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Unbewusste

Der Begriff kennzeichnet den Gegensatz zum Bewussten, also zum Beispiel den Zustand des traumlosen Schlafens, der ohne Bewusstsein abläuft, oder, positiv formuliert, die mentalen Prozesse, die die Psychoanalyse und die kognitiven Wissenschaften beschreiben. Die Erfahrung widerspricht der Idee eines „Ichs“, das sich selbst völlig transparent erscheint, und nach heutiger Kenntnis ist es Leibniz, der mit seiner Theorie der Petites perceptions („kleine unmerkliche Wahrnehmungen“) erstmals die Frage nach dem Unbewussten stellt. Indem er seine Entdeckung der Infinitesimalrechnung auf die Psychologie anwendet, zeigt er, dass das, was bemerkenswert ist, aus Teilen zusammengesetzt ist, die es nicht sind: Geistige Aktivität findet nicht nur bewusst statt – dieser Schluss von Leibniz ist zugleich eine Kritik an Descartes. Der deutsche Idealismus (von Fichte bis Schelling), Schopenhauers Philosophie des Willens, die Philosophie des Körpers bei Nietzsche und die Fortschritte der Psychologie im 19. Jahrhundert, die bei der Beschreibung psychischer Erkrankungen die Existenz eines psychischen Automatismus hervorheben, all diese verschiedenen Strömungen kommen zu dem Schluss, dass das Unbewusste tatsächlich existiert. Aber wie soll man es beschreiben, ohne es zu verzerren? Die Psychoanalyse, als „Sprechtherapie“, bevorzugt dafür die Traumdeutung (Freud), kulturelle Archetypen (Jung) oder untersucht die Wörter und die Syntax, die der Patient gebraucht (Lacan), um die traumatischen Ursachen von Neurosen und Psychosen zu erforschen. Heutzutage zeigen die Neurowissenschaften mithilfe der medizinischen Bildgebung, dass eine Art von „kognitivem Unbewussten“ in jedem Moment die bewusste Aktivität des Gehirns begleitet. Über die Möglichkeit ihrer Erkenntnis hinaus, stellt die Existenz des Unbewussten auch die menschliche Freiheit infrage. Das Unbewusste ermöglicht, den Körper und das Begehren mit dem Verstand zu versöhnen, und bietet darüber hinaus den Schlüssel für eine neuartige Interpretation kultureller Phänomene wie der Kunst oder der Religion.