Treue zum Traum
Die Weimarer Reden stehen in diesem Jahr unter dem Motto: „Riskante Träume“. In ihrer Rede, die wir mit freundlicher Genehmigung des Nationaltheaters Weimar veröffentlichen, beleuchtet Svenja Flaßpöhler die „Treue zum Traum“ als Weg aus der Verzweiflung.
Hatten Sie schon einmal einen Traum, den Sie nie vergessen haben? Vielleicht hat Sie dieser Traum in einer sehr verletzlichen Situation ereilt, und Sie waren sich sicher, dass er Ihnen etwas sagen wollte. Etwas, das Sie befähigen könnte, diese so heikle Lage gut zu überstehen, richtige Entscheidungen zu treffen.
Ich selbst kann mich an einige solcher Träume erinnern, an einen ganz besonders. Im Traum bin ich ein Mann und liege nackt in embryonaler Stellung im Schnee. Mehr passiert eigentlich nicht. Ich liege nur da. Und doch hat mich der Traum lange nicht losgelassen, und rückblickend kann ich sagen, dass er mein Leben durchaus verändert hat.
Mein Vortrag handelt von der Treue zum Traum. Davon, wie Träume uns den Weg weisen, gar retten können, wenn wir ihnen die Treue halten. Denn der Traum weiß etwas, das wir nicht oder noch nicht wissen. Er verweist uns auf Möglichkeiten, die wir aus uns selbst heraus nicht erkennen könnten. Doch seine Botschaft ist verschlüsselt. Wir können nie sicher sein, dass wir ihn richtig lesen.
Träume in einem so verstandenen Sinne bergen ein hohes Risiko: Wer sie falsch deutet, läuft Gefahr, fatale Entscheidungen zu fällen. Gleichzeitig aber sind Träume in Extremsituationen oft das Einzige, was wir haben. In Momenten tiefer Verzweiflung oder völliger Ratlosigkeit stiften Träume eine Verbindung zur Zukunft, weil sie uns etwas zeigen können, an das wir selbst schon nicht mehr glauben: einen Ausweg. Oder zumindest eine grobe Richtung.
In unserer durchrationalisierten Zeit ist es etwas seltsam, so zu denken. Lösungen zeigen sich nicht im Traum, sondern weil wir auf die Kraft der Vernunft setzen. Dabei arbeiten wir mit Risikoabwägungen, Zahlen, Expertise. Mit Wahrscheinlichkeiten, Statistiken, Prognosen. Das gilt vor allem auf politischer Ebene. Zwar ist ein Ende der multiplen Krisen, mit denen wir gegenwärtig zu kämpfen haben, nicht abzusehen, doch wohl keiner unserer heutigen Entscheidungsträger käme auf die Idee, seine Träume zu befragen. Stellen wir uns nur einmal vor, Olaf Scholz würde ans Rednerpult treten und sagen, er habe nachts eine Vision gehabt. Selbst Martin Luther King hatte die Zeile „I have a dream“ zunächst aus dem Redemanuskript gestrichen, weil sie seinen Beratern zufolge nicht passend sei für eine politische Rede. Und wie sagte Helmut Schmidt: Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.
Und in der Tat: Wer an Träume, wer an Visionen glaubt, glaubt an Erscheinungen und steht mindestens mit einem Bein im mythisch-religiösen Bezugsraum. Der Glaube, dass Träume uns etwas verraten, das wir selbst aus eigener Kraft nicht wissen können, ist tatsächlich sehr alt. Gleich zu Beginn seines Hauptwerkes „Die Traumdeutung“ schreibt Sigmund Freud über die urzeitliche und bis ins klassische Altertum hineinragende Auffassung, dass – Zitat - „Träume mit der Welt übermenschlicher Wesen, an die sie (die Menschen) glaubten, in Beziehung stünden und Offenbarungen vonseiten der Götter und Dämonen brächten.“
Auch im Christentum sind Visionen solcher Art zentral. Maria wird von einem Himmelsboten offenbart, dass sie unbefleckt schwanger werden wird. Josef erscheint im Traum ein Engel, der ihm aufträgt, seine Frau Maria und ihr Kind vor Herodes zu retten und nach Ägypten zu fliehen. Wäre der Engel nicht gewesen, hätte die Welt einen Messias verloren, bevor er überhaupt geboren wurde.
In seiner psychoanalytischen Auffassung des Traums löst sich Freud von diesem vormodernen Glauben, dass der Traum in unmittelbarer Beziehung zu göttlichen Kräften stehe. Stattdessen verortet er den Traum ganz im Seelenleben des Individuums. Nicht Gott, sondern das Unbewusste sendet über die Traumbilder, die es zu deuten gilt, seine Botschaften aus. Bei Freud geht es nicht länger um metaphysische Zeichen, die den Visionär in seinem Handeln leiten sollen, sondern um Verdrängtes, das sich durch den Traum verschoben und verdichtet Ausdruck verschafft.
