Epiktet
Epiktet, der als Sklave zur Welt kam, wurde in seiner einzigartigen Laufbahn einer der einflussreichsten Protagonisten der antiken Stoa. Geboren um 50 in Hierapolis in Phrygien, einer Provinz des Römischen Reiches (in der heutigen Türkei), folgte Epiktet seinem Meister nach Rom, wo er sich mit der damals stark in Mode befindlichen stoischen Philosophie vertraut machte. Kurz nachdem er seine Freiheit erlangte, wurde er, wie auch alle anderen Philosophen, von Kaiser Domitius aus der Stadt verjagt. Er lies sich daraufhin in Epirus (im Nord-Osten Griechenlands) nieder, wo er später seine eigene Schule eröffnete.
Das Werk Epiktets, karg in seiner Überlieferung, ist an seine Vorlesungen angelehnt, die sein Schüler Arrian auf Griechisch verschriftlichte. Es wurde im Jahre 125 vollendet und umfasst die voluminösen Lehrgespräche und das kompaktere Handbüchlein der Moral. Als Abhandlung der praktischen Philosophie beginnt letzteres Werk mit dem Hauptbeitrag des Philosophen zum Stoizismus: dem Wissen um den Unterschied zwischen dem, was wir beeinflussen können und dem, was wir nicht beeinflussen können – ein ethischer Kompass von erstaunlichem praktischen Nutzen. Dasjenige, das wir beeinflussen können, steht in Zusammenhang mit der Seele und ihren drei Fähigkeiten, die da sind: das Urteilen, das Begehren (und sein Gegenteil: das Meiden) und den Trieb zum Handeln. Die Dinge, die wir nicht beeinflussen können, beinhalten den Körper, die materiellen Güter, sowie Ruhm und Ehre, oder ganz allgemein gesprochen, die Dinge der äußeren Welt.
Epiktet verstand die Philosophie unter dem Blickwinkel der Vervollkommnung der Moral, als ein Gesamtkonzept von Prinzipien und Maximen, die es in den Alltag zu integrieren gilt. Er legt daher nahe, sich lediglich um das zu sorgen, was in unserer Macht steht und sich innerlich zu disziplinieren, indem wir beispielsweise Urteile unterlassen, die uns Sorge bereiten, allen voran die Angst vor dem Tod.
Was die Dinge angeht, auf die wir keinen Einfluss nehmen können, so rät er, sich nicht damit zu befassen oder davon berühren zu lassen, sondern vielmehr alles, was uns zustößt, sogar die schmerzhaftesten Ereignisse (Tod, Krankheiten etc.) gelassen und unbekümmert zu erdulden. Damit entwickelt Epiktet, der den „Philosophenkaiser“ Mark Aurel maßgeblich beeinflussen wird, das stoische Konzept der Amor Fati (Liebe zum Schicksal): die gelassene, oder gar freudige Hinnahme der Ordnung der Welt.