Bürger Kant
Kant ist der maßgebliche Philosoph des bürgerlichen Zeitalters, das im 18. Jahrhundert mit der Industrialisierung Englands, der Revolution in Frankreich und dem Deutschen Idealismus begann. Urteile über Kant sind daher auch Stellungnahmen zur bürgerlichen Gesellschaft.
Wir alle sind Kinder des 18. Jahrhunderts. Die großen Systemkonflikte der jüngeren Geschichte – der Kampf zwischen Monarchie und Republik im 19., Kapitalismus und Kommunismus im 20. sowie autoritären und liberalen Systemen im 21. Jahrhundert – sind Nachhutgefechte jener Zeit, die mit Aufklärung, Revolution und Fortschritt, Demokratie, Kapitalismus und Individualismus rang. Wollten wir sie auf einen Begriff bringen, so bietet sich hierfür die „bürgerliche Gesellschaft“ an, die ausgehend von Westeuropa die gesamte Welt erfasste. Sie formierte sich auf drei Gebieten: Wirtschaftlich durch die industrielle Revolution in England, politisch mit der Französischen Revolution und philosophisch im Deutschen Idealismus, der, ausgehend vom „Alleszermalmer“ Kant, kaum einen Stein auf dem anderen ließ und die Welt ebenso gründlich umgestaltete wie die Republikaner und Unternehmer.
Die bürgerliche Parallelaktion wurde an drei Stellen durchgeführt. Zunächst gegen die Theologie, die bei Kant ihre Vormundschaft gegenüber der Philosophie verliert. Die Aufgabe der Religion, erklärt er 1793, sei die „Erkenntnis unserer Pflichten als göttlicher Gebote“. Dies ist möglich durch Verstandesoperationen, verlangt also keine Offenbarungsreligion, sondern einen „Vernunftglauben“. Zusammen mit der Theologie verschwindet ihr Abglanz in der Philosophie, die Metaphysik, und wird als „Ding an sich“ ausgeklammert. Kant beschränkt sich auf das Erkennbare und richtet den Blick nach innen. Erkenntnis wird zur Arbeit an sich selbst, Schärfung der Urteilskraft und Verfeinerung der Kategorien zur Erfassung der Welt, was nicht immer leicht ist. Daher die berühmte Aufforderung: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“, um den „Ausgang“ aus der „selbstverschuldeten Unmündigkeit“ zu nehmen.
Klingt das nicht wie ein Schlachtruf aus dem revolutionären Paris, wo zusammen mit dem Feudalsystem dessen klerikale Legitimationsanstalt hinweggefegt wurde? Wie Kant ersetzten die Revolutionäre die Theologie durch einen Vernunftglauben, der in Robespierres „Kult des höchsten Wesens“ gipfelte. Kirche und Staat wurden voneinander geschieden, vergleichbar mit Kants Trennung von Theologie und Philosophie. Der Kirchenbesitz wurde verstaatlicht, so wie Kant Moralfragen der Vernunftphilosophie überantwortet hat, die als neue Leitdisziplin alle Fäden in der Hand hielt.
Und gibt es nicht ebenfalls Parallelen zur industriellen Revolution, die einsetzte, als der Markt aus der Vormundschaft feudal-klerikaler Instanzen entlassen wurde? Grundlage hierfür war die Befreiung der Bauern, die in England bereits im späten 15. Jahrhundert erfolgte. Seither mussten sie den Mut aufbringen, sich ihres eigenen wirtschaftlichen Sachverstandes zu bedienen und den Ausgang aus der unternehmerischen Unmündigkeit zu nehmen. Sie wurden zu Lohnarbeitern, Marktsubjekten, deren Rationalität eine andere ist als die des Feudalmenschen. Sie fühlten sich nicht mehr an eine gottgewollte Ordnung gebunden, sondern widmeten sich dem Selbsterhalt. So kam es, dass, wie Marx schrieb, „alles Ständische und Stehende verdampft, alles Heilige (…) entweiht“ und die Menschen „gezwungen“ wurden, ihre „Beziehungen mit nüchternen Augen anzusehen“.