Gleichwohl ist auch für Freud der Mythos von zentraler Bedeutung – nämlich insofern, als unser Seelenleben ihm zufolge selbst mythologisch strukturiert ist. Denken Sie an den Ödipus-Komplex. Oder an die beiden sich widerstreitenden Triebe Eros und Thanatos. Im Traum, so meinte Freud, tritt unsere innere Mythologie zutage.
Auch wenn Freud als moderner Denker mit göttlichen Eingebungen nicht mehr viel anfangen konnte, gibt es folglich dennoch Berührungspunkte. Denn auch er war der Auffassung, dass Träume eine Offenbarung sind. Träume und Visionen zeigen uns etwas, das wir aus eigener Kraft nicht sehen, nicht erkennen könnten. So gesehen sind Träume mächtiger als die Vernunft, zumal sie sich unserer Verfügungsgewalt entziehen. Traumbilder ereilen den Menschen; ob er will oder nicht. Zwar sind wir es, die träumen, aber wir steuern unsere Träume nicht, herrschen nicht über sie. Die Träume verfügen umgekehrt über uns.
Für uns Kinder der Aufklärung, die gerne alles kontrollieren und beherrschen, ist diese Unverfügbarkeit, wie überhaupt alles Metaphysische, nur schwer auszuhalten. Das ist der Grund, warum wir bestrebt sind, die Metaphysik in Physik und Mythen in Rationalität zu übersetzen. Selbst Freud, der von Haus aus ebenfalls Naturwissenschaftler war, gilt heute vielen als Metaphysiker, weil er den Träumen so viel Bedeutung beimaß und Mythen zu ihrer Interpretation heranzog. Aus heutiger naturwissenschaftlicher Perspektive sind Träume schlicht biochemische Prozesse, die uns helfen, den Tag zu verarbeiten und gesund zu bleiben. Und wer auf einen Engel hört, der ihm im Traum erschien, der hat selbstverständlich keine Vision, sondern ein ernsthaftes psychisches Problem.
Und doch: Gerade in unserer Zeit, in der sich die Zukunft zunehmend verdunkelt, würde man sich bisweilen sehr wünschen, dass wir in der Lage wären, die Grenzen unseres Verstehens durch Träumen zu überschreiten. Denn woher, so könnte man fragen, sollte die Rettung kommen, wenn nicht aus einer wie auch immer gearteten Botschaft von anderswo? Zivilisatorisch stehen wir so nah am Abgrund wie wohl nie zuvor: Abgesehen von der realen Gefahr eines Atomkrieges, mit der wir derzeit konfrontiert sind, ist es vor allem der Klimawandel, der unsere Fortexistenz ernsthaft bedroht. Vielleicht haben Sie vom jüngst veröffentlichten Bericht des Weltklimarats IPCC gehört. Dem Bericht zufolge werden sich Extremwetterereignisse wie jene Starkregenfälle häufen, die vor zwei Jahren zur Überflutung des Ahrtals führten. Hitzewellen, Dürren und Waldbrände werden die neue Normalität. Eine weitere Beschleunigung der Erderhitzung ist klar abzusehen. Für die Weltmeere hat die Nationale Atmosphären- und Ozeanbehörde NOAA soeben die höchste Temperatur aller Zeiten ermittelt.
Und die Politik? Was folgert sie aus dieser dramatischen Situation? In der FAZ zieht Joachim Müller-Jung diese Bilanz: „Klimapolitisch (…) wird die Notlage unseres Planeten auch 2023 kaum mit dem nötigen Umsetzungswillen quittiert. Die Mehrheit zieht es immer noch vor, sich in die Tasche zu lügen und die IPCC-Erkenntnisse routinemäßig wieder zu vergessen. Im eigenen Land zeigt das der Ampelstreit um die Energiewende und die Transformation des Verkehrs nur zu gut.“
Wir steuern auf den Kollaps zu, weil wir uns ein Leben jenseits der Steigerungslogik schlicht nicht vorstellen können. Wie sonst ließen sich die Subventionierung von E-Autos, der weitere Ausbau des Straßennetzes, das nach wie vor nicht existente Tempolimit auf Autobahnen und das Veto von Bundesverkehrsminister Volker Wissing gegen das europaweite Aus des Verbrennungsmotors erklären, wenn nicht durch ein grandios phantasieloses Denken in eingefahrenen Bahnen?
