Direkt zum Inhalt
Menu Top
    loginAnmelden shopping_basketHefte kaufen assignment_addAbonnieren
Navigation principale
  • Startseite
  • Impulse
  • Essays
  • Philo.live!
  • Gespräche
  • Hefte
  • Sonderausgaben
  • Philosophen
  • Begriffslexikon
  • Bücher
  • Kulturanzeiger
rechercher
 Philosophie Magazin - Impulse für ein freieres Leben
Menu du compte de l'utilisateur
    loginAnmelden shopping_basketHefte kaufen assignment_addAbonnieren
Navigation principale
  • Startseite
  • Impulse
  • Essays
  • Philo.live!
  • Gespräche
  • Hefte
  • Sonderausgaben
  • Philosophen
  • Begriffslexikon
  • Bücher
  • Kulturanzeiger
Tag - Body

Bild: Philomag-Redaktion; Vorlage: Gemma Chua-Tran

Impuls

Identitätspolitik à la Amazon

Norman Marquardt veröffentlicht am 25 Oktober 2021 4 min

Über sein „support small businesses“-Programm fördert Amazon in den USA gezielt Shops, die von Frauen, Schwarzen oder Veteranen geführt werden. Was Einzelnen tatsächlich helfen kann, nutzt am Ende aber vor allem Jeff Bezos.

 

Amazon wird woke. Seit Mitte des Jahres gelten für Prime-Film- und Serienproduktionen neue Diversity-Richtlinien. Frauen sollen mehr kreative Verantwortung tragen, Charaktere, die eine sexuelle, religiöse oder ethnische Minderheit repräsentieren, nur noch mit Darstellenden besetzt werden, die diese Identität teilen. Produktionen, die sich nicht an die Vorgaben halten, werden nicht gekauft. Trotz der Eingriffe in die Kunstfreiheit und das Filmhandwerk wirken die Richtlinien der mangelhaften Repräsentation von Minderheiten durchaus wirksam entgegen – und haben dabei auch eine ökonomische Dimension. Denn die Diversity-Regeln versprechen den strukturell benachteiligten Bevölkerungsgruppen innerhalb der Filmbranche vor allem eines: Jobs.

Jetzt startet Amazon in den USA die nächste Identitätsoffensive. Das „support small businesses“-Programm fördert bereits seit einiger Zeit  bestimmte Bevölkerungsgruppen, bisher woman-, family-, und military family-owned businesses (Versandshops von Veteranen). Im Juni 2021 bekamen nun auch black owners ihre eigene Kategorie. Gegen die Vorlage eines staatlich ausgestellten Zertifikats können von den Kleinunternehmen zudem finanzielle Unterstützungen, Mentoringangebote und kostenlose Promotion-Aktionen in Anspruch genommen werden. Im Einzelfall kann all das eine große Hilfe sein.

Amazons neue Sorge um Identitäten lässt sich mit der Philosophin Nancy Fraser als exemplarischer Ausdruck des „progressiven Neoliberalismus“ fassen. Fraser bezeichnet damit den politischen Schulterschluss zwischen neuen sozialen Bewegungen und einflussreichen Unternehmen aus dem Service- und Kultursektor. Dem progressiven Neoliberalismus gelänge es durch kleine Zugeständnisse an feministische, ökologische und anti-rassistische Bewegungen, ein neues Bündnis zwischen Wall Street, kleinen Unternehmen, einkommensstarken suburbanites und gut gebildeten jungen Menschen zu schmieden. Für Fraser beschränkt sich diese Strategie jedoch stets auf die Förderung von Individuen. Organisierte Forderungen nach kollektiver Umverteilung oder betrieblicher Demokratisierung sollen durch sie verhindert werden. Bereits Audre Lorde, die den Begriff der Identität erstmals politisch erschließen wollte, hatte in eine ähnliche Richtung argumentiert. Die 1992 verstorbene Schriftstellerin und Aktivistin warnte bereits in den 80er Jahren progressive Kräfte vor den Verführungen einer „unvollständigen Vision“.

 

Identitätspolitischer Treppenwitz

 

Lorde selbst stand zwischen verschiedenen Identitäten. Sie war eine afroamerikanische, lesbische Schriftstellerin, die sozialistische Ideen vertrat und Mutter zweier Kinder aus einer Ehe mit einem schwulen, weißen Mann. „In der Regel gab es immer einen Teil von mir“, beschrieb sie ihren Alltag, „der garantierte, dass ich die bequemen Erwartungen verletzen würde, die andere von meiner Rolle hatten.“ Mit einem gestärkten Bewusstsein für Identität wollte Lorde die zersplitterten Bürgerrechtsbewegungen miteinander ins Gespräch kommen lassen und eine starke Zusammenarbeit zwischen radikalen Kräften ermöglichen. Differenz im Konkreten anzuerkennen und zu akzeptieren, so Lordes Hoffnung, sollte zur grundsätzlich geteilten Erkenntnis führen, „dass es in jedem Menschen irgendeinen Teil von Menschlichkeit gibt, der weiß, dass uns die Maschinerie nicht dient, die alle unsere Zukunft zu Staub zermalmt.“

