Michel de Montaigne
Schriftsteller oder Philosoph? Beides, Monseigneur, und noch viel mehr, denn Michel Eyquem de Montaigne war auch noch Magistrat, Parlamentsberater, Diplomat und Bürgermeister von Bordeaux!
Montaigne war Schriftsteller bevor er Philosoph wurde, ja in gewissem Sinne hat ihn sein literarisches Projekt auf natürliche Weise zur Philosophie geführt. Sein Projekt ist in erster Linie das eines Autors, der sich selbst zum Gegenstand machen möchte, sich selbst „malen“ will: „Ich selbst bin der Inhalt meines Buches“, erklärt er. Wie aber kann so ein Vorhaben gelingen? Montaigne versucht, sich selbst aus vielen verschiedenen Perspektiven zu betrachten, um ein getreues Porträt seiner selbst zu erstellen. Er greift seine Ideen auf und lässt sie wieder fallen, er überarbeitet das Geschriebene, um sich selbst zu korrigieren. Zugleich aber behält seine ursprünglichen Fassungen bei. Schließlich sind diese Fassungen dem getreu, der er einst war. Und auch wenn er diese Person nicht mehr ganz ist, so ist er sie doch immer noch ein bisschen, denn er ist sich bewusst, dass die Welt eine „ewige Schaukel“ ist, immer in Bewegung...
So sind die Essais geschrieben und so müssen sie gelesen werden. Und selten war ein Titel so aussagekräftig: Wenn Montaigne sich bemüht (essayer qc. = etw. bemühen, versuchen), dann auch deswegen, weil er zweifelt, weil er sich seiner Schwächen bewusst ist. Die Unsicherheit der Existenz ist ihm stets präsent – nicht zuletzt der frühe Tod seines engen Freundes Étienne de La Boétie hat ihn daran erinnert – und genauso sehr die Zerbrechlichkeit aller Meinungen. Diese weise, von Skepsis geprägte Bescheidenheit veranlasste ihn, in dem berühmten Kapitel über die „Kannibalen“ eine gewisse Form des Ethnozentrismus anzuprangern. Und in der Apologie des Raymond Sebond erniedrigt er die Intelligenz des Menschen, indem er dessen Vorrangstellung vor dem Tier in Frage stellte. Noch heute sind wir überrascht von der Modernität seiner Ideen, die zwar manchmal variieren, aber immer um ein Leitmotiv kreisen: die scharfe Kritik am menschlichen Stolz. Die Lektion, die Montaigne lehrt, ist im Grunde die Kunst, im Alltag glücklich zu sein. Sie ist eine schlichte, aber klare Haltung, die jedes Vergnügen begrüßt, sobald es auftaucht und es versteht, Körper und Geist in Einklang zu bringen. Die Formel Montaignes, die diese Einstellung auf den Punkt bringt, lautet: „Wenn ich tanze, tanze ich; wenn ich schlafe, schlafe ich“. •