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Bild: Tumisu (Pixabay)

Impuls

Kontrollier' mich

Birthe Mühlhoff veröffentlicht am 07 Juni 2021 6 min

Bei der App NewNew bezahlen Menschen dafür, um zu entscheiden, was andere Menschen essen, trinken oder einkaufen. Klingt wie der Albtraum der Kulturkritik – wirft aber vor allem die Frage auf, wer davon am meisten profitiert.

 

Wenn ich einen Kuchen backe und ihn alleine aufesse, ist er dann lecker gewesen? Wenn ich mir großartige weiße Stiefel kaufe und niemand sieht mich darin, was sind sie dann wert? Wenn ich ein lustiges Foto mache und es nicht in den Sozialen Medien teile, ist es dann noch lustig? Der Wert des eigenen Handelns verändert sich, wenn man dabei gesehen wird. Wie in dem Gedankenexperiment von Schrödingers Katze, die so lange lebendig und tot zugleich bleibt, bis jemand in die Kiste guckt und ihren Zustand begutachtet, macht es einen Unterschied, ob wir etwas ganz alleine oder im Beisein von anderen Menschen tun. Wie viel Macht hat die Beobachtung über die Wirklichkeit?

Die Sozialen Medien bedienen diese Logik: Das Sehen und Gesehenwerden, das Zurschaustellen und die Erwartung einer Reaktion sind die Grundlagen von Facebook, Twitter, Instagram und TikTok. Macht man es sich zur Gewohnheit, selbst alltägliche Kleinigkeiten online zur Debatte zu stellen, können uns diese Apps, wenn man es einmal nicht tut, sogar das Gefühl geben, dass etwas ganz Entscheidendes fehlt. Vielleicht wird es umso schwieriger allein vor sich hinzuwerkeln und dabei zufrieden zu sein, je einfacher es ist, Erlebnisse mit anderen Menschen zu teilen.

Eine neue App mit dem plakativ unkreativen Namen NewNew setzt dem Prinzip, andere Menschen am eigenen Leben teilhaben zu lassen, nun die Krone auf. Wer bereits eine kleine Fangemeinde im Internet besitzt oder diese anstrebt, kann hier unter dem Slogan „Control My Life“ Fragen des täglichen Lebens zur Abstimmung stellen. Für die Abgabe ihrer Stimme zahlen die Follower fünf Dollar. Influencer und TikToker können ihren Internetruhm ein weiteres Mal monetarisieren – während die Follower das Gefühl genießen, Anteil und Einfluss auf das Leben von jemanden zu nehmen, den sie bewundern. Die Lust daran, bei dem was man tut, gesehen zu werden, ist hier noch gesteigert: Andere Menschen kommentieren nicht nur, was ich gerade mache, sie sind in meine Entscheidung, was ich tun soll, eingebunden. Die bislang hochgeladenen PR-Videos, in denen sich die Influencer präsentieren und dazu aufrufen, die Kontrolle über ihr Leben zu übernehmen, bestechen in der Mehrzahl dadurch, zu handfesten Klischees erstarrte Geschlechterrollen vorzuführen. Junge Frauen wünschen sich vor allem tatkräftige Entscheidungshilfe bei der Auswahl ihres Outfits, junge Männer Unterstützung beim Workout oder Inspiration für ihre nächsten Durchsagen im Drive-In eines Fastfood-Restaurants.

 

Schutzfaktor: Meta-Ironie

 

Verpflichtet, dem Abstimmungsergebnis Folge zu leisten, ist der Influencer nicht. Genau genommen handelt es sich also eher um eine Meinungsumfrage als um eine Willensbildung per Abstimmung. Trotzdem wird es wohl genug Leute geben, die bei diesem Geschäftsmodell die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Die App, zu deren Investoren Silicon-Valley-Guru Peter Thiel und Schauspieler Will Smith gehören, dürfte deshalb der Albtraum des Kulturkritikers sein, eine Orwell’sche Dystopie, das Sinnbild für selbstgewählte Unmündigkeit und kollektive Zeitverschwendung im Spätkapitalismus. Anstatt zu lesen, sich zu bilden, es in irgendeiner Tätigkeit zu einer Meisterschaft zu bringen, machen jetzt also junge Leute kleine Videos von sich, in denen sie die Frage zur Abstimmung stellen, ob sie lieber Pepsi oder Coca-Cola trinken sollen. Und was, wenn es nicht bei so harmlosen Abstimmungen bleibt?

Die Macher der App betonen, die App sei in erster Linie für jene Kreativen konzipiert, die ihre Fans in künstlerische Entscheidungen einbeziehen möchten, beispielsweise darüber, wie der Protagonist ihrer nächsten Kurzgeschichte heißen soll. „Zu wissen, dass dein Lieblingskünstler aufgrund deiner Stimme ein Bild in Blau und Pink gemalt hat, wäre ein echt cooles Ding für viele Leute“, sagt die kanadische Gründerin Courtne Smith. Auch hier würde ein strammer Kritiker wohl den Einwand geltend machen, dass mit solchen Methoden keine weltbewegenden Geschichten und Gemälde zustande kommen.