Öffentlichkeit, Parlament und Markt
Eine Instanz, vor der alle Handlungen Bestand haben müssen, gibt es dennoch und bildet Kants zweiten bürgerlichen Punkt: die Öffentlichkeit. Sie ist in jeder Gedankenoperation anwesend, die den Test der Verallgemeinerbarkeit bestehen muss. Daraus geht der berühmte kategorische Imperativ hervor, der jede Handlung danach beurteilt, ob ihr Grundsatz zum allgemeinen Gesetz erhoben werden kann. Doch sosehr sich auch, wie Kant schreibt, Spuren der „Menschheit in der Person eines jeden Menschen“ finden: Ein monologisches Verfahren stößt an Grenzen. Denn woher will man wissen, welche Anliegen die Menschheit hat? Hierfür ist Öffentlichkeit in einem Beteiligungssinn erforderlich, als Möglichkeit, die Denkergebnisse mitzuteilen, abzugleichen und nötigenfalls zu revidieren. Außerdem werden die Vernunftträger durch die Öffentlichkeit mit entscheidungsrelevanten Informationen versorgt, ohne die jedes Urteil leer bliebe. Hierfür müssen Presse und Meinungen frei sein, die die vorgestellte in eine empirische Republik verwandeln. Diese wird zum Gradmesser der Politik, deren Aufgabe für Kant darin besteht, ihr „Publikum“ „mit seinem Zustande zufrieden zu machen“. Möglich ist das nur, wenn sie weiß, ob sich Zufriedenheit einstellt oder nicht, wenn das Publikum also sprechen darf.
Auch hierfür finden wir Entsprechungen in der politischen und industriellen Revolution: Der Umwälzung in Frankreich ging die Entstehung einer Öffentlichkeit in Salons, Kaffeehäusern und Zeitungen voraus, die Einzelansichten zusammenbrachte, abwog und unter Revidierungsdruck setzte, wo sie unplausibel erschienen. In der Revolutionszeit lebte diese Kultur auf Kundgebungen fort und danach im Parlament, wo die Ideen der Fraktionen Funken schlagen und durch Abstimmung über die Vernünftigkeit eines Vorschlags entschieden werden sollte.
Die industrielle Revolution etablierte ebenfalls eine Öffentlichkeit, hier in Gestalt des Marktes: Das feudale Privatverhältnis zwischen Herrn und Knecht wurde in ein öffentliches überführt, das mehr als einen Anbieter und Kunden kennt. Jedes Produkt ist potenziell an die gesamte Menschheit adressiert, und erst Angebot und Nachfrage fällen ein Urteil über seine Vernunft, das sich im Preis ausdrückt.
Globales Bewusstsein
Die Öffentlichkeit befindet sich unterhalb des Staates. Sie ist nicht mit Sanktionsgewalt ausgestattet, sondern bildet dessen Räsonier- und Resonanzraum. In gewisser Weise befindet sie sich jedoch auch darüber, da sie die Bewohner aller Staaten meint und Kants dritten bürgerlichen Anteil bildet: das Weltbürgertum. Es ergibt sich schon epistemisch aus Kants Idee einer Vernunft, die allen Menschen zukommt, und moralisch aus seinem Postulat der Verallgemeinerungsfähigkeit ethischer Maximen. Überdies hat es Kant in seinen Spätschriften politisch umrissen: Der Weltbürger hat die Sphäre zwischen den Staaten im Blick, wo die Entscheidung über Krieg und Frieden fällt. Er arbeitet Letzterem zu, bemüht sich um Abrüstung, befürwortet eine republikanische Verfassung, da diese die Kriegsneigung reduziert, und mischt sich nicht in fremde Angelegenheiten ein. Die Milderung der internationalen Sitten ist zudem auf institutionelle Unterstützung angewiesen. Kant schlägt die Gründung eines „Völkerbundes“ vor, der die Staaten aneinanderbindet, ohne sie zusammenzulegen. Es braucht – analog zu den formalen Kriterien der Vernunft – ein Regelwerk, das den Austausch ermöglicht, Waren, Informationen und Menschen frei zirkulieren lässt, damit sich die bürgerliche Vernunft ausbilden kann.
