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Bild: IMAGO / KHARBINE-TAPABOR

Philosophie im Windschatten – Bonaventura zum 750. Todestag

Christoph Kann veröffentlicht am 15 Juli 2024 7 min

Heute vor 750 Jahren verstarb Bonaventura, einer der bedeutendsten Kirchenlehrer des Mittelalters. In seinem Beitrag erläutert Christoph Kann, warum die Theologie für Bonaventura zwar die Krone der Erkenntnis bildet, die Philosophie aber das Zepter in der Hand behält.

 

Bonaventura, italienischer Theologe und Philosoph, lehrte an der Pariser Sorbonne zu einer Zeit weitreichender Spannungen. Die aristotelischen Schriften, die im Frühmittelalter größtenteils in Vergessenheit geraten waren, fanden nun, zusammen mit Übersetzungen und Kommentaren arabischer Exegeten wie Averroes, Eingang in das europäische Bildungswesen und seine neu gegründeten Universitäten. Der zukunftsweisende Trend löste Neugier, oft auch Begeisterung aus. Zugleich kam es zu Konflikten zwischen der etablierten theologisch geprägten Weltsicht und dem aristotelischen Denken, seiner betont wissenschaftlichen Ausrichtung, verbunden mit der Entwicklung eines autonomen Vernunftbegriffs. Anders als sein Zeitgenosse Thomas von Aquin, der als Synthetisierer, sogar Harmonisierer, gilt, reagierte Bonaventura allerdings skeptisch. 


Es ging um brisanteste Fragen: Wie passte die christliche Schöpfungslehre zu der aristotelischen Theorie einer anfangslosen Welt? Widerspricht nicht die aristotelische Beschränkung der Glückseligkeit auf bestimmte Individuen in der gegenwärtigen Welt den heilsgeschichtlichen Perspektiven des Christentums? War die orthodoxe Erwartung eines individuellen Weiterlebens nach dem Tod mit der aristotelischen Naturphilosophie, seiner Seelenlehre, vereinbar? 


Der 1235 bis 1242 an der Pariser Artistenfakultät studierende und etwa ab 1254 erstmals als Magister regens an der theologischen Fakultät lehrende Bonaventura sah sich primär dem christlichen Platonismus eng verbunden. Die platonische Philosophie und Kosmologie mit ihrer Annahme eines göttlichen Demiurgen oder Weltbaumeisters bot den etablierten christlichen Auffassungen oft passendere Anknüpfungspunkte. Besondere Anziehungskraft besaß die durch Augustinus geprägte Version eines christlichen Platonismus mit seiner zentralen Annahme eines Schöpfergottes. 


In konservativ-orthodoxer Haltung opponierte Bonaventura, 1238 eingetreten in den Franziskanerorden und 1257 sein Generalminister, gegen die Neuerungen des Aristotelismus, der zunehmend die Universitätslandschaft beherrschte. Bis heute hält sich das Bild Bonaventuras als eines entschieden theologischen, zur Mystik tendierenden Konservativen, der die fortschrittlich-wissenschaftliche Philosophie des Aristoteles rundum ablehnte. Der Vorrang der Theologie bei Bonaventura lässt moderne Interpreten zögern, ihn überhaupt einer Philosophie mit rationalistischer Ausrichtung zuzuordnen. Die Hauptwerke Collationes in hexameron (Sammlung zum Sechstagewerk) und Itinerarium mentis in Deum (Pilgerweg der Seele zu Gott) des am 15. Juli 1274 auf dem ökumenischen Konzil von Lyon verstorbenen Bonaventura suggerieren religiös-theologisches Fahrwasser mit esoterischer Tendenz. Ihr Zentralmotiv im Sinne neuplatonischen Denkens ist der erkennende Aufstieg der Seele zu Gott: Die menschliche Seele sei fähig, sich selbst und Gott ohne Abstraktion zu erkennen. 
Aber ist Bonaventuras Ruf als Fortschrittsverweigerer und anti-aristotelischer Denker zutreffend? Sperrte er sich gegen die wissenschaftliche Mentalität seiner Zeit und kehrte der rationalistischen Philosophie den Rücken?