Die Verkehrspolitik gehorcht wie viele andere politische Handlungsformen auch einem Prinzip, das visionsfreier nicht sein könnte: Dem so genannten TINA-Prinzip. TINA ist die Abkürzung für: There is no Alternative. Es gibt keine Alternative. Das TINA-Prinzip meint damit im Kern eine Sachzwanglogik. Wer in Sachzwängen denkt, lässt sich von Sachen zwingen. Man reagiert – vermeintlich ohne eine Wahl zu haben – auf Geschehnisse, anstatt sich von ganz anderen Vorstellungen leiten zu lassen. Wer dem TINA-Prinzip gehorcht, vermag den Blick nicht umzuwenden Richtung Zukunft, weil die gegenwärtigen Probleme zu mächtig sind. TINA heißt: Wir werden von hinten geschoben und nicht von vorne gezogen.
Könnte es also sein, dass wir gerade ganz akut auf Träume angewiesen sind – und zwar gerade weil sie mit den Regeln dieser Realität brechen? Brauchen wir Träume, weil sie uns auf eine neue Zeit vorbereiten, die mit unserer jetzigen Lebensweise vielleicht nicht mehr viel zu tun haben wird?
Nun werden Sie, verehrte Gäste, vielleicht etwas unruhig auf Ihren Sitzen, weil Sie sich fragen, was ich Ihnen damit sagen möchte. Etwa, dass wir alle einfach mehr träumen müssen, und dann wird sich der Klimawandel schon erledigen? Ist nicht vielmehr genau das Gegenteil der Fall? Sind wir nicht gerade umgekehrt viel zu verträumt und laufen geradezu schlafwandlerisch in unser eigenes Verderben?
Hier zeigt sich die tiefe Ambivalenz, die im Begriff des Traums, des Träumens verborgen liegt: Träume können in der Tat auch dazu dienen, die Wirklichkeit auszublenden, sie zu umgehen. Anstatt der Realität ins Auge zu sehen, dient das wunschgetriebene Träumen dazu, vor ihr zu fliehen.
Ich rede hier aber über eine andere Art von Traum. Vom Traum nämlich als schonungsloser Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit. Der Traum im Freudschen Sinne flieht nicht vor der Realität, sondern verarbeitet sie. Und auch die religiöse Vision ist ihrem Anspruch nach alles andere als eine Realitätsflucht. Vielmehr hilft sie dem Menschen, drohendes Unheil zu überstehen. Aber natürlich will ich hier dennoch nicht behaupten, dass der Traum für uns unsere dramatischen Probleme löst. Auch will ich Sie nicht ermuntern, nach Engeln Ausschau zu halten. Vielmehr geht es mir darum, Sie für einen anderen Weltzugang zu sensibilisieren, der unserem rationalistischen Zugriff entgegensteht.
Tatsächlich gab es bezeugte Fälle in der Geschichte, in denen Rettung nur möglich war, weil jemand sie erträumte. Von einem solchen Fall möchte ich Ihnen jetzt ausführlicher erzählen, weil wir möglicherweise aus ihm lernen können. Ich beziehe mich dabei auf ein Buch des amerikanischen Philosophen und Psychoanalytikers Jonathan Lear mit dem Titel „Radikale Hoffnung“. In diesem Buch schildert Lear die Geschichte eines Häuptlings, der durch einen Traum seinen Stamm vor dem finalen Untergang bewahrte und in eine lebenswerte Zukunft führte. Die Rede ist vom Häuptling der Crow-Indianer. Sein Name ist Plenty Coups, was man frei übersetzen könnte mit: Viele Siege.
Gelebt hat Plenty Coups von 1848 bis 1932. Sein Stamm zog in den heutigen US-Bundesstaaten Montana und Wyoming nomadisch umher und war ganz auf Jagd und Krieg ausgerichtet. Jede Handlung erfuhr über diese Tätigkeiten ihren Sinn, von der Kindererziehung über das Kochen bis hin zum rituellen Sonnentanz. Die Crow-Subjektivität war von Krieg und Jagd durchdrungen und ohne diese beiden Komponenten unvorstellbar.
Die Erzfeinde der Crow-Indianer waren die Sioux, angeführt von Häuptling Sitting Bull. Die beiden Stämme lieferten sich die blutigsten Kämpfe. Jeder der Kämpfer war zu jedem Zeitpunkt sofort bereit, das Leben für den Stamm zu opfern. Doch gerade durch die Unerbittlichkeit und die Bereitschaft zu äußerster Brutalität stifteten sich die verfeindeten Seiten gegenseitig Sinn, der darin bestand, die andere Seite zu bekämpfen und zu besiegen.
Die Bedrohung durch die Sioux wurde, als Plenty Coups noch ein Junge war, immer größer. Sich ausbreitende Krankheiten wie Cholera und Pocken befielen den Stamm der Crow in größerem Ausmaß als die Sioux. Zudem wurden die Jagdgründe zunehmend durch die Weißen geplündert, die Ressourcen wurden knapp, was die Feindschaft noch potenzierte.