Mit ähnlicher Verve wandten sich die französischen Revolutionäre an die gesamte Welt. Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 begriff die Freiheit als angeboren, unveräußerlich und universell. Als Hilferufe von Aufständischen in ganz Europa die Nationalversammlung erreichten, wurde daraus schnell ein Programm zum Revolutionsexport, das Napoleon auf die Spitze treiben sollte – gereinigt von allen kantischen Hemmungen, die von Interventionen und Weltstaatlichkeit abrieten, jedoch mit derselben weltbürgerlichen Absicht. Diese konnte sich auch dort entfalten, wo die Revolutionäre es gar nicht vorgesehen hatten. In Haiti brach 1791 ein Sklavenaufstand aus, der die Prinzipien von Freiheit und Gleichheit gegen die Kolonialherren richtete. Spätestens hier gehörte die Revolution nicht mehr den Franzosen, sondern der Welt.
Eine ähnlich globale, unkontrollierbare Tendenz hat auch die Industrialisierung. Sie erfasst Land um Land und bildet allmählich einen Weltmarkt, der Grenzen überspringt – zunächst auf der Suche nach Rohstoffen, später nach Arbeitskräften und schließlich nach Konsumenten. Die Globalisierung der Gegenwart ist das Ergebnis einer 250-jährigen Expansionsgeschichte des Kapitals, unterstützt durch Mobilitäts- und Kommunikationstechnologien und im Zusammenspiel mit einem wachsenden Weltbürgerbewusstsein kantischer Art, das hin und wieder zurückgeworfen wird, jedoch unaufhaltsam auf Globalität zusteuert.
Freiheit, Gleichheit, Eigenständigkeit
Dass diese Ähnlichkeiten nicht bloß auf logischer Ebene bestehen, zeigen Kants Bezugnahmen auf die bürgerlichen Parallelereignisse. In der Französischen Revolution erkennt er ein „Geschichtszeichen“, mit dem ein neues Zeitalter beginnt. Die Revolutionäre „haben Ideen in Bewegung gebracht“, die „nicht mehr auszutilgen sein werden“. Mit wahrem „Heißhunger“ verschlingt der alte Kant die Zeitungen, die vom Fortgang dieser Ideen berichten. Selbst der Jakobinerterror ließ ihn nicht an ihrer Richtigkeit zweifeln: „Wie bei der Schöpfung alles chaotisch aufgerollt war, so auch bei der Revolution: Nun schwebt der Geist Gottes darüber und wird nach und nach scheiden und ordnen.“
Ähnlich revolutionär erscheint ihm die Rolle des Handels, der sich im späten 18. Jahrhundert in Europa ausbreitete. Kant erklärt ihn zur friedensstiftenden Macht: „Es ist“, schreibt er 1795, der „Handelsgeist, der mit dem Kriege nicht zusammen bestehen kann, und der sich früher oder später jedes Volkes bemächtigt.“ Dass Kant ihn für geschichtlich notwendig hält, hängt mit der einsetzenden industriellen Arbeitsteilung zusammen, deren Zeuge er ist. Sie versetzt tendenziell jeden Bürger in den Zustand der „Aktivität“, was ihm nur recht sein kann. Denn wo gearbeitet wird und Eigentum entsteht, da sind Autonomie und Vernunft nicht weit. Kants politische Haltung ließe sich vielleicht auf die Formel „Freiheit, Gleichheit, Eigenständigkeit“ bringen, eine Synthese von französischem Citoyen und englischem Bourgeois, die man universalbürgerlich oder kantianisch nennen könnte. Doch das Bürgerliche reicht noch tiefer. Es bestimmt Kants Wesen, seinen Charakter und Habitus, wie Heinrich Heine bemerkte, der Kant mit Robespierre verglich: Beide zeichnen sich durch dieselbe „unerbittliche, schneidende, poesielose, nüchterne Ehrlichkeit“ aus, „dasselbe Talent des Misstrauens, nur dass es der eine gegen Gedanken ausübt und Kritik nennt, während der andere es gegen Menschen anwendet und republikanische Tugend betitelt“. Vor allem aber ähneln sie sich in ihrem „Spießbürgertum“. Dazu kursieren zahlreiche Anekdoten über Kant, nach dem man bekanntlich die Uhr stellen konnte und der nie von seiner Spaziergangsroutine abwich – außer am Tag nach der Französischen Revolution. Berüchtigt ist auch seine Haltung, nach „wohl begründeten Grundsätzen zu verfahren in allem“ (so sein Schüler Ludwig Ernst von Borowski über ihn) – und durch alle, von denen er denselben Rigorismus verlangte, um die Gesellschaft tugendhaft einzurichten. Kants Schrullen und Merkwürdigkeiten besitzen nicht bloß Erheiterungswert. Sie legen Charakterzüge offen, die tief in die kantische Philosophie hineinreichen, die als bürgerliche verallgemeinerbar, streng und arbeitsförderlich konzipiert ist. Damit taugt Kant, der prinzipienfeste Philosoph, nicht nur zum entschlossenen Revolutionär, sondern auch zum emsigen Marktsubjekt, das seine Aufträge zuverlässig und pünktlich erledigt, den Genuss aufschiebt, wenn es die Pflicht verlangt, und immerfort abwägt und kalkuliert, um zu optimalen Entscheidungen zu gelangen.
Wie hältst du es mit Kant?
Weil Kants Wesen und Denken derart vom bürgerlichen Geist durchdrungen sind, sind Kant-Kommentare zugleich Stellungnahmen zur bürgerlichen Gesellschaft. Deren Verfechter können sich in der Regel ganz gut mit Kants Philosophie anfreunden, während Kant-Kritikern eine andere Ordnung vorschwebt. Marxisten versuchen sich seit jeher an einer vierten „Kritik“. Sie haben den Verdacht, dass unter der Oberfläche der bürgerlichen Rationalität die Unvernunft lauert, die sich in Ausbeutung (Marx), Naturbeherrschung und Selbstverstümmelung (Adorno) äußert. Aus der Verwandtschaft zwischen Kant und dem Bürgertum lässt sich daher ein Gesinnungstest ableiten: Wer mit Kant hadert, weil er ihm zu optimistisch, voraussetzungsvoll oder beschränkt vorkommt oder weil er ihn langweilig, umständlich oder streng findet, der gibt damit zugleich seine Ansichten über die bürgerliche Gesellschaft preis, die ihm offenbar nicht behagt. •
Weitere Artikel
Immanuel Kant und synthetische Urteile
Wie sind synthetische Urteile a priori möglich? Immanuel Kant weiß die Antwort – aber Sie verstehen schon die Frage nicht? Wir helfen in unserer Rubrik Klassiker kurz erklärt weiter!

Was ist Deutscher Idealismus?
In unserer Rubrik Auf einen Blick machen wir philosophische Strömungen in einem Schaubild verständlich. Diesmal den deutschen Idealismus, der umfassende Systeme zur Erklärung der Wirklichkeit entwirft und davon ausgeht, dass Denken und Sein untrennbar zusammengehören.

Philipp Lepenies: „Die Realität der frühen Demokratie hieß überall: Exklusion”
Wer die Demokratie verteidigen möchte, sollte einen Blick in ihre Geschichte werfen, meint Philipp Lepenies. Im Gespräch zu seinem neuen Buch Souveräne Entscheidungen. Vom Werden und Vergehen der Demokratie geht der Politikwissenschaftler den demokratischen Ursprüngen in Frankreich, England und den USA nach. Und erklärt, warum tugendhafte Bürger entscheidend sind.