 

Rückführung der Wissenschaften auf die Theologie


Die Schrift De reductione artium ad theologiam (Die Rückführung der Künste auf die Theologie) spricht eine andere Sprache. In ihr zeigt Bonaventura, wie Künste bzw. wissenschaftliche Disziplinen sich auf die Theologie zurückführen lassen und ihr systematisch zuzuordnen sind, ohne dabei ihre eigene Bedeutung einzubüßen. Alle Teile seiner komplexen Wissens- oder Wissenschaftsklassifikation werden an spezifische Lichtquellen bzw. Erleuchtungs- oder Illuminationsformen zurückgebunden: Lichtmetaphysik fundiert Wissenschaftsklassifikation. Ein ‚äußeres Licht‘ dient den mechanischen Künsten, die auf Naturbeherrschung abzielen, ein ‚niederes Licht‘ gewährleistet Erkenntnis der Naturformen und ein ‚höheres Licht‘ verbürgt Zugang zu den Heilswahrheiten. Ein ‚inneres Licht‘ schließlich erhellt den Weg zu den Vernunftwahrheiten der ‚philosophischen Wissenschaft‘ (scientia philosophica). Ihr weist Bonaventura drei jeweils wiederum dreigeteilte Aufgabenbereiche zu: erstens, die Erforschung der Wahrheit der Redeweisen (veritas sermonum) in der philosophia rationalis, die Logik, Grammatik und Rhetorik umfasst; zweitens, die Erforschung der Wahrheit der Dinge (veritas rerum) in der philosophia naturalis, zu der Physik, Metaphysik und Mathematik gehören; und drittens, die Erforschung der Wahrheit der Sitten in der philosophia moralis mit ihren Teilbereichen der individuellen Moral, der Familienmoral und der politischen Moral. 


Auf den ersten Blick ließe sich auch hier eine Verteidigung der theologischen Vormachtstellung erkennen. Schließlich will Bonaventura zeigen, dass sich in allen Erkenntnisformen Wahrheiten manifestieren, die auch in der Heiligen Schrift offenbart sind – natürliche Erkenntnisformen werden auf die eine und höchste Erkenntnisform der Offenbarungstheologie zurückgeführt. Doch ungeachtet dessen, so ist zu konstatieren, bleiben sie genuin philosophische Forschungsfelder mit genuin philosophischen Wahrheitsansprüchen.


Bonaventura wird manchmal nachgesagt, er nivelliere den Unterschied zwischen Philosophie und Theologie, manchmal auch, er halte nur theologische, nicht aber philosophische Erkenntnis für möglich. Tatsächlich unterscheidet er ausdrücklich zwischen Philosophie und Theologie, wobei der letzteren ein gewisser Vorrang zukommt. Die Theologie, erklärt Bonaventura zu Beginn seines Breviloquium, setzt an bei Gott als höchster Ursache, und eben da endet die Philosophie. Gemeint ist, dass die Theologie den Gottesglauben voraussetzt und ihre Grundannahmen aus der göttlichen Offenbarung bezieht. Der Philosoph dagegen, dem es um Erkenntnis der Erfahrungswirklichkeit geht, setzt an in der Reflexion über die Sphäre des Geschaffenen und führt seine Betrachtungen, Argumentationen und Schlussfolgerungen bis zur Existenz Gottes als Schöpfer jenes Geschaffenen weiter.

 

Aneignung des Aristotelismus


Bei Lichte betrachtet ist die Philosophie aber nicht nur eine eigene, der Theologie nachrangige, untergeordnete Disziplin, sondern zugleich Grundlage für diese. Wie in der Zurückführung der Künste auf die Theologie zu sehen, bewertet Bonaventura die Philosophie nicht nur als theologisch bedeutsam. Vielmehr beruht seine gesamte Klassifikation auf philosophischer Erkenntnis. Schon allein die reflektierte Grenzziehung zwischen Philosophie und Theologie ist ihrerseits philosophisch-methodologischer Natur.