Um so wichtiger war es, klug zu handeln. Um militärisch die richtigen Entscheidungen zu treffen und auch um die besten Jagdgründe ausfindig zu machen, nutzten die Crow – wie viele andere Indianerstämme auch – den Traum. Der Traum war für sie ein Zugang zu einer anderen Welt, ein Medium, das die Grenzen des Verstehens überschreitet. Jüngere Stammesmitglieder wurden hinaus in die Natur geschickt, um zu träumen und die Träume später mit den Stammesältesten zu teilen. Zumeist wurde zuvor ein Schwitzbad genommen, dann zog man sich an einen abgelegenen Ort zurück und fastete, um empfänglich zu werden für den Traum.
Im Alter von neun Jahren, im Jahr 1855, wurde Plenty Coups auf einen Berggipfel geschickt, um zu träumen. In der ersten Nacht träumte er nicht, deshalb schnitt er sich am nächsten Tag, was in einem solchen Fall durchaus üblich war, ein Stück seines Fingers ab, um das Mitleid der Götter zu erregen. In der zweiten Nacht dann hatte er seinen folgenschweren Traum, den ich hier etwas verkürzt wiedergebe.
Im Traum des jungen Plenty Coups strömen unzählige Büffel aus einem Erdloch. Der Strom der Büffel reißt nicht ab, es kommen immer mehr. Und dann, ganz plötzlich, sind alle Büffel verschwunden. Einige Momente später strömen wieder Büffel aus dem Loch, doch dieses Mal sind es andere, gefleckte Tiere, die anders brüllen.
In einem zweiten Teil des Traums begegnet Plenty Coups einem sehr alten Mann, der unter einem Baum sitzt. Dieser Mann ist er selbst, stark gealtert. Der Baum ist der einzige Baum, der einen schweren Sturm überlebt hat. In diesem Baum sitzt eine Meise. Sie ist körperlich schwach, doch geistig hellwach und bereit, die größten Mühen auf sich zu nehmen, um Weisheit zu erlangen. Die Meise ist die Philosophin unter den Vögeln, sie hört zu und lernt und ermutigt im Traum auch Plenty Coups zu dieser Anstrengung.
Als Plenty Coups zu seinem Stamm zurückkehrt, trägt er seinen Traum den Stammesältesten vor, die ihn deuten: Die gefleckten Tiere sind Rinder, die Tiere des weißen Mannes, der sich das Land aneignen wird. Dass dies geschieht und also auch die Lebensweise der Crow ein Ende finden wird, ist absolut unausweichlich. Doch zeigt der Traum zugleich eine Chance auf: Plenty Coups wurde durch die Meise aufgetragen, nach Weisheit zu streben und die richtigen Entscheidungen zu treffen, damit die Crow ihre angestammten Gebiete behalten können - auch wenn ihre jetzige Lebensform zusammenbricht.
Plenty Coups wird seinem Traum treu bleiben. Er wird sich an ihn halten auch noch in der Zeit des Zusammenbruchs, als die Lebensweise der Crow unwiederbringlich endet. So ist es ihm möglich, dem Stamm der Crow eine Zukunft zu ermöglichen – wenn auch unter gänzlich anderen Vorzeichen. Denn der Entschluss, den Plenty Coups als Häuptling aus seinem Traum ableitete, war dieser: Er entschied, dass die Crow mit der US-Regierung kollaborierten und gemeinsam mit ihr den Kampf gegen die verfeindeten Sioux aufnahmen. Auf diese Weise gelang es Plenty Coups, den Crow ein Weiterleben auf ihren angestammten Gebieten zu ermöglichen.
Zwischen 1882 und 1884 zogen die Crow in das ihnen zugedachte Reservat, das am Ende weitaus kleiner war, als ursprünglich zugesagt wurde. Das Leben dort war ein gänzlich anderes. Weiter Krieg zu führen, wurde den Crow untersagt. Das Jagen war unmöglich, weil alle Biber und Büffel durch die eingewanderten Europäer getötet wurden. Worin aber sollten die Crow dann ihren Sinn finden? Wie sollten sie sich weiterhin als Subjekt begreifen, als Crow-Subjekt, dessen Lebensinhalt darin besteht, zu jagen und Kriege zu führen?
Plenty Coups leugnete das Ende der Crow- Lebensform nicht, noch versuchte er, dagegen anzukämpfen. Er fügte sich ins Unverfügbare und erkannte an, dass die Zeit des Krieger- und Jägerstammes vorbei war. 1921 legte Plenty Coups bei der Einweihungszeremonie für das Grabmal des Unbekannten Soldaten in Washington D.C. seinen Federschmuck und seinen Coups-Stab, das Zeichen seiner Macht und seines Mutes, in einen Steinsarg hinein. Er begrub also buchstäblich die Existenz der Crow als Jäger- und Kriegerstamm. Denn: Der Tod muss anerkannt und bezeugt werden, um die Wiedergeburt zu ermöglichen.