Amazons Geschäftsmodell mit seinem System an Subunternehmen,  in den USA noch immer fehlenden Gewerkschaften und fragwürdigen Zuliefererverträgen verfolgt nunmehr eine hochgradig kuratierte Identitäts- und Sichtbarkeitspolitik. In ihr tritt zurück, wer über das Privileg der Sichtbarkeit entscheidet: Nämlich die meist männlichen Manager und Investoren, die von Zugeständnissen an progressive Kräfte am stärksten profitieren. Bei der siebenköpfigen Spitze der Amazon-Hierarchie, in der immerhin auch eine Frau sitzt, hört Diversity auf. Mit dem beherzten Griff in den Begriffsvorrat der Identitätspolitik eignet sich Amazon eine der Idee nach oppositionelle Strategie an. Die Fakten sprechen für sich: In der Pandemie verzeichneten US-amerikanische minority-owned businesses einen rund 15% stärkeren Umsatzeinbruch als die weißer Inhaberinnen und Inhaber, während die Arbeitslosigkeit insbesondere von Frauen und jungen Menschen weltweit noch immer ansteigt, verdreifachte sich im ersten Quartal 2021 der Gewinn Amazons im Verhältnis zum Vorjahr – und CEO Jeff Bezos flog mit Cowboyhut ins All.

Bezos Space-Western-Ästhetik ist ein identitätspolitisch äußerst aufschlussreicher Treppenwitz. In ihrer halbironischen Verschmelzung von Technik-, Tourismus- und Siedlernarrativen zeigt sich das, was die Soziologin Raewyn Connell „hegemoniale Männlichkeit“ nennt. In ihrem programmatischen Aufsatz Masculinities and Globalization versuchte die Forscherin sich bereits 1998 einer „global gender order“ zu nähern. Ein Blick auf das Lokale, so ihre These, sei in einer globalisierten Welt nur bedingt aussagekräftig. Heute beforscht sie deshalb vor allem Personen im höheren und mittleren Management sowie aus dem Finanzsektor. Hier werde jene hegemoniale Männlichkeit gelebt, an der sich alle anderen Identitäten zu messen hätten. Nämlich das Ideal des ehrgeizigen und flexiblen Managers.

 

Entschärfte Sprengkraft

 

Lokale small-businesses, die Amazon als primären Vertriebsweg nutzen, sind de facto allesamt halb-autonome Einheiten im selben Konzern. Die Identitätspolitik der Chefetage ist innerhalb einer solchen Struktur das neoliberale Äquivalent zur Politik des starken Mannes. Ein wohlwollender Patriarch nimmt sich den Schwächsten an, was deren Abhängigkeit von ihm nur weiter verstärkt. Der Auftritt der kategorisierbaren Identitäten spielt diesem zentralistischen Führungsstil zu, denn eine Auseinandersetzung mit den Unternehmensrealitäten wird so hinfällig. Die tatsächlichen Produktionsbedingungen und Geschäftskulturen der selbstverwalteten Mini-Unternehmen, ob die Ressourcen aus nachhaltigem Anbau kommen oder der Betrieb familienfreundlich geführt wird, wie offen er Gegenkulturen begegnet und lebt, verschwinden hinter einem symbolischen „Tokenismus“, wodurch die Komplexität menschlichen Miteinanders auf ein handhabbares Maß reduziert wird.

Connell unterstreicht in ihrer Arbeit, dass die Männer des gehobenen Managements es lieben, Regeln aufzustellen, Ziele zu vereinbaren, die effektivsten Lösungen zu errechnen. In dieser Geradlinigkeit gründet ihre Autorität. Vermag man bei dieser Inszenierung von Freiheit mitzuspielen, erwarten den Einzelnen durchaus Profite. Identität als mehrdeutige, politische Kategorie von weitreichender Sprengkraft wird in ihr allerdings entschärft zu einem technischen Problem. Amazons Diversity-Offensiven bringen so immerhin eine Erkenntnis: Die Identität, die die Männer des Managements in ihren Spielen bereit sind anzuerkennen, ist vornehmlich die der owner mit ihren Geschäften. Mit dieser Identität – oder besser: Identifikation – lässt sich arbeiten. Die Menschen und ihre Widersprüche sind aus ihr herausgekürzt. •

  • E-Mail
  • Facebook
  • Linkedin
  • Twitter
  • Whatsapp
Anzeige
Tag - Body

Weitere Artikel

Artikel
3 min

Behaglich in den Abgrund blicken

Marianna Lieder 01 Oktober 2019

In seinem Gruppenportrait erzählt Stuart Jeffries von der Exil-Lebenswelt der Frankfurter Schule

Stuart Jeffries
Grand Hotel Abgrund: Die Frankfurter Schule und ihre Zeit
übers. v. S. Held, Klett-Cotta, 560 S., 28 €

 


Impulse
6 min

Metaverse: Die Welt ist nicht genug

Johan Wientgen 17 November 2021

Mark Zuckerberg will mit seinem Metaverse-Projekt eine buchstäblich neue Welt erschaffen. Diesen Frontier-Gedanken teilt er mit Elon Musk und Jeff Bezos. Für den Planeten hat das potentiell fatale Folgen.

