Verfluchte Faulheit
Wer nichts tut, ruft den Argwohn anderer und das eigene schlechte Gewissen hervor. Unproduktivität macht schuldig – daran glaubt nicht nur die Kirche, sondern auch die Linke.
Faulenzerei, Nichtstun, Müßiggang, Arbeitsscheu, Drückebergerei, Gammelei – es fehlt nicht an Vokabular, um von allen Leidenschaften diejenige zu bezeichnen, die uns selbst, wie La Rochefoucauld in seinen Maximen schreibt, am wenigsten bekannt sei: die Faulheit. Als berühmte Unbekannte durchquert sie die Epochen und provoziert dabei zwei gegensätzliche Haltungen. Bergsons homo faber, der mit seinen Werkzeugen schaffende Mensch, gegen jenen, den der Soziologe Robert Stebbins homo otiosus zu nennen vorschlägt – den Menschen der Freizeitgesellschaft, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entsteht.
Philosophie Magazin +

Testen Sie Philosophie Magazin +
mit einem Digitalabo 4 Wochen kostenlos
oder geben Sie Ihre Abonummer ein
- Zugriff auf alle PhiloMagazin+ Inhalte
- Jederzeit kündbar
- Im Printabo inklusive
Sie sind bereits Abonnent/in?
Hier anmelden
Sie sind registriert und wollen uns testen?
Probeabo
Weitere Artikel
Elite, das heißt zu Deutsch: „Auslese“
Zur Elite zählen nur die Besten. Die, die über sich selbst hinausgehen, ihre einzigartige Persönlichkeit durch unnachgiebige Anstrengung entwickeln und die Massen vor populistischer Verführung schützen. So zumindest meinte der spanische Philosoph José Ortega y Gasset (1883–1955) nur wenige Jahre vor der Machtübernahme Adolf Hitlers. In seinem 1929 erschienenen Hauptwerk „Der Aufstand der Massen“ entwarf der Denker das Ideal einer führungsstarken Elite, die ihren Ursprung nicht in einer höheren Herkunft findet, sondern sich allein durch Leistung hervorbringt und die Fähigkeit besitzt, die Gefahren der kommunikationsbedingten „Vermassung“ zu bannen. Ortega y Gasset, so viel ist klar, glaubte nicht an die Masse. Glaubte nicht an die revolutionäre Kraft des Proletariats – und wusste dabei die philosophische Tradition von Platon bis Nietzsche klar hinter sich. Woran er allein glaubte, war eine exzellente Minderheit, die den Massenmenschen in seiner Durchschnittlichkeit, seiner Intoleranz, seinem Opportunismus, seiner inneren Schwäche klug zu führen versteht.
Judith Butler und die Gender-Frage
Nichts scheint natürlicher als die Aufteilung der Menschen in zwei Geschlechter. Es gibt Männer und es gibt Frauen, wie sich, so die gängige Auffassung, an biologischen Merkmalen, aber auch an geschlechtsspezifischen Eigenschaften unschwer erkennen lässt. Diese vermeintliche Gewissheit wird durch Judith Butlers poststrukturalistische Geschlechtertheorie fundamental erschüttert. Nicht nur das soziale Geschlecht (gender), sondern auch das biologische Geschlecht (sex) ist für Butler ein Effekt von Machtdiskursen. Die Fortpf lanzungsorgane zur „natürlichen“ Grundlage der Geschlechterdifferenz zu erklären, sei immer schon Teil der „heterosexuellen Matrix“, so die amerikanische Philosophin in ihrem grundlegenden Werk „Das Unbehagen der Geschlechter“, das in den USA vor 25 Jahren erstmals veröffentlicht wurde. Seine visionäre Kraft scheint sich gerade heute zu bewahrheiten. So hat der Bundesrat kürzlich einen Gesetzesentwurf verabschiedet, der eine vollständige rechtliche Gleichstellung verheirateter homosexueller Paare vorsieht. Eine Entscheidung des Bundestags wird mit Spannung erwartet. Welche Rolle also wird die Biologie zukünftig noch spielen? Oder hat, wer so fragt, die Pointe Butlers schon missverstanden?
Camille Froidevaux-Metteries Essay hilft, Judith Butlers schwer zugängliches Werk zu verstehen. In ihm schlägt Butler nichts Geringeres vor als eine neue Weise, das Subjekt zu denken. Im Vorwort zum Beiheft beleuchtet Jeanne Burgart Goutal die Missverständnisse, die Butlers berühmte Abhandlung „Das Unbehagen der Geschlechter“ hervorgerufen hat.
Brauchen wir Eliten?
Elite. Das klingt überheblich. Nach Privilegien, Ungerechtigkeit, Bevormundung. In Krisenzeiten spitzt sich dieser Argwohn oft zu. Im Moment erleben wir eine solche Zeit. Globale Migration, soziale Ungleichheit, die Folgen der Digitalisierung: Der Druck aufs Establishment wächst. Populisten sind auf dem Vormarsch. Die Demokratie ist in Gefahr. Was also tun? Müssen Eliten sich neu erfinden, um den Spalt zwischen „uns“ und „denen da oben“ zu überwinden? Wenn ja, wie? Oder liegt das Problem viel tiefer – nämlich im Konzept der Elite selbst, das Menschen Führung verordnet? Trauen wir uns, bis an die Basis dessen zu gehen, was für uns lange selbstverständlich war.
Die neue Ausgabe: Glücklich sein in einer schlechten Welt?
Glück assoziieren wir mit Leichtigkeit und ozeanischen Gefühlen. Nichts beschwert, nichts bedrückt. Ein Zustand, der in Zeiten der Großkrisen in weite Ferne gerückt zu sein scheint. Oder haben wir nur noch nicht verstanden, was Glück in Wahrheit ist?
Hier geht's zur umfangreichen Heftvorschau!

Das neue Feuer
Künstliche Intelligenz ruft oft zwei grundsätzlich unterschiedliche Reaktionen hervor: Euphorie ob all der utopischen Möglichkeiten. Oder Schwarzmalerei und das prophezeite Ende der Menschheit. Philosophisch besehen lässt sich allerdings ein differenzierteres Bild zeichnen.

Im Angesicht der Unendlichkeit
Staunen, Ehrfurcht, metaphysischer Taumel – der Blick aufs Firmament ruft tiefste Sehnsüchte und Ängste hervor. Dabei haben wir von der wahren Größe und Reichhaltigkeit des Universums kaum eine Vorstellung.Einladung zu einer planetarischen Gedankenreise, ergänzt von drei philosophischen Meditationen zur Stellung des Menschen im Kosmos
Die Freude, dagegen zu sein
Vergnügen ist oft nichts anderes als Ablenkung von der Wirklichkeit. Wer aber glaubt, glücklich sei nur der Dumme und Angepasste, liegt falsch. Drei Figuren widerständigen Glücks.

Glaubt nicht denen, sondern uns!
Die Wahrheit ist hart umkämpft: Wer sie für die eigenen Zwecke einspannen will, setzt nicht immer auf faire Mittel. Hier vier Diskursstrategien, mit denen Gruppen versuchen, ihre Sicht der Dinge durchzusetzen.
