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Bild: Columbia University (gemeinfrei), Photo courtesy of PR

Austausch

Lieber Christoph, lieber Etienne…

Étienne Balibar veröffentlicht am 01 Juli 2022 3 min

Ein deutscher und ein französischer Philosoph debattieren über den Krieg: Anlass ist ein Appell, in dem bekannte Persönlichkeiten einen sofortigen Waffenstillstand in der Ukraine fordern. Christoph Menke ist einer der Unterzeichner und hat Etienne Balibar gefragt, ob er sich dem Appell ebenfalls anschließen will. Unter den beiden Denkern entspinnt sich ein Mailwechsel: In einer ersten Antwort begründet Balibar, warum er viele Sorgen teilt, aber dennoch nicht unterzeichnen möchte. Die Reaktion Christoph Menkes lesen Sie hier.

 

Lieber Christoph, 
 
vielen Dank, dass Du mir diesen Vorschlag geschickt hast, und ich entschuldige mich für die relativ späte Antwort: Ich war die letzten zwei Tage auf Reisen und hatte kaum Gelegenheit, E-Mails zu beantworten. Das gab mir zumindest die Zeit, deinen Appell zweimal sehr aufmerksam zu lesen und meine Meinung zu formulieren.

Ich bin weit davon entfernt, zu jedem Aspekt dieser Tragödie klare Vorstellungen bzw. Positionen zu haben, und bei vielen Aspekten befinde ich mich zwischen widersprüchlichen Imperativen. Ich teile sicherlich Ihre Besorgnis über die Folgen der Ausweitung des Krieges auf eine globale Dimension und die Möglichkeit einer kontinuierlichen Eskalation mit schrecklichen Folgen. Und ich betrachte mich selbst als Friedensaktivist (was mindestens bis zur „Euromissile crisis“ der frühen 1990er Jahre und dem Helsinki-Abkommen zurückreicht). Ich glaube jedoch nicht, dass ich Ihren Aufruf unterstützen kann, und zwar im Wesentlichen aus zwei Gründen:

1)    Trotz einiger Dementis und Ausgleichsformeln sieht der Text den Konflikt im Wesentlichen als einen symmetrischen Konflikt an, in dem Druck auf „beide Seiten“ (Beteiligten) ausgeübt werden muss, damit sie sich zu Verhandlungen bereit erklären (die so genannte „Verhandlungsbereitschaft“) und ihre jeweiligen „Maximalforderungen“ aufgeben. Dies wird in der Ukraine (aber nicht nur dort) als eine Leugnung der Tatsache wahrgenommen werden, dass es einen Aggressor und eine angegriffene „Partei“ gibt, im Namen „höherer Interessen“ und Einsätze. Dies ist sogar völkerrechtswidrig. Und angesichts der gegenwärtigen militärischen Situation gibt es im Appell die zusätzliche Warnung an die Ukrainer, die im Namen von „Experten“ mit Nachdruck vorgetragen wird: Ihr könnt nicht gewinnen, also muss die Initiative jetzt von denen („die militärischen Unterstützer“, mit anderen Worten die Beschützer) wieder aufgenommen werden, ohne die ihr bereits verloren hättet ...

2)    Ich finde eine schreckliche Doppeldeutigkeit in den Begriffen, mit denen Sie diese Beschützer benennen: Sie beginnen mit „Europa“, was dann kurz zu „Europa und den USA“ wird (nur die USA werden erwähnt, wenn ich mich nicht irre, und der Name NATO wird nie erwähnt, womit die Hypothese, dass sie ein eigenes militärisches/politisches Interesse an der Entwicklung des Krieges haben könnte, völlig verworfen wird: neue Mitglieder zu gewinnen, den Kreis um Russland zu schließen, die Autorität in den Händen des mächtigsten Akteurs zu zentralisieren, der die USA sind, und ihnen eine ständige Rolle in der europäischen Politik zu gewähren usw). Schließlich wird es einfach „der Westen“ („die westlichen Akteure“, etc.) (und es sind die „großen westlichen Akteure“, die als Vertreter der „internationalen Gemeinschaft“ hervortreten ...). Ich identifiziere mich absolut nicht mit der Kategorie „der Westen“ in der heutigen Welt, ich glaube nicht, dass er relevant ist, um globale Probleme zu lösen, einschließlich regionaler Kriege, an denen er selbst beteiligt ist. Und vor allem finde ich es entscheidend, dass wir, die Bürger Europas, selbst in einer Situation der Dringlichkeit und des fast unwiderstehlichen Drucks, eine Unterscheidung zwischen Europa (seinen Werten, seinen Interessen, seinen Entscheidungsverfahren) und dem „atlantischen“ militärischen und diplomatischen Bündnis aufrechterhalten (was nicht bedeutet, dass wir „Anti-Amerikaner“ werden), also darauf verzichten, uns als (Teil des) „Westens“ zu bezeichnen.

Wie Sie also sehen, beginne ich mit Bedenken, die den Ihren ähnlich sind (denke ich), und ich ende in starker Opposition zu Ihrer Sprache (wenn auch nicht zu Ihren Absichten). Ich hoffe, dass Sie dies nicht als eine feindselige Reaktion auffassen: Ich musste meine Punkte so unverblümt wie möglich darlegen, aber ich glaube, dass wir uns in einer kontinentalen kollektiven Reflexion und, wenn möglich, in einer Aktion befinden, die gleichzeitig gegenseitiges Verständnis und Einfallsreichtum erfordert.