Metaverse: Die Welt ist nicht genug

Salon
4 min

„Small Things Like These“ – Schmutz der Vergangenheit

Friedrich Weißbach 16 Februar 2024

Am Donnerstag wurde die 74. Berlinale mit dem Film Small Things Like These des belgischen Regisseurs Tim Mielants eröffnet. Das Kammerspiel erzählt die Geschichte der irischen Magdalenenheime, vermeintliche Besserungsanstalten für ehelos schwangere Frauen, und wirft so einen wichtigen wie sensiblen Blick auf ein oft unterbelichtetes gesellschaftliches Thema.

„Small Things Like These“ – Schmutz der Vergangenheit

Impulse
9 min

Sind die USA faschistisch?

Friedrich Weißbach 19 Mai 2025

In seinem kürzlich ins Deutsche übersetzten Buch Spätfaschismus entwirft der italienische Kulturkritiker Alberto Toscano ein gleichnamiges Konzept, um damit das aktuelle System in den USA zu beschreiben. Doch kann man die USA tatsächlich als faschistisch bezeichnen? Eine Lesenotiz von Friedrich Weißbach.

Sind die USA faschistisch?

Gespräch
15 min

Steffen Mau: „Wut kann Impulse setzen, aber keine Probleme bearbeiten“

Nils Markwardt 15 April 2021

Fragen der Identitätspolitik werden oft so kontrovers diskutiert, dass die Grautöne verschwinden. Der Soziologe Steffen Mau wirft im Gespräch einen differenzierten Blick auf die Debatte und erklärt, warum Sozial- und Identitätspolitik keine Gegensätze sind, er seinen Studierenden dennoch den „S-Bahn-Ring-Test“ empfiehlt.  

Steffen Mau: „Wut kann Impulse setzen, aber keine Probleme bearbeiten“

Artikel
3 min

Nichts als Einbildungen?

Baruch de Spinoza 20 Mai 2024

In seinem 1670 anonym veröffentlichten Theologisch-politischen Traktat kritisiert Spinoza die Bibel als ein Werk, das vor allem politische Macht begründet. Dafür nutzt er auch jene Erzählungen, auf denen das Pfingstfest gründet.

Nichts als Einbildungen?

Artikel
11 min

Wir wollen mehr - aber wovon?

Nils Markwardt 01 August 2017

Ratgeber empfehlen heute zwei Dinge: schneller, effizienter und erfolgreicher oder aber bewusster, gelassener und achtsamer zu leben. Doch betrifft die Frage nach mehr oder weniger oft gar nicht den Einzelnen, sondern die ganze Gesellschaft. Gerade in den zentralen Bereichen des Konsums, der Arbeit oder der Demokratie.


Artikel
16 min

Karten für eine neue Welt

Alexandre Lacroix 15 August 2014

Gunnar Olsson hat sein Leben damit verbracht, Geografie zu lehren und das heißt in seinem Fall vor allem: Karten zu analysieren. Nach seiner Emeritierung im Jahr 2000 nutzte er die folgenden fünf Jahre dazu, ein Buch zu schreiben, so innovativ und fremdartig, dass es sich in keine Schublade einordnen lässt:


Artikel aus Heft Nr. 61 Dezember/Januar 2022 Vorschau
Anzeige
Tag - Body
Hier für unseren Newsletter anmelden!

In einer Woche kann eine ganze Menge passieren. Behalten Sie den Überblick und abonnieren Sie unseren Newsletter „Denkanstöße“. Dreimal in der Woche bekommen Sie die wichtigsten Impulse direkt in Ihre Inbox.


(Datenschutzhinweise)

Jetzt anmelden!
Anzeige
Tag - Body

Fils d'ariane

  1. Zur Startseite
  2. Artikel
  3. Identitätspolitik à la Amazon
Philosophie Magazin Nr.Nr. 84 - September 2025
Philosophie magazine : les grands philosophes, la préparation au bac philo, la pensée contemporaine
Oktober/ November Nr. 84
Vorschau
Philosophie magazine : les grands philosophes, la préparation au bac philo, la pensée contemporaine
Rechtliches
  • Werbung
  • Datenschutzerklärung
  • Impressum
Soziale Netzwerke
  • Facebook
  • Instagram
  • Twitter
  • RSS
Philosophie Magazin
  • Über uns
  • Unsere App
  • PhiloMag+ Hilfe
  • Abonnieren

Mit unseren Denkanstößen philosophische Ideen regelmäßig in Ihrem Postfach

Jetzt anmelden!