Tatsächlich ist es Plenty Coups auf diese Weise gelungen, der jungen Crow-Generation eine Zeit danach – nach dem Zusammenbruch ihrer Lebensform – zu schenken. Die Nachkommen der Crow haben gelernt, den europäischen Eroberern zuzuhören und das Wissen für sich zu nutzen. Jonathan Lear, der das Buch über Plenty Coups geschrieben hat und im Zuge seiner Arbeit viele Freunde unter den Crow gewonnen hat, verschweigt nicht die Probleme, nicht den grassierenden Alkoholismus, nicht die Konflikte unter den Generationen. Doch was überwiegt, ist die Bewunderung dafür, dass sich die Crow-Nachkommen unter gänzlich anderen Bedingungen und in einem gänzlich anderen Sinnzusammenhang ihre Lebendigkeit bewahrt haben. Sie waren in der Lage, eine neue Crow-Subjektivität – als Anwälte, Naturschützer, Musiker etc. – zu finden.
Nun mögen Sie vielleicht ein gewisses Unbehagen verspüren. Ist Plenty Coups wirklich ein so großer Mann, als den Jonathan Lear ihn darstellt? Hat er sich nicht im Grunde unterworfen, indem er mit den Unterdrückern kollaborierte? Hat er nicht seine Herkunft verraten, seine Existenz als Crow-Indianer? Hätte er nicht besser ihr treu bleiben sollen, anstatt seinem Traum die Treue zu halten?
Ganz ähnlich hat damals auch Sitting Bull gedacht, der Häuptling der Sioux. Sitting Bull ist heute weitaus bekannter als Plenty Coups und wird von vielen als widerständiger Held gefeiert. Denn: Er bestand darauf, niemals mit der US-Regierung zusammenzuarbeiten. Tatsächlich gelang es ihm, in der Schlacht am Little-Bighorn-River einen legendären Erfolg zu erzielen, was aber den Siegeszug der weißen Unterdrücker nicht aufhalten sollte. Anschließend floh Sitting Bull mit seiner Gefolgschaft nach Kanada, weil er sich weigerte, in ein Reservat einzuziehen. Doch schlussendlich wurden die Sioux aus Kanada ausgewiesen und sie mussten in die USA zurückkehren. Auch zu diesem Zeitpunkt gab Sitting Bull aber nicht auf. Er glaubte fest an die Vision eines Messias, der kommen würde, um die Weißen auszurotten und den Sioux ihre alte Lebensweise zurückzugeben. Um diese Apokalypse einzuleiten, musste ein so genannter Geistertanz aufgeführt werden. Die Sioux tanzten monatelang. Weil Unruhen befürchtet wurden, unterband man schließlich die Tänze. Sitting Bull wurde 1890 von Polizisten erschossen.
Wie also ist der Widerstand des Sioux-Häuptlings rückblickend zu bewerten? Jonathan Lear zieht ein kritisches Fazit: Sitting Bull wollte an seiner Sioux-Identität festhalten, koste es was es wolle. Das mag aufrichtig und integer sein, und sein gewaltsamer Tod war absolut unverzeihlich, so wie überhaupt die Unterdrückung der indigenen Bevölkerung durch die Weißen unverzeihlich war – doch stand Sitting Bulls Handeln in keiner Verbindung zur harten Realität. Sein Handeln war nicht mutig, sondern realitätsfern. Die europäischen Kolonialisten waren schlicht stärker. Sein Stamm hatte gegen ihre Macht keine Chance. Jonathan Lear nennt Sitting Bull entsprechend einen „Traumtänzer“, der nach dem Falschen strebte, weil es mit der Realität nicht vereinbar war. Als Traumtänzer bewegte sich Sitting-Bull mit geschlossenen Augen, ohne Bezug zum Außen. Die Vision diente hier nicht dazu, mit der Wirklichkeit umzugehen, sondern sie wurde vielmehr geleugnet.
Im Gegensatz zu Sitting Bull war Plenty Coups kein Traumtänzer. Er hegte vielmehr, so formuliert es Lear, eine „radikale Hoffnung“, die er aus seinem Traum ableitete. Die radikale Hoffnung ist kein bloßes Wunschdenken. Wer radikal hofft, sieht die Ausweglosigkeit seiner Situation sehr klar – und glaubt doch daran, dass – ich zitiere Lear - „etwas Gutes hervortreten wird, selbst wenn man gegenwärtig noch nicht über die Begriffe verfügt, mittels derer man sich dieses Gute verständlich machen kann.“ Das Medium der radikalen Hoffnung ist der Traum. Der Traum, den Plenty Coups träumt, ist keine Realitätsflucht, sondern eine schonungslose Konfrontation mit kommendem Unglück, in der sich gleichzeitig die Möglichkeit eines Danach, eines Weiterlebens ankündigt.
