Das G-Wort
Wer den Krieg in Gaza als Genozid bezeichnet, setzt sich dem Vorwurf aus, ihn mit dem Holocaust auf eine Stufe zu stellen. Unsere Kolumnistin Eva von Redecker sah lange davon ab, den Begriff zu verwenden. Doch nun hat sie ihre Meinung geändert.
Ich habe in Bezug auf die israelische Kriegsführung nach dem Massaker durch die Hamas am 7. Oktober 2023 selbst lange nicht von „Genozid“ gesprochen. Zwar habe ich zur Kenntnis genommen, dass nach der Völkerrechtskonvention von 1948 schon die Intention der teilweisen Vernichtung einer Volksgruppe die Verwendung rechtfertigen kann; und natürlich sah auch ich in einigen Äußerungen israelischer Politiker eine Vernichtungsdrohung. Aber die Wahl des Palästina-solidarischen Aktivismus, den Genozid-Begriff ins Zentrum zu stellen, überzeugte mich nicht. Mich schockierte, mit welchem Furor in Deutschland diese Wortwahl verworfen wurde, aber ich wollte auch nicht aus bloßem Trotz zu ihr übergehen.
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