Vordenker der Ökologie
Marx gilt als Fortschrittsgläubiger, der die Natur dem Menschen unterwerfen wollte. Doch diese Lesart ist verkürzt, meint Heinrich Detering. Würde Marx heute an der Seite von Extinction Rebellion kämpfen?
Der Marxismus, dem es doch um die Befreiung des Menschen zu tun war, sei zum „Vollstrecker“ einer Naturbeherrschung geworden, die mit Descartes und Bacon begonnen habe: Das hat Hans Jonas in Das Prinzip Verantwortung 1979 beklagt, und viele philosophische Kritiker sind ihm gefolgt, unter ihnen Alfred Schmidt, der 1993 von Marx’ „unheilvoller Dynamik der Naturbeherrschung“ sprach.
Bei Marx selbst liest sich das etwas anders. Der stellt 1867, mitten in Das Kapital, nicht nur Bacon, sondern auch Descartes „mit seiner Definition der Tiere als bloßer Maschinen“ einem Zustand gegenüber, in dem „das Tier als Gehülfe des Menschen galt“. Nicht nur die Tiere sieht er vom Kapitalismus ausgebeutet wie die Proletarier, sondern die Natur schlechthin, der beide angehören. „Der Mensch ist ein Teil der Natur“, notiert er 1844: „Die Natur ist sein Leib, mit dem er in beständigem Prozess bleiben muss, um nicht zu sterben.“
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