Ist der Liberalismus noch zu retten?
Raymond Geuss, Michael J. Sandel und Elif Özmen blicken aus unterschiedlichen Perspektiven auf eine philosophisch-politische Strömung, die eine spannungsreiche, viel kritisierte Geschichte hinter sich hat.
Nicht wie ein Liberaler denken, der Titel von Raymond Geuss’ philosophischen Memoiren klingt einladend. Wer möchte schon ein Liberaler sein, wenn damit kaum mehr gemeint ist als das ideologische Hintergrundrauschen zum politischen Status quo? Geuss, emeritierter Philosophieprofessor in Cambridge, erzählt faszinierend von einem Bildungsweg, der ihn lehrte, nicht wie ein Liberaler zu denken, ohne deshalb zum Anti- oder gar Illiberalen zu werden. Die ungarischen Piaristenpatres, die es nach 1956 in die USA verschlagen hatte, wollten in ihrem Internat in Philadelphia, das der Stahlarbeitersohn Geuss besuchte, die Zöglinge sowohl gegen den Kommunismus als auch gegen den liberalen Kapitalismus immunisieren. Diese frühe Prägung vertieft sich durch das Studium an der Columbia University. Pragmatismus und Kritische Theorie, dann auch Heidegger und Nietzsche werden für Geuss’ nichtliberales Denken maßgeblich.
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