sinn hat neben „Antirealismus“, „Antireduktionismus“ und „Antiskepsis“ zwei große Klassiker zu bieten: die „Antinomien“, die Immanuel Kant in der Kritik der reinen Vernunft vorführt, und vor allem die „Antithese“, die seit Sokrates zur Standardausstattung der dialektischen Methode gehört. Zusammen mit ihren Verwandten, dem Widerspruch und dem Gegensatz, hat die Antithese bei Hegel, Marx und vielen anderen reüssiert. Während Sokrates sich in seinen Dialogen oft mit Aporien zufrieden gab, drängen seine neuzeitlichen Nachfolger freilich darauf, den Nahkampf zwischen These und Antithese auf einer höheren Ebene zu befrieden, nämlich dort, wo die Synthese lockt. Glaubwürdig und standfest ist solch eine Synthese nur, wenn sie nicht für einen faulen Kompromiss steht, sondern aus der Hitze der Auseinandersetzung hervorgeht, wenn der „Geist“ also, wie Hegel sagt, „das Negative ins Auge fasst und mit ihm kämpft“. These und Antithese sollen sich aneinander abarbeiten, bis sich eine neue Gemeinsamkeit ergibt. Theodor W. Adorno hat sich schweren Herzens mit dem „Negativen“ begnügt. 

 

Keine Zwischentöne, nichts Unschlüssiges

 

Während viele andere Vorsilben (wie zum Beispiel Avant-, Neo- oder Post-) eine zeitliche Differenz eröffnen, ist „Anti-“ ganz auf Gegenwart gepolt. Jetzt gilt’s! Damit man gegen etwas sein kann, muss es einen Gegner geben, sonst wirkt der eigene Einsatz wie das Spiel auf einer Luftgitarre. Gelegentlich neigen „Anti-Typen“ dazu, ihren Gegner krampfhaft am Leben zu erhalten, um zu verhindern, dass die Kampfmoral schwindet. Ein trauriges Beispiel dafür liefert die DDR, in der die Berliner Mauer offiziell als „antifaschistischer Schutzwall“ bezeichnet wurde.

Wie kaum eine andere Vorsilbe ist „Anti-“ in der Lage, wilde Entschlossenheit zum Ausdruck zu bringen. Hier gibt es kein Zögern und Zaudern, keine Zwischentöne, nichts Unschlüssiges. Es ist kein Zufall, dass es zwar Antialkoholiker gibt, aber keine Transalkoholiker, denn wenn es ums Saufen geht, muss man sich entscheiden, und von Letzteren wüsste man gar nicht, wofür sie stehen. In eine ähnliche Richtung weist der Unterschied zwischen „Anti-“ und Postfaschisten. Während Erstere klare Kante zeigen, drücken sich Letztere vor einer Stellungnahme und nutzen das Schlupfloch, Traditionen zu pflegen, ohne sich ausdrücklich zu ihnen bekennen zu müssen.

 

„Viele Anti-Typen sind Schwächlinge in der Schale von Kraftmeiern“

 

Es fällt auf, dass die Vorsilbe „Anti-“ ihr positives Gegenstück, die Vorsilbe Pro-, glatt aussticht. Letztere hat keine Chance auf Mitgliedschaft in der ersten Liga. Für etwas zu sein, wirkt vergleichsweise langweilig. Im politischen Diskurs gibt es wohl nur eine einzige prominente Pro-Kombination, nämlich die englische Parole „pro-choice“. Hier spricht man sich dafür aus, dass Frauen sich dafür oder eben auch dagegen entscheiden dürfen, eine Schwangerschaft auszutragen. So steckt in pro-choice doch auch ein „Anti-“. Ansonsten ist bei Pro- deshalb nicht viel zu holen, weil es in vielen Verbindungen eigentlich gar nicht als Stellungnahme „für“ etwas gemeint ist, sondern eine Situation „vor“ etwas beschreibt. Dies gilt zum Beispiel für Problem und Protest. Der Protest geht etymologisch auf das Zeugnis vor Gericht zurück, aber in der politischen Praxis heute geht es fast immer um den Protest gegen etwas. Der Urtyp aller Pro-Kombinationen ist Prometheus, der große Menschenhelfer. Auch in seinem Namen steckt nicht die Befürwortung, immerhin aber das Vorwärtsstreben, das ihn von seinem Bruder Epimetheus unterscheidet. In der Begriffsgeschichte hat diese Idee außer in der abgegriffenen Rede von proaktiven Maßnahmen kaum Früchte getragen.

Zum Erfolg von „Anti-“ hat beigetragen, dass der Kampf gegen Feinde und das Ausmalen von Feindbildern für soziale Kohäsion sorgt. Dass diese Einigkeit sich einem Gegenspieler verdankt, ist freilich peinlich, denn damit verhaken sich die Menschen in dem, wogegen sie sich wenden. Auch deshalb heißt es in einem Zeitungsartikel aus dem Oktober 1848, den – vielleicht – der Dichter und Revolutionär Charles Baudelaire verfasst hat, der „Antagonismus“ sei eine „böse Idee“. Viele Anti-Typen sind Schwächlinge in der Schale von Kraftmeiern. Sie stürzen sich in den Kampf, haben aber keine Ahnung, wofür sie eigentlich sind, und geraten in tiefe Ratlosigkeit, wenn ihr Kampf gewonnen ist. Aus Angst davor suchen sie sich möglichst rasch irgendeinen neuen Gegner, den sie dann verbiestert bekämpfen können. Spätestens dann wirkt die Anti-Haltung borniert. Mit ihr ist kein Staat zu machen und auch kein Spiel zu gestalten. •

Aktueller Tabellenplatz: früher Spitzengruppe, jetzt unteres Drittel
Wichtige Leistungsträger: Antithese, Antifaschismus, Antikommunismus
Besondere Eigenschaft: Stark im Angriff, aber keine eigene Linie

 

Dieter Thomä ist emeritierter Professor für Philosophie an der Universität St. Gallen und lebt in Berlin. Mitte März erscheint bei Suhrkamp sein Buch „Post-. Nachruf auf eine Vorsilbe“.

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