Étienne Klein: „Diejenigen, die behaupten, man solle sich in diesem Konflikt neutral verhalten, bringen mich zur Verzweiflung“
Wie hat der Krieg in der Ukraine das eigene Leben und Denken beeinflusst? Der Philosoph Étienne Klein beschreibt einen Schock, der seine Perspektive auf Gewalt veränderte.
Ich gehöre einer Generation an, die lange Zeit davon überzeugt war, dass Europa endlich wirksame Gegenmaßnahmen gegen die Ausübung brutalster Gewalt gefunden hatte. Das Ende des Kalten Krieges hatte die Idee eines langen Friedens, der auf stabilen friedlichen Beziehungen zwischen nunmehr demokratisch gesinnten Nationen beruht, wieder aufgewärmt. Am 24. Februar 2022 entdeckte ich das Ausmaß meiner Naivität: Selbst in Europa haben wir keineswegs mit der Gewalt abgeschlossen. In mir wich die Verleugnung plötzlich dem Entsetzen und das Entsetzen der Traurigkeit. Eine anhaltende Traurigkeit, die immer wieder von der Feststellung genährt wurde, dass Krieg die Regel und Frieden nur eine scheinbare, höchst instabile Erscheinung ist. Daher ist jeder Frieden von heute dazu verurteilt, sich später in eine weitere Zwischenkriegszeit zu verwandeln. Das war ein Schock.
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Lieber Christoph, lieber Etienne…
Ein deutscher und ein französischer Philosoph debattieren über den Krieg: Anlass ist ein Appell, in dem bekannte Persönlichkeiten einen sofortigen Waffenstillstand in der Ukraine fordern. Christoph Menke ist einer der Unterzeichner und hat Etienne Balibar gefragt, ob er sich dem Appell ebenfalls anschließen will. Unter den beiden Denkern entspinnt sich ein Mailwechsel: In einer ersten Antwort begründet Balibar, warum er viele Sorgen teilt, aber dennoch nicht unterzeichnen möchte. Die Reaktion Christoph Menkes lesen Sie hier.

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Ein deutscher und ein französischer Philosoph debattieren über den Krieg: Christoph Menke hat einen Appell unterzeichnet, der sich für einen sofortigen Waffenstillstand in der Ukraine einsetzt. Etienne Balibar begründet im Mailaustausch mit Menke, warum er nicht unterzeichnet, aber einzelne Aspekte ähnlich sieht. In seiner letzten Antwort fragt Christoph Menke nochmals eindringlich nach der Rolle der Intellektuellen und zieht Bilanz.

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Ein deutscher und ein französischer Philosoph debattieren über den Krieg: Christoph Menke hat einen Appell unterzeichnet, der sich für einen sofortigen Waffenstillstand in der Ukraine einsetzt. Etienne Balibar begründet im Mailaustausch mit Menke, warum er nicht unterzeichnet, aber einzelne Aspekte ähnlich sieht. In seiner heutigen Antwort skizziert Balibar, warum „wir“ längst Teil des Krieges sind und es die moralische Pflicht der UNO ist, zwischen den Parteien zu vermitteln.

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