Romantikerinnen: Die andere Seite des Idealismus
Der deutsche Idealismus ist männerlastig und in Geschlechterfragen reaktionär. Und doch findet sich im Umkreis von Fichte, Schelling und Hegel eine ganze Reihe von Denkerinnen, die die Freiheit im Namen der Aufklärung einfordern – auch die weibliche.

Das Denken im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit
Denken zu können, das unterscheidet den Menschen mutmaßlich von allen anderen Wesen. Doch worauf beruht dieses Vermögen? Heißt Denken Rechnen? Besteht sein Wesen in der Fähigkeit, eigene Urteile zu fällen? Oder läge an seinem Grund gar das erotische Begehren nach Weisheit? Vor allem aber: Wie können wir uns in der Kunst des Denkens schulen?
Im Zeitalter immer leistungsstärkerer Denkmaschinen könnte sich an diesen Fragen nicht weniger als die Zukunft unserer Art entscheiden. Höchste Zeit also, gemeinsam darüber nachzudenken
Kann man Leben künstlich erzeugen?
Bereits Schüler experimentieren heute mit Genbaukästen, Forscher dringen immer tiefer in die Geheimnisse der DNA ein, kreative Eingriffe auch in das menschliche Genom sind keine Zukunftsmusik mehr. Die Fortschritte der synthetischen Biologie wecken nicht nur ethische Bedenken. Sie zwingen uns auch, neu über die Frage nachzudenken, was Leben eigentlich ist – und wo die Grenze zur toten Materie liegt. Reportage aus den Zukunftslaboratorien unseres Zeitalters.

Die Kunst der Eleganz
Die Spielregeln der Höflichkeit gelten heute oft als starres Korsett, von dem man sich befreien möchte. Eine andere Perspektive gewinnt, wer sich mit der bürgerlichen Kultur des 17. Jahrhunderts beschäftigt: Der elegante Umgang miteinander bedeutet eine befreiende Lebenskunst.

Kant und der Geschmack
Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Auch Kant war der Überzeugung, dass unsere ästhetischen Urteile subjektiv und nicht rational sind. Dennoch erwarten wir die Zustimmung unserer Mitmenschen, wenn wir etwas schön finden. Wieso?

Kommentare
Der abschliessende "call to the arms" (bist Du für oder gegen die Bürgerliche Gesellschaft?) ist sicher abzulehnen. Viele der ursprünglich fortschrittlichen Forderungen der Aufklärung haben sich in problematische Richtungen entwickelt. Der globalisierte Handel und dessen Industrie haben aufgrund der losen Geldpolitik nur wenigen genutzt, die kommerzialisierte Öffentlichkeit hat sich ein aufmerksamkeitsgetriebenes Geschrei unverbindlicher Einzelmeinungen reduziert, die Politik ist weltweit in Quasi-oligarchien übergegangen etc
S den oberen Artikel von P. Felsch: "In Faktizität und Geltung nimmt Habermas 1992 eine „Gleichursprünglichkeit von privater und öffentlicher Autonomie“, das heißt des Kantischen liberalen Rechtsstaats und der auf Rousseau zurückgehenden Idee der Volkssouveränität an: Ein demokratisches Kollektiv, das herrschaftsfrei miteinander deliberiert, wird sich immer auch eine liberale Grundrechtsverfassung geben. Nicht nur in Europa sehen wir heute, dass zwischen diesen beiden Momenten, dem rechtsstaatlich-liberalen und dem demokratischen, die unsere politische Ordnung ausmachen, eine zunehmende Spannung entsteht. Populistische Bewegungen entstehen auch in Reaktion auf das Demokratiedefizit der europäischen Institutionen, das diese aus eigener Kraft nicht beheben können. Die beiden Teile der Demokratie, Volkssouveränität und Rechtsstaatlichkeit, treten auseinander. Die hehren Geltungsansprüche der Habermas‘schen Theorie scheinen immer weiter von der politischen Faktizität entfernt. Er hat leider gute Gründe, entgeistert in die Gegenwart zu schauen. "