René Descartes
„Ich denke, also bin ich“; die Naturwissenschaften haben das Potential, „uns […] zu Herren und Eigentümern der Natur zu machen.“ Nur wenige Denker haben Ideen formuliert, welche die Welt ähnlich stark verändert haben wie diejenigen Descartes. Er ist einer der Philosophen, mit denen in der Geistesgeschichte eine neue Zeitrechnung beginnt. Geboren wurde er am 31. März 1596 in La Haye, einer französischen Kleinstadt, die sich inzwischen ihm zu Ehren in „Descartes“ umbenannt hat.
Seinen weltberühmten Satz äußerte er zum ersten Mal in seinem autobiografisch gefärbten Discours de la méthode, einer Untersuchung über das menschliche Wissen. Als er das Werk 1637 anonym veröffentlichte, hatte Descartes ein bewegtes Leben hinter sich: Als Soldat hatte er an Feldzügen in Holland und der Eroberung Prags teilgenommen. Daneben war er mehrere Jahre lang durch Europa gereist. Diesen Lebensstil änderte er erst, als er in der Nacht vom 10. auf den 11. November 1619 drei Träume hatte, die in ihm den Entschluss reifen ließen, sein Leben der Philosophie zu widmen. Zumindest überliefert das ein früher Biograf.
Ziel seines Denkprojektes war es, alles aus der Kraft der Vernunft heraus zu begreifen. Dafür stützte er sich auf eine eigene, neue Methode: den systematischen Zweifel. Die Grundregel seines Denkens bestand dabei darin, „niemals eine Sache als wahr anzunehmen, die ich nicht als solche sicher und einleuchtend erkennen würde“. Deshalb galt es erst einmal, an jeder Gewissheit zu rütteln, an Gott und der Freiheit sowie an Gut und Schlecht. Nur: Was blieb noch übrig, wenn alles infrage gestellt wurde? Bloß diese letzte, absolute Gewissheit: Descartes konnte zwar an allem zweifeln – aber nicht daran, dass er zweifelte. Seiner eigenen Gedanken konnte er sich also sicher sein.
„Ich erkannte daraus, dass ich eine Substanz sei, deren ganze Wesenheit oder Natur bloß im Denken bestehe und die zu ihrem Dasein weder eines Ortes bedürfe noch von einem materiellen Dinge abhänge“, berichtet er. Damit hatte er zum ersten Mal die These aufgestellt, dass die Gedanken eines einzelnen Menschen autonom waren. Die moderne Subjektivität war geboren. Wollte man die Wahrheit aufdecken, galt es, von der Vernunft Gebrauch zu machen. Mit ihrer Hilfe sollte das, was einem die Sinne zeigen, genau untersucht werden. Diesen Gedanken vertiefte er 1641 in seinen Meditationen über die Erste Philosophie.
Mit seinem Discours schuf Descartes die Grundlagen des noch heute im Westen vorherrschenden Naturverständnisses. In einem Jahrhundert, in dem mehr und mehr europäische Staaten begannen, ein Kolonialimperium zu errichten, wirkte die Natur wie ein unerschöpfliches Reservoir von Ressourcen, das es möglichst effizient auszuschöpfen galt. Muss man Descartes also vorwerfen, mit seinem Werk die Ausbeutung der Natur legitimiert zu haben? Das ist in der Philosophie weiterhin umstritten.
1649 übersiedelte Descartes nach Stockholm; Königin Christina von Schweden hatte ihn eingeladen, sie in der Philosophie zu unterrichten. Diese letzten Lebensjahre widmete er moralphilosophischen Untersuchungen. So schrieb er etwa die Abhandlung Die Passionen der Seele. Sie waren von seinen Unterhaltungen mit der böhmischen Prinzessin Elisabeth von der Pfalz inspiriert. Diese Texte über die Leidenschaften und den richtigen Umgang mit der Freiheit waren für den kränklichen Descartes eine Art Ersatzmedizin: „Anstatt also die Mittel ausfindig zu machen, das Leben zu verlängern, habe ich ein anderes […] Mittel gefunden, welches darin besteht, den Tod nicht zu fürchten“, schreibt er in einem Brief, ganz so, als ob er den nahenden Tod vorausahnt: Am 11. Februar 1650 erliegt er einer Lungenentzündung.