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Illustration: © Joni Majer

Kolumne von Wolfram Eilenberger

Die Sache mit dem Warten

Wolfram Eilenberger veröffentlicht am 11 Mai 2021 3 min

Dank der Pandemie muss man allerorten anstehen. Wer die Nerven behalten will, sollte eines tun: jede Hoffnung fahren lassen.

 

„Jetzt stellen Sie sich mal bloß nicht so an!“, auch wenn eine fast vergessene soziale Erfahrung quälend in die Mitte unseres Daseins zurückkehrt. Die Rede ist, natürlich, vom Warten „in der Schlange“, das in Pandemiezeiten wieder zum ubiquitären Alltagsphänomen avanciert. Weshalb nur bringt es uns derart auf? Zunächst: Wer in der Schlange steht, will unbedingt etwas, was andere auch wollen, und zwar just zu dem Zeitpunkt, in dem auch andere dies wollen. Ohne allerdings in diesem Moment über Ressourcen zu verfügen, sich des angestrebten Guts anderweitig zu bemächtigen. In marktgetriebenen Überflussgesellschaften des 21. Jahrhunderts werden Warteschlangen deshalb als der kollektive Ausdruck eines je individuellen Versagens erfahren. Wer sich als Konsument Tag um Tag in ihnen wiederfindet, hat es, wie man so sagt, „nicht geschafft“.

Worin schließlich besteht das Kernversprechen eines digital gewordenen Neoliberalismus, wenn nicht in der Aussicht, nie wieder als nur einer unter anderen Schlange stehen zu müssen? Worin die Kernfrustration sozialistischer Mangelwirtschaften, wenn nicht in der Erfahrung des stundenlangen Wartens vor letztlich leeren Regalen? Eine Bevölkerung, die sich jeden Tag wieder klaglos in Schlangen einreiht, hat jedenfalls Anlass, sich als lang gefallenes Kollektiv zu erkennen. Nur scheinbar vom Thema abweichend sei hierbei auf die Eigenart des Deutschen hingewiesen, als einzige Weltsprache das Warten „in einer Reihe“ (englisch: „stand in line“; russisch: „стоять в очереди“; französisch: „faire la queue“) mit dem biblischen Tier des Sündenfalls zu metaphorisieren. Und dies mit bestem Grund, kommt die Erfahrung doch tatsächlich der alltäglichen Vertreibung aus dem Paradies unschuldiger Permabefriedigung gleich. In der Schlange erkennt sich das modern-narzisstische Individuum als nur ein weiterer bedürftiger Wollenssünder in einer Welt ewig überbordenden Mangels.

 

Transzendentales Harren

 

Was also tun? Als ellenbogenstarker Einzelner einfach weiter möglichst früh aufstehen und sich nach Kräften vordrängeln? Oder etwa als Kollektiv geschlossen gegen die Gesamtsituation demonstrieren, gar zum Plündern übergehen? In Zeiten der großen Schlange, wir ahnen dies, beides ebenso entwürdigende wie letztlich kontraproduktive Strategien. Weshalb die Philosophin Simone Weil einst einen dritten Weg aus unserem Schlangendasein ersann, nämlich den des „reinen Wartens“. Alltäglich einzuüben als Haltung eines transzendentalen Harrens, das sich a priori von jeder Hoffnung befreit, das unbedingt begehrte Produkt jemals zu erlangen. Nur wer sich im Leben derart anstelle, so Weil, dürfe nämlich hoffen, dereinst mit dem wahrhaft höchsten Gut unseres Daseins beschenkt zu werden: der vollen Einsicht in die unheilbare Leere allen ichbezogenen Wollens.

„Schrecken der Leere – Schlangestehen vor Lebensmittelgeschäften“, notierte sie demgemäß 1942 in ihr Denktagebuch und beklagt die Eigenart des Menschen, für jede auf sich genommene Mühe eine Entlohnung erhoffen zu müssen. „Man kann es nicht ertragen, sich umsonst erschöpft zu haben“. Sofern aber doch, sofern es also gelänge, das stets ungeduldige „Warten auf“ endlos entspannt als „reines Warten“ zu erfahren, würde sich für diesen Moment ein himmlisch befreiendes Versprechen erfüllen, das von alters her jeder Schlage als Schlange eingeschrieben ist und da lautet: „Die Letzten werden die Ersten sein.“ Wahrhaft heilende, tief immunisierende Worte. Worauf also warten Sie noch? •

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