Wilhelm von Ockham
Sein Rasiermesser ist noch heute vielen bekannt. Anders als der Rest seines Denkens sowie seiner Biografie. Wie kann man das logische Denken stärken und dadurch gleichzeitig die theologische Reflexion perfektionieren? Die Behandlung dieser Frage, die de facto sowohl die Philosophie wie die Theologie angeht, brachte dem englischen Franziskaner-Philosophen Wilhelm von Ockham ebenso viel Respekt wie ärger ein.
„Entia non sunt multiplicanda praeter necessitatem“ (deutsch: „Wesenheiten dürfen nicht über das Notwendige hinaus vermehrt werden.“): So fasste Ockham das Prinzip seines Rasiermessers zusammen, auch bekannt als das Prinzip der Parsimonie oder das Sparsamkeitsprinzip. Grundsätzlich fordert Ockhams Rasiermesserprinzip, sich, vor die Auswahl einer unterer mehreren unterschiedlich komplexen Hypothesen gestellt, für die Prüfung der einfachsten zu entscheiden. Denn die einfachste Hypothese ist immer die wahrscheinlichste. Das heißt nicht, dass sie unbedingt wahr ist, sondern vielmehr, dass die Chance, dass sie wahr ist, am höchsten ist. Allein deshalb sollte sie allerdings priorisiert werden. Anschließend ist es Sache logischer Prüfung, die Wahrheit oder Falschheit dieser Hypothese endgültig festzustellen.
1328 von Papst Johannes XXII. vorgeladen, wurde Ockham einer päpstlichen Inquisition unterzogen, im Zuge derer er jedoch nicht verurteilt wurde. Stattdessen musste er sich in einem Kloster niederlassen, das seine Freiheit und so auch seine philosophisches Wirken stark einschränkte. Doch warum hielt man sein Prinzip der Sparsamkeit überhaupt für Häresie? Der Grund hierfür sind die Folgen, die es für seinen Beweis der Existenz Gottes vorbringt. Wer sich fragt, wer die Welt erschaffen hat und für ihr Fortbestehen sorgt, scheint mit der Antwort „Gott hat all das vollbracht“, eine sehr einfache Hypothese an der Hand zu haben. Die zahlreichen Gesetze der Physik und der Biologie erscheinen im Vergleich dazu recht komplex. Das Problem ist allerdings, dass diese Gotteshypothese die Dinge in Wahrheit nicht vereinfacht, sondern stark verkompliziert. Wo ist Sein Ursprung? Können wir ihm das Böse zuschreiben? Viele Fragen, die nicht abschließend beantwortet werden können und so die Hypothese praktisch unendlich verkomplizieren. Wer also Ockhams Rasiermesser anlegt, kann Gott nicht sinnvoll als Allerklärung anführen.
Es war schließlich ein Streit innerhalb des Franziskanerordens, der Ockhams endgültigen Bruch mit der Kirche herbeiführte. Johannes XXII. versuchte den Orden zu zwingen, ein „Nutzungsrecht“ auf dessen Güter anzuerkennen, also eine Form von Eigentum, während die Franziskaner großen Wert auf ihre Genügsamkeit und die Ablehnung jeglichen Besitzes legten. Ockham schlug sich auf die Seite der radikalsten Franziskaner, der „Spiritualen“, und wurde exkommuniziert. Er fand Zuflucht in München, bei einem Kaiser, der den Vorrang der weltlichen Macht (seiner eigenen) vor der geistlichen Macht (der des Papstes) gelten ließ. Ockham starb dort im Jahr 1347.