 

Alles Gute, Etienne •

 

Christoph Menke ist Professor für Praktische Philosophie mit Schwerpunkt Politische Philosophie und Rechtsphilosophie an der Goethe-Universität Frankfurt. Im Oktober erscheint sein neues Buch „Theorie der Befreiung“ bei Suhrkamp.

Etienne Balibar ist emeritierter Professor für politische Philosophie und Moralphilosophie an der Universität Paris-X (Nanterre). Viele seiner Bücher sind ins Deutsche übersetzt.  „Gleichfreiheit: politische Essays“ erschien 2012 bei Suhrkamp.

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Kommentare

Claudio Giacosa | Freitag, 1. Juli 2022 - 13:35

Ich teile die Haltung von Prof. Balibar. Schon lange müssten wir besprechen, ob wir wirklich in der Demokratie leben, von der wir uns erzählen. Der aktuelle Beschluss des US Supreme Courts zur Handhabung ungewollter Schwangerschaften und ganz aktuell der Sieg der US Kohle-Lobby vor dem US Supreme Court über die Klimaziele i. S. d. Doch-Noch-Nicht-Kohleausstiegs zeigen ja, wie sehr 'Der Westen' unter einem vielschichtigen Verlust an planetar lebenserhaltenden Wendungen leidet. Eine Zeitenwende haben wir im 'Westen' nicht, wir machen ja so weiter, wie immer und reaktivieren militärisch gerade nur alte Strategiemodelle, was den VÖLKERN in Belarus, der Ukraine und Russland akut nicht hilft. Ich denke wir haben es hier mit einem nach wie vor nicht bewältigten Trauma auf der Achse Berlin - Warschau - Minsk - Moskau zu tun.

Gerd Wörner | Freitag, 1. Juli 2022 - 17:05

Lieber Etienne, ihr Grund 1 ist gut nachvollziehbar. Der Ausgangspunkt des Briefes, der von einem „symmetrischen Konflikt „ ausgeht, wackelt sehr.. Ihr Grund 2 verliebt sich sehr in Sprachanalyse und Definitionsversuchen und lässt das große Anliegen des Briefes, Stop der Gewalt, Unterbrechung der Kriegshandlung und Rückkehr an den Verhandlungstisch links liegen. Haben Sie einen eigenen Vorschlag ?

Stefan Borst | Dienstag, 5. Juli 2022 - 04:40

In meiner Wahlheimat Amerika ist heute Feiertag. An diesem 4.Juli lese ich also den Appell deutscher "Prominenter" zur "Rückkehr an den Verhandlungstisch". Zunächst fällt mir dazu ein, dass ein derartiger Appell gerichtet an die sich gerade für unabhängig erklärt habenden Amerikaner von diesen mit 100% Sicherheit ignoriert worden wäre, so wie er heutzutage auch von der Ukraine gewiss ignoriert bleiben wird. Wäre man einem derartigen Appell 1776 (oder später) gefolgt, wir würden höchstwahrscheinlich heute keine USA feiern, und natürlich bekommt man mit seiner Befolgung auch keine unabhängige und freie Ukraine.

Und wahrscheinlich gäbe es auch keine derartigen Appelle von "Prominenten". Die Intellektuellen im kontinentaleuropäischen Westen haben nie verstanden, was es bedeutet, sich die eigene Freiheit erkämpft zu haben. They always took it for granted. Sie ist ihnen in den Schoß gefallen. Was man selbstverständlich hat und voraussetzt, nimmt man aber bekanntlich nicht für so furchtbar wichtig und erhaltens- oder erkämpfenswert wert. Vom bequemen Professorenschreibtisch aus kann man dann schon mal locker differenzieren zwischen einer "westlichen Wertegemeinschaft", die man in Frage stellt, und der NATO als reinem Militärbündnis, das man gerne akzeptiert. Klar, man weiß ja nie, es könnte ohne NATO doch ein bisschen ungemütlich werden im Professorentürmchen.

Zur Erinnerung die Präambel des Nordaltlantikvertrages:
„Die Parteien dieses Vertrags bekräftigen erneut ihren Glauben an die Ziele und Grundsätze der Satzung der Vereinten Nationen und ihren Wunsch, mit allen Völkern und Regierungen in Frieden zu leben. Sie sind entschlossen, die Freiheit, das gemeinsame Erbe und die Zivilisation ihrer Völker, die auf den Grundsätzen der Demokratie, der Freiheit der Person und der Herrschaft des Rechts beruhen, zu gewährleisten.“

Vollends grotesk wird die kontinentaleuropäische Intellektuellenattitüde jedoch, wenn das Lied von dem für den Westen identitätsstiftenden "Stellvertreterkrieg" der Ukrainer angestimmt wird: Damit macht man sich vollends zum Büttel Putins, der ja genau dieses Thema als Kriegsgrund auf den langen Tisch gelegt hat!

Ach so, an welchem Tisch und über was will man eigentlich mit Putin verhandeln? Das Rheinhotel Dreesen fiele mir spontan als Örtlichkeit ein. Das wäre sicher ganz nach Putins Geschmack. Verhandeln will er nämlich gar nicht. Er will allenfalls Nägel mit Köpfen machen, so wie damals der deutsche Führer und Reichskanzler.

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