Die Natur des Bösen
Die Frage, wie das Böse in die Welt kommt, hat Philosophen seit jeher beschäftigt. Steckt Absicht dahinter oder Arglosigkeit? Können wir es überhaupt restlos verstehen? Und führt es vielleicht unwillentlich zum Guten? Sechs Interpretationen von Platon bis Arendt.
Tun Menschen absichtlich Böses?
Nein, wir handeln aus Unwissenheit darüber, was das Gute ist
Platon
ca. 428 – 348 v. Chr.
Wer etwas gut meint, kann trotzdem falsch handeln. Platon führt diese Erfahrung zunächst auf eine Form von Verblendung zurück, die zur Folge hat, dass wir unser Ziel verfehlen. Doch er geht noch weiter. Seiner Meinung nach erliegen selbst diejenigen, die objektiv das Böse zu wollen scheinen, einer Täuschung über ihr Ziel: Denken wir nur an Tyrannen, die eine bestimmte Vorstellung von der Größe der Nation haben, Machtträume hegen oder ihr Reich vergrößern wollen. Diese bösen Menschen denken, sie tun etwas Gutes, aber sie irren sich. Sie sind vor allem unwissend. Sokrates sagt: „Also ist es doch klar, dass diese Leute, diese Nichtkenner des Schlechten, nicht das Schlechte begehren, sondern dasjenige, was sie für gut hielten, während es tatsächlich schlecht ist. Mithin begehren diejenigen, die es nicht kennen und es für gut halten, offenbar das Gute. Oder nicht?“ Dies ist im Wesentlichen Platons Argumentation, die Sokrates gegenüber dem Sophisten Menon im gleichnamigen Dialog zum Ausdruck bringt: Jeder will glücklich sein, und um glücklich zu sein, muss man gut handeln, also handelt niemand bewusst schlecht. Der Philosoph folgert daraus: „Niemand (…) wünscht sich das Schlechte“ – denn das wäre schlichtweg paradox. Wer sich also unerfreulich verhält, ist zwar bösartig, aber nicht böswillig. Wer nicht weiß, was Glück bedeutet, und Böses tut, weil er glaubt, Gutes zu tun, ist letztlich weniger zu tadeln als zu bedauern. Um dieser Argumentation zu folgen, muss man allerdings mit Platon die Annahme akzeptieren, dass Glück und das Gute gleichbedeutend sind. Doch ist das wirklich so?
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