Heraklit
„Der Dunkle“. Das ist der Beiname, den man Heraklit in der Antike gab und den er niemals abgelegen sollte. Diesen Ruf scheint er zum Teil seinem düsteren Charakter zu verdanken. Der Mann, der aus einer wohlhabenden Familie in Ephesos (in Ionien) stammte, war stets ein Gegner der Demokratie und wurde von seinen Zeitgenossen oft als finsterer und hochmütiger Misanthrop wahrgenommen. Seinen Beinamen dürfte er allerdings auch durch seine oft nur schwer verständlichen Gedanken erworben haben, die er zu allem Überfluss auch noch ohne Interpunktion niederschrieb. Die Formeln des Heraklit, die uns in wenigen erhaltenen Fragmenten überliefert wurden, sind oft trockene und sentenziöse Sätze oder Aphorismen, die viel Raum für Interpretation lassen. Wir kennen den berühmten Satz „Es ist unmöglich, zweimal in denselben Fluss hineinzusteigen“, der von der Unumkehrbarkeit der Dinge und ihrer ständigen Veränderung spricht. Aber was genau bedeutet die Formel „Die Zeit ist ein Kind, das spielt, indem es die Spielfiguren bewegt: Sie ist das Königtum eines Kindes“?
Neben seinem Zeitgenossen Parmenides ist Heraklit einer der bedeutendsten Figuren der frühen westlichen Philosophie. Die beiden Weisen nehmen jedoch insofern radikal entgegengesetzte philosophische Positionen ein, als dass Heraklits Grundintention die der ständig erneuerten Bewegung, des universellen Werdens ist, während Parmenides das Sein ins Zentrum seines Denkens stellt. Für Heraklit bleibt nichts so, wie es ist, sondern verwandelt sich in sein Gegenteil. Daher kann man nicht davon ausgehen, dass etwas eher so als so „ist“, denn alles „wird“, und zwar ständig. Die Ordnung der Welt – die er Logos nennt – ist das Ergebnis eines instabilen Gleichgewichts zwischen den Elementen, eines ständigen Krieges, der durch das Feuer symbolisiert wird, das als Grundprinzip des Universums erscheint. Das Feuer ist in der Tat das, was gebiert und gleichzeitig zerstört; es ist schlechthin das, was Bewegung hervorbringt.
Zwei Jahrtausende später sollte Hegel seine Bewunderung für Heraklit zum Ausdruck bringen, weil er diese Spannung, diese Konfliktualität und schließlich diese Identität der Gegensätze erkannt hatte, die seine eigene Konzeption des dialektischen Denkens weitgehend prägen sollte.
Zitate
Drum ist’s Pflicht, dem Gemeinsamen zu folgen. Aber obschon der Logos allen gemein ist, leben die meisten doch so, als ob sie eine eigene Einsicht hätten