Doch solche Vorbehalte perlen an NewNew ab als wäre die App gegen jede Form der Kulturkritik imprägniert. Und je größer der Ernst, mit dem solche Einwände vorgetragen werden, desto lächerlicher wirken sie. Meta-Ironie macht immun gegen Kritik: Denn Apps wie NewNew spielen ja gerade damit, dass sie ziemlich bescheuert sind. Auf den Social-Media-Experte Matt Navarra wirkt die App daher wie das uneheliche Kind von TikTok und Big Brother.

 

Mikro-Prominenz

 

Und wem genau will man hier eigentlich einen Vorwurf machen? Dass viele Leute, gerade junge Freischaffende und Kreative, ökonomisch unter Druck stehen, ist selten ihre Schuld. Die schwierige finanzielle Situation, die Einsparungen im Kulturbereich, die weitgehende Inexistenz gewerkschaftlicher Strukturen in der Gig-Economy hat sich keiner der Betroffenen selbst ausgesucht. Während der Pandemie, als gerade in dieser Branche die Jobs und Aufträge wegbrachen, erlebte OnlyFans einen Boom. Auf der Plattform kann man gegen Geld Fotos und Videos mit erotischem oder pornographischem Inhalt für seine Abonnenten hochladen. Höchstens über die Einfallslosigkeit könnte man sich bei NewNew wundern – zumal es mit Plattformen wie Patreon, Bandcamp oder Steady bereits zahlreiche Versuche gibt, Einkommensmöglichkeiten für Kreative im Internet zu schaffen. Selbsterniedrigung ist zwar mitunter wirklich das letzte Mittel der Wahl, aber viel zu oft nur das naheliegende und einfachste.

In den frühen Nullerjahren kam der Begriff der Mikro-Prominenz auf. Damit waren, wie in den Anfangsjahren des Internets, noch einige Hoffnungen verbunden: Auf einmal war es möglich, Aufmerksamkeit zu erregen, einen Bekanntheitsgrad zu erlangen und damit auch Geld zu verdienen, ohne dass man auf Institutionen, Manager und Kontakte in die althergebrachten Medien angewiesen war. Nicht nur für die Mikro-Promis versprach dieses durch die Sozialen Medien ermöglichte Modell eine Befreiung, auch die Fans würden nicht mehr das Gefühl haben müssen, irgendwelchen Strippenziehern auf den Leim zu gehen.

Bei Apps wie NewNew scheint nicht mehr so klar, wer hier wen für dumm verkauft. Über wen soll man sich hier in erster Linie wundern, über den, der dafür bezahlt, dass er das Leben eines anderen kontrollieren darf? Oder über den, der ernsthaft darüber abstimmen lässt, was er trinken, essen, anziehen oder machen soll? Die eigentliche Frage, nämlich wer an dieser reziproken Selbsterniedrigung von zweien denn vielleicht etwas verdient, gerät da schnell in den Hintergrund: Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte. Wenn eines an NewNew „neu“ ist, dann dass die App das Influencer-Modell auf ein neues Level hebt – oder es zumindest versucht, denn noch ist ungewiss, inwiefern sie sich durchsetzt. Hier wird nicht mehr der Influencer – etwa von einer Modefirma oder einem Küchengerätehersteller – dafür entlohnt, dass er seinen Followern Produkte anpreist – sondern die Follower bezahlen selbst dafür, dass der Influencer sich beeinflussen lässt und diese Beeinflussung nach unten durchreicht.

 

Rote oder blaue Pille

 

Das Abstimmungsverfahren eignet sich dafür besonders gut. Wenn der Sinn von Werbung heute vor allem aus der Erzeugung von Aufmerksamkeit besteht, egal welche und egal mit welchen Mitteln, dann erscheint ein Votum als geradezu ideale Methode. Abstimmungen richten sich potentiell an alle Zielgruppen und binden Aufmerksamkeit schon dadurch, dass sie zur Interaktion animieren. Wer kennt es nicht, dass man, wenn man dazu aufgefordert wird, jetzt bitte nicht an einen blauen Elefanten zu denken, unweigerlich an einen blauen Elefanten denken muss. Wird man hingegen mit der Frage „Magst du lieber blaue oder rote Elefanten?“ vor eine Alternative gestellt, ist die Verlockung groß, die Frage zunächst (einfach zum Spaß) einmal ernst zu nehmen – unabhängig davon, wie unsinnig sie bei genauerer Betrachtung erscheinen mag.

Seit dem ersten Matrix-Film aus dem Jahr 1999 ist die Wahl zwischen der blauen und der roten Pille geradezu sprichwörtlich geworden: Nimmt man die blaue Pille, bleibt man in der simulierten Traumwelt gefangen, entscheidet man sich für die rote Pille, wird einem die Wahrheit offenbar. Man erkennt die schreckliche Matrix, die dahintersteckt. Eine App wie NewNew wirft die Frage auf, ob nicht mittlerweile das Gefühl, ständig die Wahl zwischen zwei Pillen zu haben, die eigentliche Illusion darstellt. Für Unternehmen ist diese Traumwelt der Wahlfreiheit höchst willkommen: Wer sich ständig vor die Wahl zwischen zwei oder mehreren Konsumgütern gestellt sieht, denkt aller Wahrscheinlichkeit gar nicht mehr darüber nach, ob er das Produkt überhaupt braucht. •

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