Universalismus verteidigen
Wokes Denken war einst progressiv, gerät jedoch immer öfter zu essenzialistischem Stammesdenken. So lautet eine der Hauptthesen des neuen Buches Links ist nicht woke von Susan Neiman. Eine Rezension von Ulrich Gutmair.
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Woke
Über den Begriff „woke“ lässt sich eines sicher sagen: Wer nicht weiß, was „woke“ bedeutet, der kann so woke gar nicht sein.

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Kommentare
„Mit bemerkenswerter Unbedarftheit rührt Neiman hier nochmals sämtliche alten Anti-Foucault-Klischees zusammen und schreckt dabei auch nicht vor verschwörungstheoretischem Geraune zurück: „Wusste Angela Merkel, dass sie Foucault nachsprach, als sie ‚eine marktkonforme Demokratie‘ forderte?“ Foucault als kalter Mastermind, der nicht nur wankelmütige Linke in der Verehrungsstarre hält, sondern postum auch noch Staatsoberhäupter lenkt.
Dass Foucault selbst sich auf die Vernunft, deren dunkle Seite zu analysieren er sich vorgenommen hatte, und ausdrücklich auch auf Kant berief, interessiert Neiman offenbar nicht. Oder aber derlei passt nicht in ihre Zweiteilung von „Theorie“ und „Philosophie“, die von einer Stammtischvariante der Freund-Feind-Konzeption inspiriert zu sein scheint. Vielleicht hätte Neiman ihre eigene Warnung vor Carl Schmitt ein wenig ernsthafter beherzigen sollen.„
Neimans Argument, dass die Linke die Theorien von Martin Heidegger, Michel Foucault und Carl Schmitt adaptiert hat, wird an keiner Stelle mit Beispielen belegt oder in irgendeiner Weise begründet.
Inwiefern kann so eine Vorgehensweise „nachvollziehbar“ sein? Wohl nur für Personen, die sich weder mit dem Denken von Foucault noch mit Heidegger auseinandergesetzt haben.
Susan Neimans Annahmen und Behauptungen scheinen äußerst fragwürdig wie dies auch im Tagesspiegel, in der FAZ und in anderen seriösen Medien explizit benannt wird.
Ähnlich witzlos wirkt Neimans flammende Warnung vor der Evolutionspsychologie, die gerade in den linken Philosophien und Theorien wenig beachtet wird. Beispiele bleiben auch hier aus. Viele Behauptungen, so gut wie keine Belege.
Schade, dass diese Thesen hier als „strittig“ hingestellt und nicht als das was sie sind: dünne Behauptungen, die eher an Desinformation erinnern denn an wohlbegründete Analysen oder scharfe Beobachtungen.
Nicht nur Neimans Aussagen über die Dialektik der Aufklärung und die Folgen der NS-Aufarbeitung sind verallgemeinernd und scheinen einer persönlich gefühlten politischen Agenda entnommen. Marianna Lieder kommentiert in der FAZ zudem:
„Regelrecht abenteuerlich wird es aber, sobald Neiman mit den von ihr identifizierten reaktionären Säulenheiligen und Einflüsterern der Wokeness – der Begriff wird bei ihr nirgends zufriedenstellend definiert – abrechnet. Zu ihnen zählt sie auch Martin Heidegger und Carl Schmitt. Beide seien stramm rechte Antimodernisten und Antisemiten gewesen. Das stimmt zweifellos. Doch die Annahme, dass Schmitts und Heideggers Schriften als positive Bezugspunkte innerhalb der akademischen Linken Konjunktur feierten – so suggeriert es Neiman auf den ersten Seiten, ohne irgendwelche Belege zu liefern –, scheint äußerst fragwürdig.“
Außerdem über Foucault:
„Mit bemerkenswerter Unbedarftheit rührt Neiman hier nochmals sämtliche alten Anti-Foucault-Klischees zusammen und schreckt dabei auch nicht vor verschwörungstheoretischem Geraune zurück: „Wusste Angela Merkel, dass sie Foucault nachsprach, als sie ‚eine marktkonforme Demokratie‘ forderte?“ Foucault als kalter Mastermind, der nicht nur wankelmütige Linke in der Verehrungsstarre hält, sondern postum auch noch Staatsoberhäupter lenkt.“
Neimans Behauptungen sind nicht scharfsinnig, sondern intellektuell grob fahrlässig und äußerst ignorant gegenüber dem Werk zahlreicher Denker.
Ja, hat der hier gemeinte Universalismus verlernt, dass auch Widersprüche, Antinomien und die dunkle Seite der Vernunft zum philosophischen Denken gehören?