Was nun lässt sich aus dieser wahren Geschichte, die Jonathan Lear in seinem Buch erzählt, lernen? Nun, ganz sicher geht es nicht darum, unserer spätmodernen, hochkomplexen Gesellschaft indigene Rituale anzuempfehlen. Ganz sicher meine ich nicht, dass wir damit beginnen sollten, unsere Kinder auf Berggipfel zu schicken, damit sie unsere Zukunft träumen. Und doch enthält die Geschichte Traum-Lehren, über die nachzudenken sich gerade heute lohnt.
1.Traum-Lehre: Radikal hoffen
Die Crow konnten dank des Traums von Plenty Coups die radikale Hoffnung hegen, dass „etwas Gutes hervortreten wird, selbst wenn man gegenwärtig noch nicht über die Begriffe verfügt, mittels derer man sich dieses Gute verständlich machen kann.“
Auch wenn das Gute noch nicht begrifflich fassbar, noch nicht sichtbar ist, es wird hervortreten, wenn Plenty Coups die Lehre der Meise befolgt. Dieser Traum hat den Crow zweierlei ermöglicht: Sie konnten sich innerlich auf den Zusammenbruch ihrer Lebensweise vorbereiten und gleichzeitig hoffen, dass es danach gut werden wird. Uns fehlt im Augenblick beides. Wir bereiten uns nicht auf den Zusammenbruch unserer Lebensweise vor, sondern verfolgen weiter den Pfad der Steigerung. Nicht Verzicht, nicht ein grundlegend anderes Verhältnis zur Natur, sondern so genannte nachhaltige Technik soll das Problem lösen. Aber auch Elektroautos verbrauchen Ressourcen, nämlich Unmengen Strom, der irgendwo herkommen muss.
Windräder lassen sich schlecht recyclen, töten Vögel und Insekten. Um von der Nutzung fossiler Brennstoffe ganz zu schweigen, die sich nicht zuletzt durch den Ukraine-Krieg und den Wegfall russischen Gases bis auf Weiteres fortsetzen wird. Um unseren Bedarf zu decken verwenden wir fossile Brennstoffe in ungeheurem Ausmaß. Oder wie der Philosoph Peter Sloterdijk es ausgedrückt: Wir sind ein „Kollektiv von Brandstiftern“, „die an die unterirdischen Wälder und Moore Feuer legen“. „Das sollte man sich klarmachen“, so Sloterdijk: „Wir sind in der etwas unheimlichen Lage, dass wir die gute alte Erde und die vielen Millionen Jahre an organischen Sedimenten in ihr behandeln, als wäre sie ein kosmischer Catering-Service für postmoderne Partys und dekadente Wagenrennen.“
Dass wir als aufgeklärte, fortschrittliche Gesellschaft solche Rennen dulden und beispielsweise immer noch kein Tempolimit auf Autobahnen durchsetzen, ist ein Skandal, der mit der Macht des Wirtschaftslobbyismus unauflöslich verknüpft ist. Doch ist es durchaus möglich, dass wir auch deshalb schlicht nicht herunterkommen von unserem dekadenten Trip, weil wir als Gesellschaft nicht fähig sind zu radikaler Hoffnung. Wir glauben nicht daran bzw. können nicht daran glauben, dass nach dem Zusammenbruch unserer Lebensweise „etwas Gutes hervortreten wird, selbst wenn man gegenwärtig noch nicht über die Begriffe verfügt, mittels derer man sich dieses Gute verständlich machen kann.“
2. Traum-Lehre: Umgang mit Nichtwissen
Wenn es darum geht, Kriege zu führen oder gegen Krankheiten anzukämpfen, müssen wir heute nicht mehr via Traum die Götter befragen. Der Bereich des Wissens und des Wissbaren ist seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, als Plenty Coups auf der Bergspitze seinen Traum von den Büffeln träumte, enorm gewachsen. Die Methoden der Erkenntnis, auch die Zukunft betreffend, haben sich weiterentwickelt und vervielfacht. Dieser Erkenntniszuwachs ist auch ein Machtzuwachs. Wir beherrschen, was geschieht und geschehen wird, in vielerlei Hinsicht besser als ein nordamerikanischer Ureinwohner des 19. Jahrhunderts.
