US-Wahl 2024
Trump lügt, pöbelt und bricht Recht. Trotzdem wird er von seinen Anhängern gefeiert und wurde erneut zum Präsidenten gewählt. Wie ist das möglich? Haben US-amerikanische Denkströmungen dem Trumpismus den Boden bereitet? Konservatismus, ziviler Ungehorsam, Pragmatismus: Eine Aufklärung in drei Teilen. Lesen Sie unser aktuelles Dossier mit der Titelfrage „Woher kommt der Trumpismus?“ bis Donnerstag ohne Paywall.
Der geistige Boden des Trumpismus
Trump als „weird“ zu bezeichnen, greift zu kurz. Vielmehr gilt es, die philosophische Schattengeschichte seines Erfolgs freizulegen. Ein Intro von Svenja Flaßpöhler.
1. Der Geist des Konservatismus
Trump, dieser Rüpel und Lügner, Elitenbasher und Rebell – ein Konservativer? Das klingt seltsam. Schließlich geht es dem Konservatismus um Tugend, Harmonie, Hierarchie und ewige Wahrheit. Manchmal jedoch nimmt er dafür einen Umweg in Kauf und setzt – zumindest vorübergehend – aufs glatte Gegenteil. Er reißt ein, um Ordnung herzustellen, und lügt im Namen der Wahrheit. Traditionellen Konservativen geht das zu weit. Aber in den USA hat diese Dialektik viele Anhänger.
Trumpocons
Donald Trump gilt als autoritär und rebellisch, rechtsradikal und sonderbar. Dabei gibt es Vorläufer im US Konservatismus der vergangenen 250 Jahre.
Der amerikanische Evangelikalismus und ich
Spätestens seit der Trump-Wahl 2016 ist der Bevölkerungsblock der weißen US-amerikanischen Evangelikalen auch von Europa aus sichtbar geworden. Wie denken diese Menschen, woraus speist sich ihr Weltbild? Eine persönliche Spurensuche.
2. Der Geist des Ungehorsams
Der von Trump maßgeblich befeuerte Sturm auf das Kapitol und seine Nichtanerkennung des Wahlsiegs von Biden gereichen ihm nicht zum Nachteil, sondern fördern sogar seine Popularität. Zehrt Trump hier von einer US-amerikanischen Tradition des Ungehorsams? Welche Denkerinnen und Denker prägten diese vielschichtige Tradition, in der sich die Ziele wie auch die Motive stark unterscheiden?
Samira Akbarian: „Radikaldemokratischer Ungehorsam lässt sich leicht mit dem verwechseln, was Trumpisten machen“
Wer das Gesetz bricht, zeigt wenig Achtung für den demokratischen Rechtsstaat? Nicht unbedingt, meint die Juristin Samira Akbarian. Ein Gespräch über Ungehorsam, der die Demokratie stärkt – und solchen, der sie zerstört.
3. Der Geist des Pragmatismus
Oft wurde die französische Postmoderne für jene Wahrheitsmisere verantwortlich gemacht, die sich zugespitzt in den Lügen des ehemaligen amerikanischen Präsidenten zeigt. Doch sind auch Stimmen zu vernehmen, die fordern, lieber vor der eigenen Haustür zu kehren und eine Denkströmung in den Blick zu nehmen, die tief in der amerikanischen Kultur verwurzelt ist: den Pragmatismus und dessen Wahrheitsbegriff, der sich am Kriterium der Nützlichkeit misst.
Wahrheit, die sich lohnt
Für Trump ist nicht entscheidend, ob seine Behauptungen den Fakten entsprechen, sondern ob sie sich für ihn auszahlen. Ist der Pragmatismus der geistige Boden, auf dem die Postfaktizität gedeihen konnte?