Bonaventura macht, unabhängig von seinem konservativ-theologischen Standpunkt, durchgängig Gebrauch von philosophischer, insbesondere aristotelischer, Begrifflichkeit. Genuin aristotelische Unterscheidungen wie Substanz und Akzidens, Akt und Potenz oder Form und Materie nutzt er unbefangen. Er begreift die menschliche Seele als Zusammensetzung aus geistiger Form und geistiger Materie, also offenbar als eigenständige Substanz, was mit der Sichtweise des Aristoteles, der die Seele als Form des Leibes begreift, kaum vereinbar ist. Aristotelische Lehren und Begrifflichkeiten kombiniert Bonaventura offenkundig mit Auffassungen aus anderen Traditionen, nicht-aristotelische Quellen macht er sich durchsetzt mit aristotelischen Elementen und Begriffen zu eigen. Sein Rückgriff auf Elemente des Platonismus oder der jüdischen Philosophie erzeugen so weniger den Eindruck eines Anti-Aristotelismus als vielmehr den eines konstruktiven eklektizistischen Denkens, zentriert um christliche Glaubenslehren. Seine Beschäftigung mit der rationalistischen Tradition des Aristotelismus betreibt Bonaventura gewissermaßen aus der Deckung alternativer, oft orthodoxer Auffassungen heraus. Im Windschatten der Theologie und des Richtungsstreits in seinem Umfeld betreibt Bonaventura rationalistische Philosophie. Nicht umsonst erklärt er in seinem Sentenzenkommentar I, 3, 2, dass er dann, wenn er sich philosophisch äußert, auf die Argumentationsweise des Aristoteles zurückgreift. Doch auch wenn es um Glaubenseinsichten ging, wollte er auf philosophisches Argumentieren nicht verzichten.


Wie weit aber reicht Bonaventuras positive Sicht auf die Philosophie? Dort, wo es ihm um den erkennenden Aufstieg der Seele zu Gott geht, räumt Bonaventura der Offenbarung entsprechenden Raum ein. Selbstgenügsame philosophische Systeme, die sich der natürlichen Vernunft verdanken, mussten ihm aus dieser Perspektive unzulänglich erscheinen. Doch macht er einer selbstgenügsamen Philosophie eine noch deutlichere Verlustrechnung auf: diese verfalle aufgrund ihrer Loslösung vom göttlichen Wahrheitsgrund unausweichlich in Irrtümer. Auf sich allein gestellt könne die durch den Sündenfall geschwächte menschliche Vernunft zwar zu Erkenntnissen gelangen, doch betont Bonaventura deren enge Begrenztheit. Je mehr nämlich die menschliche Vernunft darauf aus sei, auf Gebieten jenseits der Sinneserfahrung Erkenntnisse zu gewinnen, umso mehr werde sie ihren Anspruch verfehlen und letztlich scheitern. Sobald es dem, wie Bonaventura einräumt, großen Naturphilosophen Aristoteles um Gott oder Gottes Beziehung zur Welt ginge, verliere er sich in Irrtümern.


Wie stimmig ist letztlich das bis heute verbreitete Bild von Bonaventura, dem Polarisierer, im Unterschied zu Thomas von Aquin, dem Synthetisierer? Bei näherer Betrachtung zeigt Bonaventuras Umgang mit Aristoteles eine auch für unsere Zeit aufschlussreiche Weise des Umgangs mit Positionen, die man kaum vertreten will, aber doch nicht für entbehrlich hält. 
Die Philosophie durchläuft immer wieder Legitimationskrisen; im Mittelalter musste sie sich gegenüber der Theologie behaupten, in den letzten Jahrhunderten wiederholt gegen naturwissenschaftliche Neuerungen. Doch kann sie nicht da, wo sie inhaltlich durch andere Disziplinen dominiert oder degradiert zu werden scheint, methodologisch, kritisch, das Zepter der Leitdisziplin in der Hand behalten? Ist sie nicht gerade über etwaige Objektverluste hinweg ein bleibend attraktives Instrument? Bonaventura steht exemplarisch für den Vorrang der Theologie gegenüber aristotelischer Philosophie. Er betrachtet die Philosophie teils als Vorstufe der Theologie, teils auch als Mittel ihrer Darstellung, wobei sie sich autonom im Sinne weitgehender weltanschaulicher Neutralität zeigt. Er weist der Philosophie Schlüsselaufgaben im Hintergrund zu. Bei ihm lernen wir, durchaus modern, wie sich Philosophie artikuliert und bewährt, wenn sie in die Defensive gerät, aber dennoch mit ihrer Vernunft, ihren begrifflichen und methodischen Mitteln, wirksam bleiben soll. •



Christoph Kann ist Professor für Philosophie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, wo er insbesondere zu Fragen der analytischen Sprachphilosophie, Logik sowie zur Philosophie der Antike und des Mittelalters forscht. Zuletzt erschien von ihm „Heinrich von Gent: Die Möglichkeit menschlichen Wissens (lat.-dt.)“, übersetzt und eingeleitet von Christoph Kann und Monika Steffens, Verlag Herder (2024).
 

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