Doch wo die Macht wächst, ist die Hybris nicht weit. Wir wissen viel, aber nicht alles. Die Großkrisen der jüngsten Vergangenheit waren und sind das beste Beispiel dafür. Niemand weiß gegenwärtig, wie der Ukraine-Krieg enden wird. Trotzdem tun viele Akteure so, als sei das Risiko einer Eskalation beherrschbar und der Krieg eine Art Schachspiel, das lediglich klug gespielt werden will. Niemand weiß, wann die nächste Pandemie kommen wird. Trotzdem werden die Fehler und Versäumnisse der Corona-Politik der letzten drei Jahre wenn überhaupt nur schleppend aufgearbeitet, ganz so, als wären sie vernachlässigbar. Und auch weiß im Grunde niemand, wie sich ein klimatischer Wandel, der sich global ereignet, realistischerweise überhaupt noch aufhalten lässt. Trotzdem wird durch Konferenzen, Abkommen und Pläne suggeriert, als wäre genau das der Fall.
Erschwerend kommt hinzu, dass Wissen neues, ja sogar potenziertes Nicht-Wissen mit sich bringt. Auf den Klimawandel bezogen: Menschheitsgeschichtlich beherrschen wir die Natur qua instrumenteller Vernunft in einem Ausmaß wie nie zuvor; doch sind wir an einem Kipppunkt angelangt, in dem die Beherrschung ins Beherrschtwerden umzuschlagen beginnt. Überschwemmungen, Waldbrände, schmelzende Polkappen sind die sichtbaren Zeichen dieses Umschlags, dem wir wiederum mit allerlei Aktionismus begegnen. Wir tun so, als wüssten wir genau, wie zu handeln ist. Aber wissen wir das wirklich?
Die Crow haben die Grenzen ihrer Macht, die Grenzen ihres Wissens anerkannt, indem sie ihre Träume befragten. Sie schickten ihre Kinder in die Natur, damit sie träumend Anhaltspunkte erlangten für die Beantwortung der großen Kantischen Frage: Was soll ich tun? Uns fehlt eine solche Kulturtechnik. Wir wissen nicht, wie wir mit den Grenzen unseres Wissens, selbst wenn sie nur vorläufig sind, umgehen sollen. Diese Unfähigkeit hat fatale Folgen. Denken wir zurück an den Beginn der Corona-Krise, als wir noch nichts Genaueres über das Virus wussten. Trotzdem empfahl das das Bundesinnenministerium im März 2020 in einem internen Strategie-Papier, gezielt die Angst in der Bevölkerung zu schüren. Man solle durch Worstcase-Szenarien eine „Schockwirkung“ in der Bevölkerung erzielen. Dass Kinder von der Pandemie weniger betroffen sind, sei falsch, hieß es in dem Papier. Wenn Kinder sich irgendwo ansteckten und durch leichtsinniges Verhalten den qualvollen Tod eines Elternteils verursachten, sei das das Schrecklichste, was einem Kind widerfahren kann. Aber war es wirklich richtig, die Bevölkerung in Angst und Schrecken über ein Virus zu versetzen, das man noch gar nicht richtig kannte? Hätte man nicht besser das Nicht-Wissen offen eingestehen können, anstatt, so muss man rückblickend sagen, falsche Ängste zu wecken, die schlussendlich zu verheerenden Schulschließungen führten? Und vielleicht hätte man durch eine solche Ehrlichkeit auch diejenigen Bevölkerungsteile erreicht, die sich durch die Art der Kommunikation nicht gut beraten, sondern bevormundet fühlten.
Und was, so wäre weiter zu fragen, würde passieren, wenn Politiker unserer Tage angesichts der globalen Welterhitzung einmal innehielten und offen sagten: Wir sind ratlos, wie wir das in den Griff bekommen sollen. Es ist einfach furchtbar. Würde die Bevölkerung in Verzweiflung verfallen? Oder würden wir so in die Lage versetzt, Formen zu finden, um mit unserem Nicht-Wissen, unserer Ratlosigkeit umzugehen? So fordert auch der Philosoph Bernd Stegemann hellsichtig mit Blick auf die ökologischen Herausforderungen einen grundlegenden Paradigmenwechsel in der Kommunikation. Stegemann schreibt: „Unwissenheit müsste zum allgemeinen Horizont des Nachdenkens werden und die Fragen nach dem Unbekannten die Gespräche bestimmen.“ Im Vordergrund, so Stegemann, stünde „das Eingeständnis der Ratlosigkeit angesichts der komplexen Probleme, die auf uns zukommen werden.“
Vielleicht also brauchen wir gerade mit Blick auf den Klimawandel eben jene Haltung der Demut, mit der die Crow im Traum Halt suchten. Schließlich war es eben diese Haltung, durch die sie einen Weg in die Zukunft fanden. Und vielleicht ist es auch an der Zeit sich zu fragen, ob Risikoabwägungen, Zahlen und Statistiken wirklich ausreichen, um uns in einer menschheitsgeschichtlichen Phase des Umbruchs zu leiten. Unsere jetzige Lebensform des Überflusses wird an ein Ende kommen. So oder so. Aber welche Bilder, welche Phantasien führen uns in das Danach?
3. Traum-Lehre: Die Grenzen der Treue
Im Fall der Crow ermöglicht die Treue zum Traum kollektive Resilienz. Der Stamm überlebt den eigenen Zusammenbruch, weil er in der Lage ist, sich durch die Botschaft der Meise zu verwandeln. Risikolos ist die Treue zum Traum allerdings keineswegs. Jeder Traum kann falsch gedeutet oder seine Botschaft falsch umgesetzt werden. Oder die Treue führt in die Irre, weil der Traum keine Auseinandersetzung mit der Realität ist, sondern vielmehr wesentliche Teile dieser Realität verleugnet. Was das bedeutet, haben wir am Beispiel von Sitting Bull gesehen, der um jeden Preis an seiner Lebensweise festhalten wollte, obwohl die Wirklichkeit dagegensprach.
Rückblickend sehen wir den Fehler des Sioux-Häuptlings sehr klar. Für Sitting Bull hingegen schien es in der konkreten Situation womöglich, als müsste er nur noch fester an seinen Traum glauben, damit die Wirklichkeit sich beugt. Die große Schwierigkeit ist ja tatsächlich, in konkreten Situationen zu entscheiden, ob eine Treue zum Traum Chance auf Verwirklichung hat oder sich als Illusion entpuppt. Wann heißt es „Zähne zusammenbeißen“, wann „Loslassen“? Wann muss man Widerstände überwinden und weiterkämpfen - wann muss man einsehen, dass der Traum ein Traumtanz ist?
Eben diese so schwierige Frage stellt sich im Moment ganz konkret in der Ukraine. Ist der ukrainische Präsident Selenskyj der Sitting Bull des 21. Jahrhunderts, wenn er um jeden Preis einen Sieg über Russland erringen will? Wird er so kläglich scheitern wie der Häuptling der Sioux, weil er sein gutes Recht auf eine befreite Ukraine über die harte, ungerechte Realität stellt? Wäre er klüger, wenn er einen Kompromiss einginge – gesetzt den Fall natürlich, dass auch der Aggressor zu einem solchen bereit wäre? Sollte er sich ein Beispiel nehmen an Plenty Coups, der bis heute, gerade weil er nicht gehandelt hat wie Sitting Bull, sondern der Realität ins Auge geschaut hat, von seinem Volk gefeiert wird?
Oder gibt es eben doch - anders als für die indigene Bevölkerung des 19. Jahrhunderts in den USA - eine Chance, dass die ukrainische Beharrlichkeit und Widerständigkeit am Ende belohnt wird? Wird Putin aufgeben, wenn der Krieg nur lange genug dauert? Wir wissen es nicht. Das Einzige, was wir mit Sicherheit wissen ist, dass auch nur eine falsche Entscheidung eine Weltkatastrophe auslösen könnte.
Umso wichtiger, ja überlebenswichtig ist es, dass führende Entscheidungsträger den Sitting Bull in sich genau im Blick behalten.
Ich komme langsam zum Ende und möchte Ihnen noch einen letzten Gedanken mit auf den Weg geben. Vielleicht werden wir eines nicht allzu fernen Tages in solch schwierigen Fragen wie etwa der Kriegsführung oder der Bekämpfung von Pandemien gar keine Menschen mehr, sondern künstliche Intelligenzen zu Rate ziehen. Expertenräte werden ersetzt durch Algorithmen, die Risiken so exakt berechnen, wie es kein Mensch je könnte. Zudem sind Maschinen immer, rund um die Uhr, einsetzbar. Sie brauchen keinen Schlaf. Und natürlich träumen sie auch nicht. Maschinen sind reine Oberfläche. Reine Immanenz. Und das heißt: Die Lösungen, die eine Maschine findet, werden immer abgeleitet aus dem Gegebenen bzw. dem, was in den Rechner an Wissen eingespeist wurde. Visionen wird man von einer KI mithin nicht erwarten können. Die Fähigkeit zu träumen bleibt dem Menschen und höheren Tieren vorbehalten. Vielleicht wird diese Fähigkeit irgendwann das einzige sein, was uns von der Maschine unterscheidet. Nur wer lebendig ist, wer geboren wird und stirbt, ist fähig zu träumen. Zu träumen bedeutet, das Wirkliche zu überschreiten. Der Traum ist die Transzendenz in uns selbst. Er ist es, der uns befähigt, uns selbst und die Welt mit ganz anderen Augen zu sehen. Und was wäre in unserer Zeit wichtiger?
Vielen Dank. •
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Kommentare
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